Hamburg. Mit der MS „Otto Sverdrup“ geht es vom Hamburger Baakenhafen zum nördlichsten Punkt Europas. Was die Kreuzfahrt besonders macht.

Entspannter geht es nicht: Die Kreuzfahrt zum nördlichsten Punkt Europas beginnt im Hamburger Baakenhafen, nicht weit von der Elbphilharmonie entfernt. Dort startet regelmäßig das Hurtigruten-Schiff MS „Otto Sverdrup“ zu seiner Fahrt zum Nordkap. Nur noch einsteigen – und los geht‘s.

Wenige Tage später entert an einem trüben, windigen Tag der nordische Meeresgott Njörd das Schiff. Die Passagiere erleben das Spektakel auf Deck 7 – ihre Polartaufe. Freiwillig unterziehen sie sich der eisigen Prozedur mit anschließendem Kleidungswechsel: Mitglieder des Expeditionsteams gießen kaltes Wasser mit dicken Eiswürfeln auf Kopf, Nacken und Rücken der teils kreischenden Gäste.

Kreuzfahrt von Hamburg zum Nordkap – zur Polartaufe gibt es ein Zertifikat

Njörd, dargestellt von einem Mitglied des Expeditionsteams, grinst zufrieden. Danach gibt’s zum Aufwärmen einen Aquavit und das Zertifikat „Überquerung des Polarkreises“ (66°30‘ N).

Faszinierender Moment auf der Kreuzfahrt: das Auftauchen der Nordlichter über Norwegen bis weiter nach Island.
Faszinierender Moment auf der Kreuzfahrt: das Auftauchen der Nordlichter über Norwegen bis weiter nach Island. © ESA | Ollie Taylor

Kreuzfahrt ab Hamburg ist Urlaub ohne lange Flugreise und Jetlag

In legerer Atmosphäre können die Kreuzfahrtgäste auf diesem zweckmäßig umgebauten Expeditionsschiff, das seit Januar Teil von Hurtigruten Norwegen ist, die atemberaubende norwegische Küste kennenlernen – die Städte Bergen, Alesund, Trondheim und Tromsö ebenso wie abgelegene Fischerdörfer auf den Lofoten und Senja.

Während Expeditionskreuzfahrten zum Amazonas und in die Antarktis mit langen Flugreisen und Jetlag verbunden sind, hat eine Fahrt mit der MS „Otto Sverdrup“ ab Hamburg den Charme, ausgeruht in eine andere Welt einzutauchen: wo Rentiere leben, Seeadler über Felsen fliegen, Fichtenwälder sich an Berge schmieden, die letzten Gletscher Wasserkraftwerke speisen und Wasserfälle sich aus 1000 Metern in den Fjord ergießen.

Hurtigruten: Der Kapitän darf das anspruchsvolle Revier auch nachts befahren

Die Suiten auf der Kreuzfahrt von Hamburg zum Nordkap verfügen über einen großen Balkon und einer gemütlichen Sitzecke mit Sofa und Tisch.
Die Suiten auf der Kreuzfahrt von Hamburg zum Nordkap verfügen über einen großen Balkon und einer gemütlichen Sitzecke mit Sofa und Tisch. © Espen Mills | Espen Mills

Die Uhren gehen in Norwegen langsamer, und es ist daher kein Zufall, dass es auf dem Schiff kaum Uhren zu sehen gibt.

Einer hat allerdings alles im Blick: Kapitän Kenneth Stendal mit seinen Offizieren auf der Brücke. Seine rechte Hand ruht in der Nähe eines Joysticks von der Größe eines kleinen Fingers. Damit steuert er das Schiff. Der 39 Jahre alte Norweger und Grönlandfahrer begann seine Laufbahn als Matrose und Navigator, wurde Steuermann und ist jetzt Kapitän. Besondere Zusatzqualifikationen erlauben es ihm, dieses nautisch anspruchsvolle Revier mit Untiefen und Felsen zu befahren. Auch nachts.

Kreuzfahrt: Gäste liegen in den Kabinen und gucken staunend aus den Fenstern

Die Gäste liegen derweil in ihren Kabinen und Suiten und schauen staunend aus den Fenstern oder von den Balkonen: Wie eine Landschaft aus fernen Lichtern an ihnen vorbeigleitet, während kurz der Mond aus den rasenden Wolken hervorlugt und die erhofften Nordlichter noch auf ihren ersten Auftritt warten lassen. Bis sie schließlich ab Dezember zu sehen sind.

„Es ist ein starkes Schiff“, sagt Kenneth Stendal. Selbstverständlich lässt sich das schwimmende Arbeitstier bei Windstärke 5 bis 6 nicht aus der Ruhe bringen. Allerdings gelten Windgeschwindigkeiten von mehr als 12 Metern in der Sekunde als Kipppunkt: Dann sucht der Kapitän, wenn es möglich ist, lieber tief im Fjord ein ruhiges Plätzchen oder steuert einen stark umwehten Hafen erst gar nicht an.

