In Ohlsdorf sind unter anderem die Gräber von Loki Schmidt und Wolfgang Borchert. Führungen über den Parkfriedhof sind stark nachgefragt.

Ohlsdorf. Die "Mutter der Nation" liegt etwas abseits, versteckt im Dickicht des Rhododendrons. Immer wieder verlaufen sich Besucher auf dem Weg zu ihrem Grab. Es ist eines der prominentesten auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf - und doch so leicht zu übersehen: eine schlichte graue Steinplatte auf einer kleinen Lichtung im Gebüsch, Hortensien daneben und darüber grauer Himmel. Auf dem Stein stehen zwei Namen: Inge Meysel und John F. Olden. Ein Engelchen hockt, wie ein gelangweiltes Kind, auf den bronzenen Buchstaben des Namens der Volksschauspielerin. Sonst nichts. Kein Sterbedatum, kein Geburtsdatum.

"Schade", findet Barbara Holster, Gästeführerin beim Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof. Die Jahreszahlen hätten ein Stück Hamburger Geschichtsschreibung sein können. Viele Gräber auf dem weltgrößten Parkfriedhof halten die Erinnerung an bedeutende Personen und Familien der Hansestadt wach: Loki Schmidt, Gattin des Altkanzlers Helmut Schmidt (SPD), und Humorist Heinz Erhardt liegen hier begraben, der Tierparkgründer Carl Hagenbeck, Theatermacher Richard Ohnsorg, der Reeder Albert Ballin, der Verleger John Jahr, der Architekt Fritz Schumacher, der Nachkriegsliterat Wolfgang Borchert sowie die Mimen Gustaf Gründgens und Ida Ehre gleich nebeneinander - "obwohl die zu Lebzeiten gar nicht gut miteinander konnten", sagt Holster.

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"Ein Hanseat, der etwas auf sich hielt, ließ sich in Ohlsdorf beisetzen", erzählt Holster. Ein Grabstein auf dem Traditionsfriedhof sei für die Prominenz früher so etwas gewesen wie heute eine teure Yacht.

"Irgendwann muss man anfangen, sich mit so etwas zu beschäftigen", sagt Petra Suhr, die sich mit ihrer Nachbarin Ursula Weinrich zum ersten Mal über den Friedhof führen lässt. Etwa 60 Gäste sind zu der Führung gekommen, viele zum wiederholten Mal. Ingeborg Remmer aus Bargteheide kommt regelmäßig zu den Rundgängen des Förderkreises - seit dem Tod ihres Mannes vor sieben Jahren. "Er war Kirchenvorsteher und hatte selbst einen Friedhof zu verwalten", sagt sie. Inzwischen kennt sie Ohlsdorf sehr gut - und doch entdecke sie immer etwas Neues, sagt sie.

Entdeckungstouren sind auf dem Friedhof im Norden der Stadt erwünscht. Auch auf eigene Faust dürfen Besucher durch die Sträucher und Wäldchen streifen, auf dem Rasen zwischen den Grabsteinen hindurchspazieren und auf die bewachsenen Hügel klettern, die sich über das Gelände ziehen. Der Friedhof Ohlsdorf misst etwa 400 Hektar - das entspreche fast zweimal dem Staatsgebiet von Monaco, sagt Holster. Auf den asphaltierten Wegen fahren zwei Buslinien, Autos und Mopeds. "Sonst würden viele gar nicht zu den Gräbern ihrer Angehörigen kommen", sagt die Gästeführerin. Ohlsdorf sei ein Ort für die Toten, aber auch einer für die Lebenden.

Der Parkfriedhof ist vornehm, aber nicht exklusiv: Jeder Mensch darf sich in Ohlsdorf bestatten lassen, egal welcher Herkunft oder welchen Glaubens. So finden sich neben Engelsfiguren auch Buddha-Statuen zwischen den Bäumen und Sträuchern. Auch Bestattungen nach islamischem Ritus, bei dem die Toten ohne Sarg in einem Tuch begraben werden, sind möglich.

Unter den Grabstätten der Hamburger Prominenz sticht eine besonders hervor. Ein weiblicher Engel mit wehendem Haar steht auf einem weißen Marmorsockel mit der rosafarbenen Inschrift "Cora". Neben dem Denkmal häufen sich Devotionalien: Engel aus Keramik, Plüschtiere, Bilderrahmen. Viele Besucher des Rundgangs rümpfen die Nase. Hier ruht Erotikstar Carolin Wosnitza, alias "Sexy-Cora", die im Januar 2011 nach einer Brustoperation starb. "Eine andere Prominente", sagt Barbara Holster. Auch sie habe ihren Platz in Ohlsdorf.