Smart Home

Mit neun Apps zum intelligentesten Haus Deutschlands

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Antonia Thiele
Rundgang im Apartimentum am Mittelweg in Hamburg am Freitag mit Bauherr Lars Hinrichs

Rundgang im Apartimentum am Mittelweg in Hamburg am Freitag mit Bauherr Lars Hinrichs

Foto: Roland Magunia

Xing-Gründer Lars Hinrichs baut Wohnungen in Rotherbaum, in denen alles vernetzt ist. Statt Schlüssel gibt es Apps. Im Oktober sollen sie fertig sein.

Rotherbaum.  Der Gang auf die Dachterrasse scheitert an der verschlossenen Tür, oder besser gesagt, an dem dazu gehörenden Schlüssel, den Lars Hinrichs nicht dabei hat. Der Bauherr des Wohnungskomplexes Apartimentum in Rotherbaum dürfte sich bestätigt fühlen: Schlüssel seien eben ein Relikt der Vergangenheit, unpraktisch, umständlich, einfach nicht zeitgemäß. In dem Haus am Mittelweg, in dem laut Xing-Gründer Hinrichs gerade das erste Wohnobjekt mit „Instant Comfort“ entsteht, wird es keine Schlüssel geben, alles funktioniert per App.

Die Appartements sollen mit Technik ausgestattet und teilmöbliert übergeben werden. Die „intelligenteste Tür der Welt“ erkennt, wenn sich das Smartphone eines Mieters nähert und öffnet sich. Der Fahrstuhl kann extern programmiert werden und zählt selbstständig die Kilometer, bis das Auto eines Mieters die Tiefgarage erreicht, um dann dort bereitzustehen. Sämtliche elektronischen Geräte in der Wohnung werden miteinander vernetzt, während der Bewohner im Bett den Wecker abschaltet, bereitet die Dusche ein individuell eingestelltes Programm vor. „Ich versuche mit Apartimentum, das Produkt Mietwohnung neu zu erfinden“, sagt Hinrichs, der am Freitag zu einem ersten Rundgang durch den Rohbau geladen hatte.

Weil hier also quasi eine neue Zeitrechnung beginnt, will Hinrichs auch die bisher selbstverständlichen Gesetze des Mietmarktes außer Kraft setzen. Er vermietet nicht nach dem üblichen Maß „Quadratmeter Wohnfläche“, im Apartimentum würden den Mietern vielmehr „Kubikmeter Lebensqualität“ geboten. 20 Wohneinheiten beinhaltet der erste Bauabschnitt, der im Oktober bezugsfertig sein soll. In einem zweiten Abschnitt – für den noch die Baugenehmigung fehlt – sollen weitere 17 Einheiten dazu kommen. Vermutlich weil sich Lebensqualität doch schwer beziffern lässt, nennt Hinrichs doch die Wohnfläche: 65 bis 240 Quadratmeter werden die Apartments groß sein.

Der Internetmillionär möchte von den künftigen Bewohnern des Apartimentums eine „Flat-Rate-Miete“ nehmen, in der alle Nebenkosten enthalten sind. 2000 bis 9500 Euro werden die Wohnungen kosten. Klar ist, dass von dem Konzept vor allem Mieter angesprochen werden sollen, die sich für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten bis maximal drei Jahren in der Stadt aufhalten. Das könnten Führungskräfte sein, die von Firmen aus dem Ausland geholt werden. Mietverträge habe er zwar noch nicht ausgegeben, die Interessentenliste sei aber extrem lang, sagt Hinrichs.

Dass elektronische Geräte innerhalb eines Haushaltes miteinander vernetzt werden, ist nicht neu. Solche sogenannten Smart-Homes funktionierten meist über ein zentrales Steuergerät, das sich im Haus befindet. Für das „intelligenteste Haus Deutschlands“, wie Hinrichs sein Projekt nennt, reicht das natürlich nicht. In den Wohnungen innerhalb des Komplexes werden die Geräte über das Internet gesteuert. Über eine Cloud gibt so beispielsweise das Smartphone ein Signal an die Kaffeemaschine, wenn der Bewohner aufwacht und beim Betreten der Küche sein fertiges Getränk vorzufinden wünscht. Zusammen mit dem Mietvertrag bekommen neue Bewohner eine Liste von neun Apps, die sie herunterladen müssen.

Die durch die Vernetzung der Geräte ermöglichte Zeitersparnis ist offensichtlich. Es gibt jedoch auch Kritik an der Sicherheit solcher Systeme, beispielsweise bei Hackerangriffen. Johannes Caspar, Hamburgs Datenschutzbeauftragter, befürchtet, dass der Mensch in der Kombination der Daten, die bereits von jedem zur Verfügung stünden und die die Gewohnheiten der Internet- und Kommunikationsaktivitäten widerspiegelten, nun auch in seinem häuslichen Umfeld „zur kalkulierbaren Größe“ werde. „Der Bereich privater Lebensgestaltung, in dem wir uns beobachtungsfrei bewegen können, schrumpft damit weiter.“

Die Probleme könnten tatsächlich schon vor der Haustür beginnen. Diese prüft zwar das Telefon, das sich nähert, nicht jedoch die Person, die damit unterwegs ist. Und was passiert, wenn der Handy-Akku leer ist und der Mieter vor verschlossener Tür steht? Für Hinrichs scheinen solche Bedenken ebenso wie Schlüssel ein Relikt der Vorzeit zu sein. „Akkus sind jetzt schon deutlich stärker als vor einigen Jahren, das wird sich immer mehr verbessern. Und ich baue schließlich für die Zukunft.“ Im Hausflur gebe es außerdem Ladestationen. Und wenn der Akku doch schon vor der „intelligentesten Tür der Welt“ schlapp macht? „Dann klingelt man halt notfalls mal bei den Nachbarn.“ Eine Vorstellung, die wohl mindestens für Hinrichs verlockender klingt als ohne den passenden Schlüssel vor einer verschlossenen Tür zu stehen.