Was die ursprüngliche Planung dann durcheinanderwirbelt. „Bei Expeditionskreuzfahrten gibt es immer einen Plan A. Oder B. Oder C. Das norwegische Alphabet hat viele Buchstaben“, sagt die aus Brasilien stammende Expeditionsleiterin.

Kreuzfahrt ab Hamburg: Schon Kaiser Wilhelm II. war begeistert

Bevor die „Otto Sverdrup“ den nördlichen Polarkreis überquerte, hatte sie im dänischen Esbjerg und einen Tag später in Alesund festgemacht. Dort gilt der deutsche Kaiser Wilhelm II. als Held, denn der begeisterte Seefahrer und Eigner der Hochseeyacht „Hohenzollern“ leistete großzügig Hilfe beim Wiederaufbau der vom Feuer zerstörten Stadt. Alle 800 Gebäude wurden im Jahr 1904 ein Raub der Flammen. Danach entstanden schöne Jugendstilhäuser, die noch heute das Bild prägen.

Dass Norwegens fast 30.000 Kilometer lange, zerklüftete Küste ein Ziel großer und kleiner Kreuzfahrtschiffe ist, geht auch auf die Begeisterung Kaiser Wilhelms II. zurück, der die Sehnsucht nach den geheimnisvollen Fjorden im hohen Norden weckte und unters Volk brachte.

Norwegen: Die Zimtschnecke ist beim Ausflug an Land ein „Muss“

Je nach Route steuern die Kreuzfahrtschiffe auch den Lysefjord in der Nähe von Stavanger an.
Je nach Route steuern die Kreuzfahrtschiffe auch den Lysefjord in der Nähe von Stavanger an. © dpa | Rainer Jensen

Während der Juni als die beste, hellste (Mittsommer) und niederschlagsärmste Reisezeit gilt, regnet es ab September oft. Zur Grundausstattung erhält jeder Gast eine rote Expeditionsjacke mit gelber Kapuze, die unter den Norwegern an Land längst zum Markenzeichen dieser Touristenspezies geworden ist.

Und so warten vor dem nächsten Ziel, dem Nidaros-Dom im Trondheim, die Rotjacken auf Einlass, um sich die gotische Kathedrale aus dem 11. Jahrhundert anzuschauen und einem Orgelkonzert zu lauschen, das eigens für sie geboten wird. Danach gibt es nur noch eine Steigerungsform der Genüsse: die landestypische Zimtschnecke beim nächsten Bäcker hinter der historischen Brücke.

Kreuzfahrt zum Nordkap – zum Nordpol sind es nur noch 2000 Kilometer

Die Sami besitzen zahlreiche Rentier-Herden. Sie weiden auch auf dem Nordkap und sind jetzt im Winterquartier.
Die Sami besitzen zahlreiche Rentier-Herden. Sie weiden auch auf dem Nordkap und sind jetzt im Winterquartier. © ESH | Edgar S. Hasse

Kreuzfahrt von Hamburg zum Nordkap: Im Winter liegt Schnee, drei Meter hoch

Eine Woche nach der Abfahrt in Hamburg erreichen die Touristen schließlich ihr Sehnsuchtsziel: das 307 Meter hohe Nordkap am Ende einer ausgedehnten Tundra, in der die letzten Rentiere der Sami vor Rückkehr in ihr Winterquartier seelenruhig äsen. Eine schmale Straße, auf der im Winter der Schnee drei Meter hoch liegt, führt zu diesem massiven Plattformfelsen, dem nördlichsten Punkt Europas.

Von hier aus sind es bis zum Nordpol, so steht es auf einem Schild neben zwei Trollen im Gebäude, nur noch 2093 Kilometer, zum nächsten WC nur wenige Schritte. Dutzende Touristen belagern draußen die Globus-Figur, um sich selbst zu fotografieren. Wir sind hier!

Landausflüge führen im Herbst bis zu den Gletschern Norwegens – hier der Svartisen-Gletscher.
Landausflüge führen im Herbst bis zu den Gletschern Norwegens – hier der Svartisen-Gletscher. © ESH | Edgar S. Hasse

Hurtigruten: Landausflug führt zum Bauernhof – der Trip kostet 200 Euro extra

Und dann folgt schon der nächste Tag voller Erlebnisse. Meist legt das Schiff am späteren Vormittag an. Sollte es auf Reede liegen, werden die Passagiere samt Rettungswesten in Schlauchbooten an Land gebracht. Manche Ausflüge sind im Preis inkludiert, andere nicht.

Eine Boots- und Busfahrt zu einem Bauernhof aus dem 16. Jahrhundert nach Bjørke in der Nähe des Hjørundfjords kostet rund 200 Euro, inklusive eines landestypischen Imbisses. Auf dem Weg in diese einsame Idylle, in der Pflaumen und Apfelbäume wachsen, fährt der Bus am klassizistischen Hotel Union Oye vorbei, in der einst eine bekannte Persönlichkeit übernachtete. Wer? Kaiser Wilhelm II.

