Misere in Prüfungsplanung an der Technischen Universität am Pranger. Missstände torpedieren Regelstudienzeit und Bemühen um Praktika.

Harburg. Ein Offener Brief an Präsidium und Senat der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) sorgte in dieser Woche für Aufruhr auf dem Campus an der Schwarzenbergstraße. Beklagt wird eine anhaltende "Misere in der Prüfungsplanung" - ohne zeitnahe Aussicht auf nachhaltige Verbesserung. "Neu ist das Problem nicht. Der Vorstoß zeigt aber, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren immer weiter zugespitzt hat", sagt Felix Küfner, 25, einer der Initiatoren: "An die Studierenden werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Einen entsprechenden Rahmen zur Prüfungsvorbereitung kann die Universität aber nicht gewährleisten."

So wie der Student für Energietechnik im zweiten Mastersemester beurteilen auch viele andere Studierende die Lage. In den ersten fünf Tagen haben bereits 1239 von ihnen den Brandbrief unterschrieben - quer durch alle Semester und alle Studiengänge. Ein deutlicher Beleg dafür, wie groß der aufgestaute Unmut unter den Akademikern in spe inzwischen ist.

Ausgelegt ist die Hochschule im Herzen Harburgs für 2800 Studierende. Aktuell immatrikuliert sind unterdessen mehr als 6000. "Dass die Zulassungen deutlich über der Rahmenkapazität liegen, wird sicher niemand ernsthaft bezweifeln", sagt Ingo Labbus, Referent für Hochschulpolitik beim AStA. Allerdings sei das politisch ja auch so gewollt. Vor dem Hintergrund der doppelten Abiturjahrgänge und des Aussetzens der Wehrpflicht gebe es entsprechende Auflagen, die die Uni erfüllen müsse.

+++ Die TU Harburg braucht Hilfe +++

Problematisch wird die Überzahl an Studierenden insbesondere dann, wenn die geforderten Leistungsnachweise zu erbringen sind. Weil an einer rein technisch orientierten Hochschule wie der TUHH noch klassische Prüfungsmodelle praktiziert werden. So sind regelrechte Massenprüfungen wie an Gymnasien Usus, viele Studenten werden zeitgleich mit den gleichen Prüfungsaufgaben konfrontiert. Mareike Wendebourg, Projektbeauftragte für die Prüfungsorganisation: "Im Fach Mathe I für Ingenieure sind das schnell mal bis zu 1500 Studenten."

Für solch eine gewaltige Zahl parallel zu Prüfender fehlt es der überlasteten TUHH aber schlicht an Räumlichkeiten. Das Audimax hat zwar eine Kapazität von 680 Plätzen. Bei Prüfungen müssen die Studierenden aber "auf Abstand" sitzen, weshalb dort nur 113 zeitgleich Klausuren schreiben dürfen. Diese Kalamität führt regelmäßig zu einem regelrechten Testats-Tourismus. Immer wieder müssen externe Räume angemietet werden, zumeist nördlich der Elbe. So haben Studenten der TUHH schon die Sporthalle Hamburg in Alsterdorf, das Terminal Tango am Airport Fuhlsbüttel oder das CCH am Dammtor bevölkert.

Das kostet die Hochschule nicht nur rund 100 000 Euro pro Jahr. Es macht eine langfristige Prüfungsplanung praktisch unmöglich. Denn solcherart Räume stehen weder permanent noch lange Zeit im Voraus zur Verfügung. Die Folge ist, dass Prüfungstermine erst relativ kurzfristig bekannt gegeben werden können.

Andererseits monieren die Studierenden auch, es gebe offenbar einen "anhaltenden Personalmangel" in der Uni-Verwaltung. Jedenfalls wirke der Bereich Prüfungsorganisation latent überlastet. "Dazu mag auch beitragen, dass bei der Planung zumeist mit handgeschriebenen Tabellen agiert wird", sagt Felix Küfner: "Leichter und effizienter würde es sich bestimmt mit einer entsprechenden Software arbeiten."

Die Harburger Studierenden wollen das nicht länger hinnehmen. "Weil uns die Missstände vor vielerlei Probleme stellen", wie Küfner unmissverständlich feststellt. Weder sei so die Einhaltung der Regelstudienzeit gewährleistet, noch eine geeignete Auswahl von Fächern möglich. "Torpediert werden auch die Bemühungen um Praktika, die andererseits aber oft integraler und unverzichtbarer Bestandteil des Studiums sind", sagt Küfner. Erschwert würden nicht zuletzt die Bemühungen um Nebenverdiensteinkünfte, ohne die das Studium für viele Studierende nicht finanzierbar wäre. Die Leitung der TUHH ist sich dieser Situation bewusst, wie Präsident Professor Garabed Antranikian dem Abendblatt in einer Stellungnahme mitteilte: "In den vergangenen Monaten wurden bereits einige Maßnahmen eingeleitet, um den Interessen der Studierenden entgegenzukommen." So würden zusätzliche Flächen angemietet, verbindliche Kooperations- und Nutzungsvereinbarungen getroffen, sowie im Rahmen von weiteren Studienreformen Planungen zur Verkleinerung von Prüfgruppen vorgenommen.

"Parallel führen wir Gespräche mit der Politik, um deutlich zu machen, dass der gegebene finanzielle Rahmen, der durch die Mehraufnahme von Studierenden sowie durch die erhöhten Prüfungsanforderungen des Bachelor-Master-Systems noch enger wird, bei weitem nicht ausreicht, um allen neuen Anforderungen unmittelbar gerecht zu werden", sagt Antranikian.

Damit erfüllt das Präsidium der Hochschule eine weitere Forderung seiner Studierenden. Die hatten auch die Aufnahme von intensiven Gesprächen mit anderen Hamburger Hochschulen und öffentlicher, sprich städtischer Einrichtungen angemahnt. "Anders wird eine größere Planungssicherheit durch gleichbleibende, verbindliche Prüfungstermine kaum möglich sein", so Küfner.

Der AStA begrüßt die Initiative der Studierenden ausdrücklich. Ingo Labbus: "Es wird noch eine Weile dauern, bis die Bugwelle durch die doppelten Abiturjahrgänge abgeebbt ist. Neue Wege sind nötig, um eine nachhaltige Lösung des Problems zu erwirken." Dass sich nun auch Behörden und Politik der Sache annehmen, sei überfällig.