Ein Tropfen genügt. Für Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern entwickelte Lehrer Stephan Matussek mit seinen Schülern eine neue Technik

Harburg. Chemie ist wenn es knallt und stinkt. An dieser Schülerweisheit hat sich bis heute nichts geändert und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht. In Zukunft wird sich aber vermutlich einiges an der Art und Weise des Unterrichts in den Schullaboren in ganz Deutschland ändern. Und diese Entwicklung hat dann Lehrer Stephan Matussek, 56, von der Katholischen Stadtteilschule, Julius-Ludowieg-Straße 89 in Harburg, in Gang gebracht. Seit zehn Jahren entwickelt er sein Projekt „Lab in a drop“.

Statt größere Mengen an Chemikalien in Reagenzgläsern zu mixen, wie es an den meisten Schulen bei praktischen Übungen im Unterricht bislang noch üblich ist, hat Matussek alle Versuche auf die geringste Menge reduziert. Das bedeutet für Flüssigkeiten: Es genügt ein Tropfen. Und bei Feststoffen wird nicht mehr als beispielsweise ein Kristallkorn benötigt. An den chemischen Reaktionen ändert sich beim Zusammenbringen nichts. Im Gegenteil: Im Mini-Format lässt sich unter der Lupe alles viel besser erkennen. Seine Schüler, die mit „Lab in a drop“ schon seit mehreren Jahren experimentieren und mehr als 80 Versuche dabei mit entwickelt haben, sind nun als technische Experten selbst an der Ausbildung von Lehrern beteiligt.

So nahmen erst kürzlich 14 zukünftige Lehrerinnen und Lehrer des Hamburger Studienseminars Chemie an einem Workshop des inzwischen bereits preisgekrönten naturwissenschaftlichen Unterrichtsprojekts „Lab in a drop“ teil. Beim Workshop hatte sich auch Gesine Liese, die Leiterin der „Kinderforscher“ an der Technischen Universität Hamburg Harburg (TUHH), umgesehen, um neue Impulse für ihre Arbeit aufzunehmen. Und vor wenigen Tagen war noch ein Studienseminar aus Berlin nach Harburg gekommen, um die neue Technik kennenzulernen. Lehrer und Schüler hatten zuvor schon an der MNU-Fachmesse für Mathematik, Naturwissenschaften und Unterricht in Bremerhaven und Hamburg teilgenommen, um das das neue Verfahren vorzustellen.

Matussek: „Wir sind die einzige Schule, die auch mit Schülern zur Fachmesse kommt. Dafür muss ich auch unserem Schulleiter Siegfried Strottner danken, dass er den Schülern für den Messebesuch frei gibt.“ Das Geld an Katholischen Schulen in Hamburg ist knapp. Sie erhalten nur 85 Prozent der Haushaltsmittel staatlicher Schulen. Das knappe Budget machte Stephan Matussek bereits vor zehn Jahren erfinderisch. Seit März vergangenen Jahres hat er das ganze Unterrichtssystem mit Mikro-Labortechnik aus der Arzneimittelforschung soweit entwickelt, dass er es mit dem Name „Lab in a drop“ an andere Schulen weiter geben will.

Es ist für Klassenstärken bis 32 Schüler ausgelegt, die zeitgleich und eigenverantwortlich experimentieren können.In der MNU-Fachzeitschrift ist das Verfahren bereits veröffentlicht. Ausgezeichnet wurde es dieses Jahr mit dem Stiftungspreis der Katholischen Schulen Hamburgs.

So bringen die Schülerinnen und Schüler im Labor einen Tropfen Flüssigkeit – das ist der 59. Teil eines Milliliters – mit dem nur noch unter der Lupe sichtbaren kleinsten Teil eines Elements zusammen und beobachten die Reaktion. Selbst bei den geringen Mengen entsteht beispielsweise Knallgas oder stinkender Schwefelwasserstoff, womit die eingangs erwähnte Erklärung von Chemie auch im Mikro-Maßstab Bestätigung findet. Weitere Vorteile sind, dass sich der Verbrauch an Chemikalien im Unterricht deutlich verringert und Ausgaben gespart werden. Hinzu kommt, dass bei den geringen Experimentiermengen kein Sondermüll mehr anfällt. Matussek: „Die paar Tropfen lassen sich einfach wegspülen oder mit einem Wischtuch im normalen Abfall entsorgen.“

Mit seinem Engagement hat Matussek inzwischen auch Unterstützer wie den Eisenbahnbauverein mit seiner EBV-Stiftung mobilisiert. Gertraude Knabenreich war ihm dabei behilflich. Einerseits wohnt sie in einem Haus der EBV-Baugenossenschaft und hat einen guten Draht zum Vorstandsvorsitzenden Joachim Bode und andererseits kümmert sie sich auch 20 Jahre nachdem ihre Kinder die Schule verlassen haben noch um die Unterstützung der Schule. So hat Joachim Bode im Namen der EBV-Stiftung der Schule einen Experimentierkoffer im Wert von 350 Euro gespendet. Bode: „Ich begrüße diese Form des Unterrichts.“

Matussek sagt: „Um die Schüler stärker für Chemie sowie Natur und Technik zu interessieren und ihnen die Erfahrung des Experimentierens zu ermöglichen, wurde der Raum eines Reagenzglases in den Raum eines Wassertropfens verlagert, womit der Name Lab in a drop erklärt ist.“