Polizeiköche sollen privaten Partyservice aufgezogen haben. Anzeige bei der Staatsanwaltschaft: Politiker und hohe Beamte profitierten.

Hambug. Es geht um echte Würstchen und falsche Abrechnungen, Schwarzgeld, Grillfeste und Steuergelder, die für privates Amüsement zweckentfremdet worden sein sollen. Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ist eine Strafanzeige mit brisantem Inhalt eingegangen. Nach Informationen des Abendblattes und von NDR 90,3 werden zwei Hamburger Polizisten, die für die sogenannte Einsatzküche der Bereitschaftspolizei zuständig sind, beschuldigt, die üppig ausgestatteten Räumlichkeiten über Jahre hinweg genutzt zu haben, um hier eine Art privaten Partyservice zu etablieren. Laut den Verfassern der Anzeige wurden dort auch Feste für hohe Persönlichkeiten aus Polizei und Politik vorbereitet.

Die Staatsanwaltschaft wollte sich aus Ermittlungsgründen und unter Verweis auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten nicht zu den Vorwürfen äußern. Behördensprecher Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers bestätigte allerdings, dass am 24. März dieses Jahres eine Strafanzeige gegen Polizeibeamte erstattet wurde. "Der Anzeigeerstatter weist auf mutmaßliche Unregelmäßigkeiten im Bereich der Einsatzküche der Polizei Hamburg hin und erhebt verschiedene strafrechtliche Vorwürfe", sagte Möllers auf Nachfrage.

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Wie das Abendblatt jedoch erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe bereits von der für Beamtendelikte zuständigen "Dienststelle Interne Ermittlungen" (DIE) prüfen lassen und soll den Anfangsverdacht der Untreue als gegeben ansehen. Ein förmliches Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Nach Abendblatt-Informationen soll darin geprüft werden, ob auch Delikte wie Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung, Abrechnungsbetrug und Vorteilsnahme in Betracht kommen.

Die Einsatzküche der Bereitschaftspolizei liegt in einem Keller der sogenannten Bereitschaftspolizeikaserne an der Carl-Cohn-Straße in Alsterdorf, der markante sternförmige Bau des Polizeipräsidiums steht in Sichtweite. Zwei Polizisten sind dort für die Zubereitung von Mahlzeiten für die Kollegen zuständig. So packen sie zum Beispiel Lunchpakete für die Beamten, die bei zeitintensiven Demonstrationen oder anderen Großeinsätzen Dienst schieben. Sie kochen Gulasch oder Suppen, die im Einsatz ausgegeben werden, versorgen aber auch die Gäste beim jährlichen (demnächst bevorstehenden) Polizeiempfang auf dem eigenen Gelände und bei anderen offiziellen Veranstaltungen. Stehen größere Aufgaben bevor, können die beiden Küchenchefs sich aus einer Riege von mehr als 80 kochkundigen Beamten aus den anderen Einsatzhundertschaften bedienen, die sie dann bei der Zubereitung des Essens unterstützen.

Um jene beiden Chef-"Küchenbullen" geht es in der Strafanzeige, die nach Abendblatt-Informationen vor rund sechs Wochen von einem früheren Verwaltungsmitarbeiter der Polizei nebst mehreren, rechtsanwaltlich aufgearbeiteten Aktenordnern mit Dokumenten an die Staatsanwaltschaft übergeben worden sein soll. Demnach bereiteten die Verantwortlichen in der Einsatzküche nicht nur Essen für die im Dienst befindlichen Beamten zu, sondern auch für Privatfeiern. Neben der Infrastruktur sollen sie möglicherweise auch "manpower", also die Arbeitskraft von weiteren Beamten genutzt und möglicherweise Nahrungsmittel, die auf Steuerkosten für Einsätze gekauft wurden, privat weiterverarbeitet haben, ohne dies regelkonform zu dokumentieren

Wie das Abendblatt erfuhr, soll der Anzeigeerstatter die Chefs der Einsatzküche bezichtigen, auch für private Grillfeste zur Verfügung gestanden zu haben. Derartige Gartenpartys soll es bei (zum Teil ehemaligen) hohen Vertretern aus Polizei und Behörden gegeben haben. Ob dabei auch Produkte, die für den Einsatz angeschafft worden waren, auf den Tisch kamen, ist nicht bekannt. Ob die Köche sich die angeblichen Privateinsätze bezahlen ließen, ist ebenfalls noch Gegenstand der Ermittlungen. In der Anzeige wird offenbar auch der Verdacht geäußert, die Köche hätten ihren Großkundenstatus bei den Lieferanten missbraucht, um private Vorteile zu erlangen.

Aus Behördenkreisen erfuhr das Abendblatt zudem, dass Polizeimitarbeiter, die mit der Rechnungsprüfung beauftragt waren, bereits vor mehr als drei Jahren Verdachtmomente in Bezug auf die Einsatzküche an die damalige Polizeiführung weiterleiteten. Passiert ist damals offenbar nichts. Mindestens ein Mitarbeiter soll zudem in dieser Angelegenheit bereits vor Jahren "remonstriert", also seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Weisungen, die ihm erteilt wurden, angezeigt haben.

Vermerke über die möglicherweise missbräuchliche Verwendung von Lebensmitteln, die zu Einsatzzwecken gekauft wurden, gab es nach Informationen des Abendblattes bereits im Oktober 2007. Dass der Anzeigeerstatter erst jetzt zur Staatsanwaltschaft gegangen ist, erklären sich Polizei-Insider mit einem "neuen Klima der Offenheit in der Behörde, der mit dem Wechsel an der Polizeispitze" einhergegangen sei. Vorher habe der Anzeigende möglicherweise "Angst vor Repressalien" gehabt.

Hintergrund: Erst im Januar hatte der ehemalige Nord-Bezirkschef Wolfgang Kopitzsch (SPD) das Ruder in der Polizeibehörde übernommen. Vorgänger Werner Jantosch musste seinen Platz auf Wunsch von SPD-Innensenator Michael Neumann räumen.

Wie hoch die Summe ist, um die es in der Strafanzeige gegen die Polizeiköche geht, ist unklar. Es soll sich um einen Betrag im sechsstelligen Euro-Bereich handeln, der über Jahre hinweg angesammelt wurde.

Die Innenbehörde wollte sich gestern mit Verweis auf die Ermittlungen nicht zu dem Fall äußern. Behördensprecher Frank Reschreiter bestätigte allerdings, dass die Dienststelle Interne Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden sei. Dies sei aber ein normaler Vorgang, wenn es Vorwürfe gegen Polizisten gebe.