Hamburg. Im Stadtteil fehlen Praxen, Eltern sind frustriert. Kassenärztliche Vereinigung lockt jetzt Pädiater mit lukrativem Zuschuss.

Nina Baller drückt ihren kleinen Sohn zärtlich an ihre Brust, verlagert sich von einer Seite auf die andere und wiegt ihn sanft hin und her. Gerade mal vier Wochen alt ist Baby Luca und bekommt von den Sorgen seiner Eltern deshalb noch nicht viel mit. Sorgen macht sich Nina Baller aktuell einige – und das liegt an dem massiven Kinderarztmangel im Stadtteil Hamburg-Billstedt.

„Es ist einfach so frustrierend. Man versucht alles, dass es den Kindern gut geht. Und dann fehlt es ausgerechnet am wichtigsten: der gesundheitlichen Versorgung“, sagt Baller. Selbst für die gesetzlich vorgeschriebenen U-Untersuchungen werde man in Billstedt unter dem Verweis von Aufnahmestopps einfach weiter von Tür zu Tür geschickt.

Kinderarzt Hamburg: KV schafft Anreize für Standort Billstedt

Das soll sich künftig ändern – zumindest, wenn es nach den Vorstellungen des Bezirksamts Hamburg-Mitte und der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) geht. Welche Anreize es künftig für Kinderärzte und Kinderärztinnen geben soll, sich in Billstedt niederzulassen, darüber informierte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD) am Donnerstag in der Elternschule Mümmelmannsberg. „Die Kinderarztversorgung steht hier im Hamburger Osten vor großen Herausforderungen“, drückt es Neubauer noch vorsichtig aus, „und das hat auch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg erkannt.“

Diese habe deshalb jetzt 4,25 Neuzulassungen in der Arztgruppe der Kinder- und Jugendärzte ausgeschrieben – Ausschreibungen, die der Bezirksamtsleiter „nicht in einem Ärzteblatt verschwinden“ sehen, sondern dafür ganz offiziell Werbung machen will. Denn: Bewerbungen sind nur noch bis 29. Februar 2024 möglich.

Kinderärzte: 35.000 Euro Zuschuss bei Niederlassung im Hamburger Osten

„Bewerbungen für Sitze in Billstedt, Bramfeld und Rahlstedt sind dabei besonders gewünscht und versprechen hohe Erfolgschancen“, betont der Bezirksamtsleiter eindringlich. Ein weiterer Anreiz für die Mediziner und Medizinerinnen: In diesen Stadtteilen fördert die KVH Niederlassungen mit einem Zuschuss von 35.000 Euro – eine Maßnahme, „die es in Hamburg in der Vergangenheit so noch nicht gegeben hat“, wie KVH-Sprecher Jochen Kriens mitteilt. Bisher sei das noch nie nötig gewesen. „Weil die Stadt immer gut versorgt war“, sagt er. „Mittlerweile werden die Praxen aber nicht mehr nachbesetzt, sodass nun dieser Anreiz geschaffen wurde.“

Auch über den finanziellen Zuschuss hinaus soll es Unterstützung geben: „Alle Ärzte und Ärztinnen, die sich für einen Sitz hier interessieren, wollen wir ausdrücklich bei der Suche nach geeigneten Praxisräumen unterstützen. Dafür befinden wir uns aktuell schon mit der Saga in Gesprächen“, versichert Neubauer und erinnert daran, dass der Stadtteil Billstedt „schließlich das größte Einfamilienhausgebiet der ganzen Stadt“ sei. Wer den Ort nur mit Hochhäusern verbinde, liege falsch. Doch so oder so: Kinderarztpraxen fehlen hier dringend.

Kinderarzt Hamburg: Eltern müssen Praxen außerhalb der Stadt suchen

Zuletzt hatte die Ankündigung von Dr. Bastian Steinberg, seine Kinderarztpraxis im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) schließen zu wollen, für großen Wirbel gesorgt. „Durch die drohende Schließung der Kinderarztpraxis ist die medizinische Versorgung von fast 9000 Kindern gefährdet“, sagte Gudrun Schittek, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion noch vor wenigen Wochen dem Abendblatt.

Und auch Birgit Sokolowski, Leiterin der Elternschule Mümmelmannsberg, warnte am Donnerstag vor den Auswirkungen des Kinderarztmangels im Hamburger Osten. Es gebe schon jetzt Eltern, die für einen Besuch in der Kinderarztpraxis extra Wege nach Bremen oder Scheeßel auf sich nähmen, berichtet Sokolowski von ihren Erfahrungen.

Von Kinderärzten abgewimmelt: „Da bekommt man ein schlechtes Gefühl“

Bestätigen kann das auch Pamela Kurpich. Während ihr zehn Monate alter Sohn fröhlich ein paar unverständliche Laute von sich gibt, ist die 33-jährige Mutter frustriert.

„Ich fahre für jeden Besuch beim Kinderarzt extra nach Wentorf, weil es hier in Billstedt unmöglich ist, einen Termin zu bekommen“, sagt die Hamburgerin, „und das geht auch nur, weil ich ein Auto habe“.

Mehr zum Thema

Kinderarzt Hamburg: Eltern aus Billstedt hoffen auf neue Praxen

Es sei „sehr stressig“, immer nur abgewimmelt zu werden und keinen Ansprechpartner vor Ort zu haben. „Da bekommt man als Mutter ein wahnsinnig schlechtes Gefühl und zweifelt direkt daran, seinem Kind gerecht zu werden“, so Kurpich. Schwierig sei auch, keinen festen Ansprechpartner zu haben, der das Kind wirklich kennt.

Sowohl sie als auch Nina Baller hoffen nun, dass die Anreize der KVH für Kinderärzte Wirkung zeigen. Pamela Kurpich: „Ich wünsche mir so sehr für die Zukunft, dass hier eine Kinderarztpraxis eröffnet, die einen als Menschen wahrnimmt, der Hilfe braucht.“