Trotz Rentenerhöhung haben viele Senioren nicht mehr Geld im Portemonnaie. Denn Lebensmittel, Benzin oder Kleidung sind teurer geworden

Winsen/Stade/Lüneburg. Rentner bilden die Spitze einer Pyramide, die lange wie in Stein gemeißelt schien - doch keinesfalls Denkmalschutz genießt. Bald wird Deutschlands Alterspyramide Kopf stehen. Es wird immer mehr alte Menschen geben und immer weniger, die in die Rentenversicherung einzahlen. Für viele Senioren bedeutet das vor allem eines: sparen.

Denn während zuverlässig steigende Renten der Vergangenheit angehören, bleiben die Preise für Lebensmittel, Benzin oder Kleidung nicht stehen. Angesichts einer Inflationsrate von 2,4 Prozent ist die Rentenerhöhung um 0,99 Prozent zum 1. Juli für viele Senioren in den Landkreisen Harburg, Stade und Lüneburg nur ein Trostpflaster.

Eine Ursache für die nur geringe Erhöhung sei der demografische Wandel, sagt Ulf Alsguth, Vorsitzender des Seniorenbeirats im Landkreis Harburg. "Der Solidarpakt, auf dem unser Rentensystem fußt, greift nicht mehr." Dazu komme die sinkende Kaufkraft der Renten. "Es hat in den vergangenen Jahren eine Verschiebung in den Lebenshaltungskosten gegeben", sagt Alsguth. Luxusartikel seien nur wenig, Alltagsdinge deutlich teurer geworden. "Das fällt auf Menschen mit niedrigen Renten am stärksten zurück. Mit einem Friseurbesuch kann man warten. Wer aber Hunger hat, muss etwas essen."

Immer mehr Senioren brauchen Unterstützung vom Staat

Rund 1300 der 60 211 Rentner im Landkreis Harburg bezogen im vergangenen Jahr die Sozialleistung Grundsicherung im Alter - ein Anstieg um 35 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Im Landkreis Lüneburg - dort leben 37 416 Rentner - stiegt die Zahl der Grundsicherungsempfänger innerhalb von vier Jahren sogar um 38 Prozent auf aktuell 545. Im Landkreis Stade brauchen bereits 1324 der 42 863 Rentner Unterstützung vom Staat - ein Plus von 18 Prozent in vier Jahren. "Wenn beispielsweise Frauen nach der Familiengründung nicht mehr gearbeitet haben, ist ihre Rente erschreckend niedrig", sagt Kathrin Loose vom Beratungszentrum Winsen des Deutschen Sozialverbands. "Sie bekommen oft nur 300 Euro." Aber auch mit einer normalen Rente wird der Spardruck stärker.

Knapp vierzehn Euro wird die Erhöhung Wolfgang Strohmeier bringen. Mit dem Zeigefinger fährt er über Zahlenreihen in seinen Unterlagen. 1397 Euro stehen dem gelernten Landwirt, der bis vor fünf Jahren als Verwalter und Gewerkschaftssekretär gearbeitet hat, zu. "An die Krankenkasse muss ich durch die jüngste Erhöhung fünf Euro mehr zahlen", sagt er. "Bleiben zusätzlich neun Euro pro Monat zur freien Verfügung. Davon kann man sich ja nicht viel mehr leisten."

Der 65-Jährige fährt regelmäßig von Radenbeck, wo er mit seiner Frau wohnt, nach Lüneburg. Dort berät er ehrenamtlich andere Senioren in Versicherungssachen. Strohmeier tippt Entfernungen und Literpreise in seinen Taschenrechner. "Für Benzin gebe ich etwa 30 Euro mehr als noch vor einem Jahr aus." Auch das Gas für die Heizung ist teurer geworden. Deshalb hat er im Winter öfter mal Holz in seinem Kaminofen nachgelegt.

