Sexualverbrechen an zwei Mädchen in Hoheluft-Ost schockt die Nachbarn am Falkenried. Wie Eltern ihre Kinder schützen können. Die Polizei fahndet unter anderem mit Handzetteln nach dem Täter.

Hamburg. Die Bewohner an den Falkenried Terrassen sind am Dienstagnachmittag noch immer geschockt. Dass ausgerechnet hier ein falscher Polizist zwei Mädchen sexuell missbraucht haben soll – viele wollen oder können das nicht glauben.

In dem Wohnviertel kennt man sich. Nachbarn helfen einander, sind stets wachsam. Auf dem Spielplatz zwischen den Häuserreihen spielen die Kinder aus der Nachbarschaft miteinander. Niemand hätte sich vorstellen können, dass hier so etwas passiert. „Ausgerechnet hier. In dieser Idylle, dieser elitären, vermeintlich sicheren Wohngegend“, sagt Anke Strade.

Die 46-Jährige wohnt seit 1994 in einer Wohnung der Wohnungsgenossenschaft Falkenried Terrassen und ist gut mit Judith R., der Mutter eines der missbrauchten Mädchen, befreundet. Sie hat eine Tochter im gleichen Alter. „Man weiß gar nicht, wie man mit dieser Situation umgehen soll“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Sie leidet seither an Schlafstörungen, hat Angst um ihre Tochter. „Ich werde wohl erst wieder ruhiger schlafen, wenn meine Tochter älter und selbstständiger ist.“

Die Polizei fahndet unter anderem mit Handzetteln nach dem Täter

Andere Nachbarn teilen ihre Sorgen. Die 18-jährige Asli Sari: „Ich habe als Kind selbst hier auf dem Spielplatz gespielt.“ Man passe hier aufeinander auf, sagt eine andere Nachbarin im Haus der missbrauchten Siebenjährigen. „Fremde fallen auf.“ Eine weitere Anwohnerin fragt: „Warum hat bloß niemand den Missbrauch bemerkt?“

Die Mutter der Siebenjährigen hofft, dass der Täter möglichst schnell gefasst wird. „Der gehört hinter Gitter“, sagt Judith R. Sie sitzt auf der Couch in der Wohnung am Falkenried. „Als ich am Sonntag erfuhr, was meiner Tochter angetan wurde, war ich wie in Schockstarre. Jetzt kommt das alles so langsam durch.“ Immer wieder guckt sie in Richtung des Fensters, durch das man direkt auf den Hauseingang blickt. Dort, nur etwa 50 Meter entfernt, haben ihre Tochter und deren Freundin am Sonntagabend ein Stück ihrer Kindheit verloren. Für die Mutter ist das nur schwer zu verkraften.

Am Sonntag hatten sie Besuch von einer Freundin der Tochter und deren Mutter. „Wir haben Plätzchen gebacken.“ Dann seien die Mädchen nur mal kurz nach draußen zum Spielen. „Das waren höchstens 15 oder 20 Minuten“, sagt die Mutter. „Als sie zurückkamen, klagte meine Tochter über Bauchschmerzen. Ich dachte, sie hatte zu viel Teig genascht.“ Ihre Bekannte habe sie dann erst später von zu Hause aus angerufen. Ihr sei aufgefallen, dass die beiden Mädchen sich bei der Verabschiedung seltsam benommen hätten, anders als sonst. Als Judith R. ihre Tochter fragte, ob etwas vorgefallen sei, als sie draußen spielten, sei diese in Tränen ausgebrochen. „Ich konnte gar nicht glauben, was sie mir erzählte. Der Mann hatte sie so unter Druck gesetzt, dass die beiden Mädchen sich nicht trauten, uns etwas zu sagen.“ Ihre Tochter habe schreckliche Angst gehabt. „Er hat behauptet, er sei Polizist, hat gedroht, ihnen etwas anzutun und ihre Eltern ins Gefängnis zu sperren, wenn sie etwas sagen.“ Sie habe dann sofort die Polizei gerufen.

Judith R. will, dass der Fall an die Öffentlichkeit kommt, um andere zu schützen und den Täter zu fassen, wie sie sagt. „Wir haben uns an einen Opferverband gewandt. Es hilft ihr, darüber zu reden und dass das alles ernst genommen wird.“ Das Gefühl, dass ihnen geglaubt wird und man ihnen helfe, tue den Mädchen gut. Die Siebenjährige geht schon wieder zur Schule. „Wir wollen die Normalität so gut es geht aufrechterhalten“, sagt die Mutter. „Um es nicht noch schlimmer zu machen.“

Unterdessen fahndet die Polizei unter anderem mit Handzetteln nach dem Täter. Sein Vorgehen sei sehr durchdacht gewesen, sagt Dr. Kerstin Stellermann-Strehlow, leitende Oberärztin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Lübecker Vorwerker-Diakonie. Besonders perfide sei die Art und Weise, wie der Mann die Mädchen manipuliert habe.

Gerade bei Kindern hätten Polizisten einen Vertrauensvorschuss und stünden für Sicherheit und Ordnung. Mit Verweis auf die Klingelstreiche, bei denen er die Mädchen beobachtet hatte, habe er Schuldgefühle ausgelöst, die durch die Drohung, ihre Eltern ins Gefängnis zu bringen, noch verstärkt worden seien. „Das ist ein sehr geschickter Umgang mit der kindlichen Psyche“, sagt Stellermann-Strehlow. Wichtig sei jetzt, dass den Mädchen verdeutlicht werde, dass sie nichts falsch gemacht haben. Hundertprozentige Sicherheit vor Sexverbrechern gebe es nicht. Größere Kindergruppen wirken auf Pädophile zwar abschreckend, ein selbstbewusster Auftritt könne sie zudem von ihren Taten abhalten. Doch sei es hilfreich, wenn Eltern ihren Kindern klar vermitteln, dass niemand das Recht habe, sie an intimen Stellen zu berühren. Und dass sie laut um Hilfe rufen – noch bevor diese Grenze überschritten wird.