Ist der Schallwert sechmal pro Nacht erhöht, haben Anwohner Anspruch auf finanzielle Hilfe. Detaillierte Karten am Ende des Artikels.

Hamburg. Nein, zufrieden ist Margarete Hartl-Sorkin nicht. Die Vorsitzende des BIG Fluglärm-Hamburg e. V. - ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen gegen Fluglärm - hält das Handeln des Senats für kurzsichtig. Auf lange Sicht komme Hamburg nicht daran vorbei, seinen Flughafen Fuhlsbüttel vor die Tore der Stadt zu verlagern, meint sie. Da helfe auch ein neues Lärmschutzprogramm nichts. Mehr will die Vereinschefin zunächst nicht zu dem Papier sagen, das Flughafen und zuständige Behörden gestern der Öffentlichkeit vorlegten.

Dabei haben es die Lärmschutzregelungen in sich. Es werden eine Nacht-Schutzzone und zwei Tag-Schutzzonen eingeführt. Damit steht mehr Hausbesitzern als bisher ein Zuschuss zu, wenn sie wegen des Fluglärms Fassaden verstärken, schalldichte Fenster einbauen oder Dämmstoffe am Dach installieren. Airportsprecherin Stefanie Harder rechnet mit Kosten von bis zu zwölf Millionen Euro, die auf ihr Unternehmen zukommen. Das ist noch einmal etwa ein Viertel der Summe, die der Flughafen in den vergangenen 30 Jahren für Lärmschutz ausgegeben hat.

Die Tag-Schutzzone 1 gilt in Vierteln, in denen die über das Jahr errechnete durchschnittliche Lärmbelastung 65 Dezibel überschreitet. Bislang lag der Wert bei 75 Dezibel. Bei der Tag-Schutzzone 2 liegt der Wert bei 60 Dezibel. Neu ist eine Nacht-Schutzzone. Dort darf der Schallwert im Durchschnitt nicht über 55 Dezibel liegen. Allerdings hat ein Hausbesitzer auch Anspruch auf finanzielle Hilfe, wenn in seinem Schlafzimmer mindestens sechsmal pro Nacht Fluglärm von über 57 Dezibel prognostiziert wird - selbst wenn der jährliche Durchschnittswert deutlich niedriger liegen sollte.

+++ Millionenprogramm gegen den Fluglärm in Hamburg +++

Vor allem durch die Nacht-Schutzzone erweitere sich der Kreis jener, die Anspruch auf finanzielle Unterstützung hätten, sagte Flughafensprecherin Harder. Allerdings profitierten auch jene Anwohner, die bereits früher mit Unterstützung des Flughafens Schallschutzfenster oder Schalldämmlüfter eingebaut hätten. Hier rechne man mit Dämmarbeiten am Dach und an den Fassaden. Wie viele Hausbesitzer das neue Angebot nutzen würden, sei derzeit unklar. "Im Grunde muss für jedes einzelne Gebäude eine spezielle Lösung gefunden werden", sagte Harder.

Ein Hausbesitzer habe Anspruch auf 150 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, erklärte der Flughafen. Darüber hinausgehende Kosten müssten privat übernommen werden. Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung sei ein Gutachten, das die Notwendigkeit des Schallschutzes bestätige. Der Flughafen bietet Hausbesitzern die Übernahme der Gutachterkosten an, sofern ein vom Flughafen beauftragter, aber unabhängiger Experte dieses erstellt. Außerdem schließt der Airport Rahmenverträge mit Handwerksunternehmen ab und gibt die günstigen Konditionen an die Hausbesitzer weiter.

Die Neuordnung der Schutzbereiche wurde durch eine Änderung des Fluglärmgesetzes nötig. Welche Straßen in Hamburg und in den schleswig-holsteinischen Gemeinden in die Zonen fallen, erfahren Anwohner im Internet unter www.abendblatt.de/laermschutz , bei Bezirksämtern und Gemeindeverwaltungen. Dort wird geprüft, ob sie Anspruch auf die Erstattung von Kosten für Lärmschutzmaßnahmen haben. Dort müssen sie dann auch den entsprechenden Antrag stellen.

Wie die Hamburger Fluglärmgegner reagierten auch im Umland der Hansestadt die betroffenen Bürger enttäuscht. "Das hat für Quickborn so gut wie keine Bedeutung", sagte Eberhard von Lany, Sprecher der Interessengemeinschaft Flugschneise Nord, gestern. Von den Tagesschutz-Zonen würde niemand in Quickborn und Hasloh begünstigt. Für den nächtlichen Schutz seien es weniger als 100 Haushalte im Süden Quickborns, sagte von Lany. "Das ist doch sehr wenig. Ein fauler Kompromiss, der uns nicht viel bringt."

Jürgen Radowitz, der Quickborn viele Jahre in der Fluglärmschutz-Kommission vertreten hat, ärgert sich darüber, "dass so getan wird, als ob es sich hier um eine freiwillige Leistung des Flughafens handele". Das sei aber eine gesetzliche Pflicht. Bei einem Gewinn von rund 50 Millionen Euro, den der Flughafen 2011 erwirtschaftet habe, seien Ausgaben für Lärmschutz problemlos zu finanzieren, so von Lany.

Auch der Hasloher Bürgermeister Bernhard Brummund reagierte verhalten. "Davon sind relativ wenige Hasloher Bürger betroffen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber besser wäre es für uns, wenn nachts und in den Tagesrandzonen nach 22 Uhr überhaupt keine Flugzeuge mehr Hamburg anfliegen würden." Auf die Klage, die die IG Flugschneise-Nord im März angekündigt hatte, habe das neue Lärmschutzprogramm keinen Einfluss, sagte Eberhard von Lany. "Bei der Klage geht es darum, ob die geltende Bahnbenutzungsregelung rechtsgültig ist, die den Flugverkehr ungleichmäßig auf die vier Startbahnen verteilt."