Doch auch der Brennholzpreis habe sich verdoppelt, sagt Strohmeier. Dass er als Rentner kürzer treten müsse, habe er vorher gewusst. "Wir teilen uns das Geld jetzt ein." Beim Einkaufen achtet er auf Angebote. Und statt in die Ferne zu fliegen, fährt er mit seiner Frau lieber ein paar Tage nach Amrum. "Ich bin über jeden Cent froh, um was unternehmen zu können." Mit großen Rentenerhöhungen rechnet er nicht mehr. "Aber falls die Renten sinken sollten - dann würde ich auf die Straße gehen."

Dass die Renten nicht gekürzt würden, werde als "Bonbon" verkauft, meint Helge Schreiber aus Ohlendorf. "Dabei gibt es etliche Änderungen, die alle in eine Richtung gehen: weniger Geld." Mit seiner Rente von 1900 Euro, bald knapp 19 Euro mehr, komme er zwar gut zurecht. Gerecht findet Schreiber die Berechnung aber nicht. "Rechnet man die Rentenerhöhung gegen die Preiserhöhung, bleibt unterm Strich immer ein Minus." So gebe er mit seiner Schwestern und seinem Schwager etwa 700 Euro im Monat für Lebensmittel aus - 150 Euro mehr als vor drei Jahren. Der Rentner zieht eine Zeitkarte des HVV aus seiner Brusttasche, Auto fährt er kaum. "Der Preis für die Monatsfahrkarte hat sich um fünf Euro erhöht", sagt er. 60 Euro zusätzlich im Jahr. "Das allein tilgt die Rentenerhöhung doch schon." Die Mitgliedschaft im Sportverein sei um vier Euro monatlich teurer geworden. Ebenso steige der Beitrag für seine SPD-Mitgliedschaft, die monatlich etwa zehn Euro kostet, jedes Jahr um ein Prozent. Richtig sparen müsse er zwar nicht, sagt der 70-Jährige, der bis vor sechs Jahren als Referent in der Hamburger Umweltbehörde gearbeitet hat. "Aber ich sehe an meiner Schwester, die nur halb so viel Rente bekommt, wie eng es werden kann."

Rentner sparen beim Heizen, Einkaufen und Verreisen

Beim Bäcker in Buxtehude kosten die Roggenkrüstchen jetzt vier Cent mehr, der Preis für ein Pfund Kaffee ist um einen Euro gestiegen und für ein Bund Möhren zahlt Annegret Cord seit kurzem 1,29 Euro statt 90 Cent. "Es sind die vielen Kleinigkeiten, gerade bei Lebensmitteln, durch die das Leben teurer wird", sagt die ehemalige Verwaltungsmitarbeiterin der Arbeitsagentur. Zuvor führte sie selbstständig einen Schreibwarenladen. Mit 1200 Euro muss sie nun im Monat auskommen.

Ab Juli werden es knapp zwölf Euro mehr sein. Das werde allein durch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ausgeglichen, sagt die 68-Jährige. Dazu kämen steigende Preise. "Ein einfaches Baumwoll-T-Shirt kostet drei Euro mehr als vor einem Jahr." Und die Nebenkosten in ihrer Mietwohnung seien innerhalb von acht Jahren von 160 auf 260 Euro gestiegen, allein im vergangenen Jahr um zwölf Prozent.

"In den ersten Rentenjahren konnte ich mir noch deutlich mehr leisten", sagt Cord, die 1999 in Frührente ging. Heute spart sie vor allem an den Dingen, die ihr früher Freude bereitet haben. Ein neues Buch für 25 Euro ist nicht mehr drin, stattdessen geht sie in die Bücherei. Ins Theater nach Hamburg fährt sie nur noch selten. "Der HVV hat ja auch die Preise erhöht." Das Auto bleibt, wenn möglich stehen, bei der Bahn guckt sie nach Sparpreisen. "Aber am Verreisen spare ich sowieso. Das Geld ist einfach nicht da." Bald zieht Annegret Cord in ein Wohnprojekt. "Wir denken über Carsharing nach. Und wenn es hart auf hart kommt, können wir uns im Gemeinschaftsraum treffen und die Heizungen in den Wohnungen runterdrehen."