Expedition zum Nordkap: Der humorvolle Norweger Peter gewinnt die Damenherzen

Bei den abendlichen Meetings werden die Gäste über den Ablauf des folgenden Tages informiert. Dafür ist das 15-köpfige, international besetzte Expeditionsteam zuständig, das auch Vorträge über Land und Leute hält. Die Bordsprache ist Deutsch (ggf. gibt es Übersetzung).

Peter, 60 Jahre, ist ein humorvoller Norweger und gewinnt schnell die Herzen der allein reisenden Damen. Er hält Vorträge über die Küste, weiht in die Kunst der norwegischen Volkstänze ein, bietet am Nordkap-Hafen Honningsvåg eine Stadtführung an und lässt die Frauen wissen: „Wenn Sie einen Norweger heiraten wollen, dann suchen Sie sich einen Fischer. Das sind reiche Leute.“ Besonders lukrativ sei der Fang von Königskrabben geworden.

Kreuzfahrt: Die Kabinen sind klein, aber alle Bäder haben Fußbodenheizung

Das Expeditionsteam, zu dem auch Ornithologen und Meeresbiologen gehören, betreut das Science-Center auf Deck 4. Mit seinen Mikroskopen, Sesseln, Ausstellungsstücken und Präparaten lädt es zum Verweilen ein.

Und so sieht es sonst noch aus an Bord: Während die Kabinen vergleichsweise klein sind, überzeugen die Suiten mit Großzügigkeit und einem begehbaren Kleiderschrank. Alle Sanitärzellen haben Fußbodenheizung. Zwei Fitnessräume (Laufband, Crosstrainer, Ergometer, Gewichte) stehen für Leibesübungen bereit, um die Pfunde nach dem Schlemmen in den drei vorzüglichen Restaurants (Aune, Fredheim, Lindstrøm) abzutrainieren.

Alkoholische Getränke zu den Mahlzeiten sind inkludiert, darüber hinaus kostenpflichtig (ein Bier kostet fünf Euro, eine Flasche Chardonnay 29 Euro). Für das leibliche Wohl sorgt die rund 30-köpfige Küchen-Crew.

Hurtigruten: Die Gäste verspeisen auf der Reise 40 bis 50 Kilo Königskrabben

Wie Küchenchef Udo W. Sandering aus dem niedersächsischen Hüde sagt, liegt der Schwerpunkt auf norwegischer Küche. „Das bedeutet viel Wurzelgemüse wie Rote Bete, Sellerie, weiße Rüben, Karotten und natürlich Fisch: Klippfisch (gesalzener und getrockneter Seefisch), Lachs aus norwegischen Farmen, Schellfisch, Makrelen.“

Und Königskrabben. „Der Verbrauch liegt auf einer 15-tägigen Reise bei 40 bis 50 Kilo.“ Bei den Gästen beliebt sind ebenfalls Rentier-, Wild- und Lammgerichte und zunehmend auch vegetarische und vegane Büfetts.

Kreuzfahrt Hamburg: Auf der MS „Otto Sverdrup“ gibt es keine Gäste-Animation

Im Bauch der „Otto Sverdrup“ schlägt das Herz des Schiffes: Dort wummert die mit Biodiesel betriebene Maschine. Hurtigruten ist der erste Seereisen-Anbieter, der seinen Betrieb auf umweltzertifizierten Biokraftstoff umgestellt hat. Mit Stolz zeigt Chef-Ingenieur Knut Lior das Kontrollzentrum und ein Deck tiefer die Batteriepakete für den Hybridantrieb, die wie Spinde in einer Umkleidekabine aussehen, sowie die Anlage für den Landstrom.

All das trage zur höheren Kraftstoffeffizienz und geringeren Emissionen bei. Wie auf allen anderen Schiffen der Flotte sind außerdem Einwegplastikartikel verboten.

Der Kreuzfahrt Guide 2024 kostet 19,50 Euro und ist im Abendblatt-Shop erhältlich.
Der Kreuzfahrt Guide 2024 kostet 19,50 Euro und ist im Abendblatt-Shop erhältlich. © HA | Ha

Nur eines werden die Gäste auf dieser Reise vermissen (oder auch nicht): Gäste-Animation und Entertainment. Musiker und Gastkünstler seien nicht Teil des Konzepts auf dieser Route, heißt es. Im Grunde genommen braucht man das auch nicht: Die Natur ist überwältigend genug.

Noch mehr Kreuzfahrten im Kreuzfahrt Guide 2024, erhältlich im Abendblatt-Shop: shop.abendblatt.de. Diese Reise erfolgte mit Unterstützung von Hurtigruten. Reisen ab Hamburg im Zeitraum von Januar bis März 2024 bis zum Nordkap sind derzeit ab 3590 Euro pro Person zu haben. Bislang gehörte die MS Otto Sverdrup zu Hurtigruten Expeditions und führte ab Hamburg Expeditionsseereisen vor Norwegens Küste durch. Da sich Hurtigruten Norwegen jedoch verstärkt auf die Durchführung der Reisen an der norwegischen Küste konzentriert, wird MS Otto Sverdrup ab dem 19. Januar 2024 Teil der Flotte von Hurtigruten Norwegen und sich auf Reisen entlang der norwegischen Küste ab Hamburg konzentrieren.