Die Innenstadt Neugrabens verödet immer mehr und mehr. Die Betreiber von verbliebenen Geschäften legen eigene Vorschläge auf den Tisch.

Neugraben. Nachmittags im Neugrabener Nahversorgungszentrum an der Marktpassage: An einem großen Findling haben sich einige Neugrabener versammelt, um Bier und Schnaps zu trinken. Die Stimmung ist ausgelassen. Für einige Kunden sind die fröhlichen Trinker allerdings ein dauerhaftes Ärgernis - genauso wie andere Mängel der Innenstadt, denn die Marktpassage mit vorwiegend Waschbeton-Architektur versprüht den Charme der 70er-Jahre. Ein-Euro-Shops und Billig-Bäcker haben sich angesiedelt, und am Anfang der Fußgängerzone befindet sich das marode Süderelbe-Einkaufszentrum, in dem, wie berichtet, Geschäftsleute über den Leerstand und die verwahrlosten Zustände wettern. Aber auch in der Fußgängerzone sind sich die Eigentümer der inhabergeführten Betriebe einig, dass so manches besser laufen könnte.

Feinkosthändler Kai Mecklenburg und andere Ladeninhaber wie Hotelbetreiber Carsten Schönemann und Optikerin Antje Wenzel haben sich mit der SPD-Bezirksversammlungsabgeordneten Barbara Lewy zu einem Rundgang durch Neugrabens City aufgemacht.

"Wir wollen nicht nur meckern, sondern auch Verbesserungsvorschläge machen", sagt Schönemann und deutet auf die Trinker-Gruppe. Schon seit Jahren würden sich die Alkoholiker des Viertels in der Marktpassage versammeln, "und seit Jahren haben die Behörden offenbar kein Mittel wie zum Beispiel ein Alkoholverbot durchgesetzt, um dagegen vorzugehen", sagt Mecklenburg. Doch der Bier-Treff mitten in Neugrabens Ortskern soll noch das geringste Ärgernis sein. "Wenn wir diese Leute darum bitten, nicht gerade vor unseren Geschäften die Flaschen zu köpfen, ziehen sie ohne Stress woanders hin", sagt er.

Optikerin Wenzel deutet auf die Plakatreihe mit teilweise zerfetzten, demolierten Holzaufstellern. "Das ärgert mich. Es macht einen verwahrlosten Eindruck. Diejenigen, die diese Plakate aufstellen, sollten sie auch wieder entsorgen", sagt sie, und Lewy wird etwas verlegen. Denn es sind auch SPD-Aufsteller darunter. Außerdem würde sich niemand um die öffentlichen Grünflächen kümmern. In den Baumscheiben wuchert das Unkraut, überall liegt Müll - kein schöner Anblick für die Kunden von Schlachter Heinrich Biederer, dessen Mittagstisch-Gäste direkt auf das Abfall-Panorama blicken. "Die Stadtreinigung macht kaum einmal sauber, dabei ist das doch deren Aufgabe", sagt Wenzel.

Die Kaufleute plädieren außerdem dafür, mehr Parkplätze zu schaffen. Am liebsten sei ihnen der Marktplatz vor der Polizeiwache, auf dem Stellflächen geschaffen werden könnten. "Man hat uns im Bezirksamt aber mitgeteilt, der Untergrund trage die Pkw nicht", so Mecklenburg. Andererseits würden die Marktbeschicker ihre Laster und Verkaufswagen dort abstellen. "Da weiß man jetzt auch nicht, ob die Behörden uns da verschaukeln wollen", so Hotelbesitzer Schönemann.

Schon seit langem sei im Gespräch, das Pflaster und die Beleuchtung in der Fußgängerzone auszutauschen und zu erneuern. "Das wäre toll, aber davon haben schon unsere Väter geträumt. Es dauert so lange, bis sich etwas verändert. Von uns Geschäftsleuten erwarten Verwaltung und Politik immer Flexibilität", sagt der Feinkosthändler.

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Schwierigkeiten mache auch der Kaufland-Discounter, der mit seinem großen, ausladenden Gebäude die Fußgängerzone dominiert. "Viele Leute wissen deshalb gar nicht, dass wir hier noch viele inhabergeführte Geschäfte haben", so Mecklenburg. Das sei auch ein wesentlicher Grund, weshalb sich die Geschäftsleute gegen eine Ansiedlung von Rewe im ehemaligen Rubbert-Autohaus an der Bauernweide, nicht weit von der Marktpassage, aussprechen (siehe auch Text rechts). Wie berichtet, hatte es erhebliche Proteste gegen die Pläne des Eigentümers gegeben. Der wehrt sich seinerseits, drohte, seine Räumlichkeiten an einen Bordellbetreiber zu vermieten. Die SPD stoppte nun per Beschluss die Supermarkt-Pläne - und die Kaufleute atmen auf. Aber: "Diese unseligen Diskussionen würde es gar nicht geben, wenn unsere Innenstadt attraktiver wäre", sagt Mecklenburg. Er könnte sich eine gemeinsame Homepage der Geschäftsleute vorstellen, auf der die Vorzüge des Orts herausgestellt werden. "Wenige Meter weiter sind Ausflügler in der Fischbeker Heide und könnten sich hier in unseren Läden für ein Picknick eindecken oder Zwischenstopp zum Kaffeetrinken machen", sagt Schönemann. So ein Werbekonzept für Neugraben, das hätte schon was. Und vielleicht würde es Kunden davon abhalten, sich in Neu Wulmstorf in den dortigen Supermärkten zu versorgen, wie es jetzt der Fall sei.

Doch einen Haken hätte die Sache: Mecklenburg deutet auf das Süderelbe-Einkaufszentrum (SEZ). "Es ist ein Jammer. Wenn beim SEZ endlich investiert werden würde, hätte dies Strahlkraft auf die gesamte Passage", sagt Optikerin Wenzel. Es verkomme immer mehr, sei ein Schandfleck für das kleine Nahverkehrszentrum. Doch hier stoßen die umtriebigen Kaufleute an ihre Grenzen. "Das SEZ ist fast ein Denkmal für die ganze Gegend", sagt Helmut Urbschat, dessen Bruder Hans-Werner Urbschat mit seinem Unternehmen MC Property seit dreieinhalb Jahren Eigentümer des SEZ ist. So schlimm seien die Zustände im SEZ nicht, es habe sich schon viel getan. Und wer sich im Umfeld darüber beschweren würde, solle seinen Fokus eben mehr in Eigenwerbung legen.

"Deshalb muss auch Rewe her. Je mehr attraktive Einkaufsmöglichkeiten da sind, desto besser für uns alle hier. Diejenigen, die meckern, sollen sich am Riemen reißen", so Urbschat. Sein Rezept für die Aufwertung des SEZ? "Ich kann mir vorstellen, hochwertige Gastronomie anzusiedeln. Das fehlt in der Marktpassage." Er sei schon in Gesprächen mit möglichen Interessenten. Und auch mit den Renovierungsarbeiten solle es bald weitergehen. Urbschat: "Wir haben schon mit wenigen Mitteln viel erreicht."