Hamburg. Bis zu 20.000 Bedürftige versorgt die Hamburger Tafel wöchentlich mit rund 35 Tonnen Lebensmitteln. Die Warteschlangen an den gegenwärtig 21 Ausgaben in der Stadt werden immer länger, die Mengen an gespendeten Lebensmitteln jedoch kleiner. Auf der Uhlenhorst machen sich diese Engpässe nun offenbar besonders bemerkbar. Dort klagen Bedürftige über Missstände bei der Lebensmittelausgabe.
Ein Betroffener, der namentlich nicht genannt werden möchte, sei mehrfach abgewiesen worden, weil die Lebensmittel ausgegangen seien und berichtet sogar von Polizeieinsätzen wegen Handgreiflichkeiten vor der Einrichtung an der Bostelreihe 9, die von der Gemeinde der Elim Kirche organisiert wird. "Nachdem man mehr als eine Stunde in der Kälte gewartet hat, bekommt man gesagt, dass es nicht genug Essen gibt und nur die Leute mit Nummern noch was erhalten", sagt er. Um solch eine Nummer zu bekommen, müsse man achtmal in Folge da gewesen sein. Werden einige Bedürftige in der Einrichtung anderen bevorzugt?
Schließung einer Ausgabestelle in Wandsbek
Nein, sagt Christian Tack, der erst Anfang Februar die Nachfolge von Ralf Taubenheim als ehrenamtlicher Geschäftsführer der Hamburger Tafel angetreten hat. Um einem "Lebensmittel-Tourismus" vorzubeugen, müsse sich an den Ausgabestellen jeder mit dem Nachweis der Bedürftigkeit und einer Meldebestätigung ausweisen. "Oft werden diejenigen schneller bedient, die sich nicht mehr ausweisen müssen, weil die Helfer sie bereits kennen", räumt Tack ein. Dies sei dem Anspruch geschuldet, einen glatten und schnellen Ablauf der Lebensmittelausgabe zu erreichen. Hinzu komme, dass die Einrichtung derzeit überlastet sei.
Grund dafür sei die kürzliche Schließung einer Ausgabe in Wandsbek. "Im März wurde die Einrichtung an der Wandsbeker Chaussee geschlossen, weil der Betreiber – die Arbeitslosen Selbsthilfe Hamburg – die Immobilie verlassen musste", sagt Tack. Da die Bedürftigen nach Wohnort auf die Standorte verteilt werden, besuchen diejenigen, die zuvor in Wandsbek versorgt wurden, nun die Einrichtung vor der Elim Kirche. Das stelle die freiwilligen Helfer der Ausgabestelle vor große Herausforderungen. Zwar versuche die Tafel, die Mengen der Lebensmittel, die die 120 Helfer im Stadtgebiet verteilen, dem jeweiligen Bedarf anzupassen. Dennoch käme es in jüngster Zeit dazu, dass die Lebensmittel zu früh ausgehen und Wartende wieder nach Hause geschickt werden müssen.
Supermärkte spenden weniger Lebensmittel
"Zudem macht sich der grundsätzliche Mangel an freiwilligen Helfern angesichts der aktuellen Situation in der Einrichtung besonders bemerkbar", sagt der Tafel-Geschäftsführer. "Da kann es auch mal zu Ungereimtheiten kommen." Er gehe daher davon aus, dass die zuvor beschriebenen Erfahrungen des Bedürftigen zutreffen, ein Vorstandsmitglied der Tafel solle die Ausgabestelle an der Bostelreihe deshalb in den kommenden Tagen besuchen. Gleichwohl sei ihm ein Polizeieinsatz nicht gemeldet worden.
Stadtweit nutzen immer mehr Bedürftige das Angebot der Hamburger Tafel. "Die Nachfrage steigt zweifelsohne, das merken wir in der ganzen Stadt", sagt Tack. Der Ausfall der Ausgabestelle in Wandsbek sei daher besonders schmerzhaft, ein Ersatz bislang nicht in Sicht. "Insgesamt bräuchten wir 30 Stellen, die Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, um die weißen Flecken auf der Stadtkarte zu füllen", sagt Tack.
Ob sie diese überhaupt ausreichend beliefern könnten, ist derzeit unklar. Denn neben dem Mangel an Ehrenamtlichen ginge auch die Menge an gespendeten Lebensmitteln zurück. Der Grund dafür ist kurios: "Beispielsweise verkaufen die Supermärkte älteres Obst und Gemüse inzwischen günstiger auf Sondertischen", klagt Tack. Ein Schritt, der angesichts der Lebensmittelverschwendung eigentlich zu begrüßen sei. "Das hat aber auch zur Folge, dass die Supermärkte uns weniger Lebensmittelspenden zukommen lassen."
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