Unbekannte zerstören Kunstwerk von Karin Boine. Kunst-Imbiss verkauft Zeichnungen, Malerei und Videos zu Spottpreisen

Harburg. Bei der Eröffnung des Temporären Kunstpfades Harburg ist es am Sonnabend zu einem Eklat gekommen: Unbekannte haben eine radikale Form der Auseinandersetzung mit Kunst gewählt und das Kunstwerk von Karin Boine in dem Park Alter Friedhof zerstört. Eigentlich hätten mit Kurznachrichten bedruckte Leichentücher insgesamt 14 Grabsteine auf dem früheren Friedhof verhüllen sollen. Dass die Verhüllungskunst vollständig entfernt worden war, hatte der Veranstalter erst fünf Minuten vor dem Start des ersten Rundgangs mit Bezirksamtsleiter Thomas Völsch und 70 anderen Gästen erfahren. Der Temporäre Kunstpfad Harburg war schon zuvor in die Schlagzeilen gekommen, weil es dem Hamburger Künstler Boran Burchhardt der Coup gelungen war, die Alsterfontäne auszuleihen und für die Dauer von zwei Wochen nach Harburg zu schaffen.

Initiator des Temporären Kunstpfades ist der 45 Jahre alte Künstler Manfred Kroboth aus Wilstorf. Er vermutet, dass sich Menschen durch Kunst auf einem früheren Friedhof, auf dem immer noch Grabstätten vorhanden sind, provoziert gefühlt haben. "Ich hätte mir aber eine andere Form der Auseinandersetzung gewünscht", sagt er, "und dass wir in einen Dialog getreten wären". Um niemanden zu pikieren, so Karin Boine, habe sie für ihre Installation Grabsteine ausgewählt, auf denen die Namen nicht mehr leserlich seien.

Die Öffentlichkeit wird Boines umstrittene "Installation mit Grabsteinen" trotz des Kunstraubes dennoch zu sehen bekommen. Die Künstlerin wird ihr Werk rekonstruieren und laminierte Papiertafeln anstelle der Leichentücher auf dem Alten Friedhof installieren. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Helms-Museums, hatte ihr noch bei dem Eröffnungsrundgang spontan seine Hilfe angeboten. Bilder der Originalinstallation sind zudem auf der Homepage des Kunstpfades Harburg zu sehen. Der Temporäre Kunstpfad Harburg zeigt für die Dauer von zwei Wochen bis Sonntag, 17. Juni, an insgesamt sieben Stellen Kunst im öffentlichen Raum. Er führt vom Museumsplatz über den Alten Friedhof in den Harburger Stadtpark. Das Kunstprojekt ergänzt den ständigen Kunstpfad in Harburg, über den Besucher regelmäßig geführt werden. Vergleichbares gibt es in ganz Hamburg nicht.

Der Temporäre Kunstpfad richtet mit den Installationen im öffentlichen Raum den Fokus auf den Harburger Stadtpark. Er beginnt am Helms-Museum mit einer Arbeit von Jutta Konjer. Sie zeigt in der Fensterfront des Museums Objekte, die sie aus Fundstücken zusammengesetzt hat. Auf dem Museumsplatz steht der Kunst-Imbiss. Hier verkaufen Katharina Kohl und D.G. Reiss aus der Klappe heraus Zeichnungen, Malereien, Videos von etwa 100 verschiedenen Künstlern zu Preisen von einem bis 600 Euro.

Geöffnet ist der Kunst-Imbiss mittwochs bis sonntags von 15 bis 18 Uhr. Neben Karin Boine zeigt Ilka Vogler auf dem Alten Friedhof Kunst. Sie liebt es, Wörter in den öffentlichen Raum zu setzen. In diesem Fall ist es das Wort "posthum", das sie mit Blumen gepflanzt hat.

Im Harburger Stadtpark haben Monika Schröder und Alfred Mattes von der Agentur für permanente Kunst Spiegel in Astlöcher eingesetzt, so dass sich für den Spaziergänger erstaunliche Reflexionen ergeben: Er glaubt, durch den Baum hindurch zu sehen. Sakir Gökcebag hat mehrere Bäume mit neongrellen Schläuchen und Fäden aus Kunststoff geschmückt. Der Kontrast der Materialien, Plastik und Baumholz, soll dem Betrachter ein neues Assoziationsfeld eröffnen. Der Pfad endet - oder beginnt - mit der Alsterfontäne.

Temporärer Kunstpfad Harburg "Ein paar Tage im Sommer", bis Sonntag, 17. Juni. Führungen: Mittwoch, 6. Juni, und Sonnabend, 16. Juni, jeweils 14 Uhr, Treffpunkt vor dem Helms-Museum, Museumsplatz