Umwelt

Wo das Gift in Hamburgs Boden schlummert

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Friederike Ulrich

Oft sind die Giftstoffe unter Flächen, die schon bebaut oder asphaltiert sind. An welchen Orten die Hansestadt mit den Altlasten zu kämpfen hat und wo bereits etwas dagegen getan wird. Ein Überblick.

Hamburg. Auf der Mülldeponie Georgswerder war es Dioxin, in der Bille-Siedlung Arsen und Cadmium, am Äußeren Veringkanal Mineralöle und am Bergedorfer Brennerhof Schwermetalle: Immer wieder müssen in Hamburg Flächen mit giftigen Altlasten im Boden saniert werden. Zurzeit werden unter anderem das Gelände der ehemaligen Wäscherei Wulff an der Jarrestraße in Winterhude von Leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffen (LCKW) und eine einstige Deponie an der Süderfeldstraße in Lokstedt von Methan und Kohlendioxid befreit.

Die Zeiten, in denen die Industrie noch keine Umweltschutzauflagen erfüllen musste, haben ihre Spuren im Boden hinterlassen. Im Altlastenkataster der Stadt galten zu Beginn des Jahres 1675 Flächen als „altlastenverdächtig“ und 561 als nachweislich belastet. 148 mit Altlasten befallene Grundstücke werden gerade saniert, 151 überwacht. Im Bundesvergleich schneidet Hamburg gut ab. Bremen hat fast doppelt so viele, Berlin dreimal so viele altlastenverdächtige Flächen. Dennoch wird in Hamburg mehr saniert: fünfmal so viele Flächen wie in Bremen und doppelt so viele wie in Berlin. „Die Hamburger Altlastensanierung ist im Bundesvergleich ganz vorne mit dabei“, sagt Jutta Blankau, Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt (SPD). „Viele Flächen sind saniert, viele andere in der Bearbeitung. Das ist ein Erfolg konsequenter und praktischer Umweltpolitik der vergangenen 25 Jahre.“

Nach dem sogenannten Stoltzenberg-Skandal 1979, als ein Kind bei dem Hantieren mit Chemikalien starb und zwei weitere schwer verletzt wurden, beschloss der Senat ein Programm zur Sanierung von Flächen, auf denen Waffen, Munition oder gefährliche Chemikalien bearbeitet, gehandelt oder gelagert wurden. Das war der Startschuss für ein flächendeckendes, systematisches Untersuchungsprogramm. Es wurde um ein Altlastenkataster ergänzt, nachdem 1984 aus der Mülldeponie Georgswerder Seveso-Dioxin ausgetreten war. Mittlerweile wurden in Hamburg mehr als 3000 altlastverdächtige Flächen untersucht und bei Bedarf saniert.

Oft schlummern die Giftstoffe unter versiegelten Oberflächen, die Flächen sind bebaut oder asphaltiert. Solange die Altlasten nicht ins Grundwasser gelangen, sind sie ungefährlich für die Umwelt; eine Sanierung muss erst in Verbindung mit Baumaßnahmen umgesetzt werden. Das Wohnungsbauprogramm des Senats erfordert zurzeit die Sanierung von etlichen Grundstücken, die sonst nicht bebaubar wären. Bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) geht man davon aus, dass es entweder durch Änderungen der Nutzung oder des Baurechts bei 1608 Flächen zu Handlungsbedarf kommt. Behördensprecher Magnus Kutz: „Das bedeutet, dass Flächen beispielsweise erst dann abschließend hinsichtlich möglicher Kontaminationen untersucht werden können, wenn vorhandene Gebäude abgerissen werden.“

Auch die Belastung des Grundstücks der ehemaligen Wäscherei Wulff an der Jarrestraße war schon vorher bekannt. Von 1937 bis 1988 sickerten chemische Reinigungsmittel in den Boden und hatten im Grundwasser eine 500 Meter lange Schadstofffahne gebildet. Seit 2004 werden im Umfeld Förderbrunnen betrieben, um eine weitere Verteilung der Schadstoffe zu verhindern. Um das Gelände für Wohnungsbau nutzen zu können, waren weitere Sanierungsmaßnahmen nötig.

Rund 16.000 Kubikmeter Boden wurden ausgehoben und durch Sand ersetzt. Das geförderte Wasser wird weiterhin in einer Anlage gereinigt, die eventuell noch jahrelang betrieben werden muss, um das Grundwasser zu säubern. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Kosten für die Stadt von 5,6auf rund sieben Millionen Euro gestiegen sind. Der BSU stehen jedes Jahr für die Sanierung öffentlicher Altlasten sieben Millionen Euro zur Verfügung.

Auf der ehemaligen Deponie in Lokstedt sollen 300 Wohnungen entstehen

Die Sanierung des Deponiegeländes an der Süderfeldstraße ist dagegen eine private Maßnahme. Früher wurde hier Sand abgebaut. Eine Grube wurde 1946 wieder gefüllt und als Betriebshof genutzt, die andere bis 1970 mit Bauschutt, Haus- und Sperrmüll geschlossen – insgesamt fast eine halbe Million Kubikmeter. Ende der 60er-Jahre kaufte die Stadt einen Teil des Geländes und errichtete dort, hinter dem Gymnasium Corveystraße, einen Sportplatz. Die übrige Fläche wurde von zwei Unternehmen als Betriebshof genutzt.

Jetzt soll sie laut Bebauungsplanentwurf Lokstedt 62 mit 300 Wohnungen bebaut werden. Allerdings sind im Laufe der Jahrzehnte durch biochemische Abbauprozesse Methan und Kohlendioxid entstanden. Diese Gase konnten bislang auf natürlichem Weg entweichen und stellten kaum eine Gefahr für die Anwohner dar. Vor einer Wohnnutzung aber muss der Besitzer des Grundstücks eine aufwendige Gassanierung durchführen, die im Auftrag der BSU kontrolliert wird.

Es sei eine Art „Flächenrecycling“, dass für das Wohnungsbauprogramm viele Grundstücke mit Bodenbelastungen bebaut werden sollen, sagt BSU-Sprecher Kutz. „Das Entfernen von verunreinigtem Untergrund wirkt der Verbreitung von Schadstoffen insgesamt entgegen“, sagt er. Durch die innerstädtischen Sanierungen müssten weniger Neubauvorhaben auf der „grünen Wiese“ untergebracht werden; das wiederum diene dem Schutz und Erhalt der Umwelt in Hamburg und dem Umland.