Hamburg. Der Veranstalter spricht von 250.000 Teilnehmenden. Die Veranstaltung war politisch aufgeladen wie selten zuvor.
Laute Musik, geschmückte Trucks, schrille Kostüme und überall Regenbogenfarben: Laut Veranstalter Hamburg Pride haben 250.000 Menschen am Sonnabend zur großen Christopher-Street-Day-Demo (CSD) in der Innenstadt teilgenommen – exakt die Zahl, die zuvor erwartet worden war. Die Polizei spricht von 200.000 bis 250.000 Teilnehmern. Zwischenfälle gab es laut dem Lagedienst der Polizei nicht. Nach dem Ende der Demo feierten laut Lagedienst am Abend noch viele Tausend Menschen weiter auf dem Jungfernstieg.
Unter dem Motto „Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*feindlichkeit“ hatte sich mit etwa 45 Minuten Verspätung der knallbunte Protestzug der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen in St. Georg in Bewegung gesetzt. „Es war so voll, dass wir nicht durchgekommen sind“, sagte Manuel Opitz von Hamburg Pride. 116 Gruppen und 50 Trucks zogen von der Langen Reihe vorbei am Hauptbahnhof und durch die Mönckebergstraße bis zur Esplanade – so viele wie noch nie.
CSD-Demo: Veranstalter Hamburg Pride „absolut zufrieden“
„Wir sind absolut zufrieden“, sagte Opitz während der mehrstündigen Demonstration. Hamburg habe ein ganz deutliches Signal gesetzt.
Dicht gedrängt standen die Menschen bei strahlendem Sonnenschein, in der Hand ein Glas Bier oder Sekt, und feierten ausgelassen eine große Party. „Der absolute Wahnsinn!“, rief eine Frau und zückte die Handykamera.
Wegen der umfangreichen Sperrungen bat die Polizei alle, die an der Parade teilnehmen oder aus anderen Gründen in die City wollten, mit Bus und – besser – Bahn oder dem Fahrrad anzureisen oder zu Fuß zu kommen. Alle anderen sollten den Bereich rund um die Innenstadt weiträumig umfahren.
Die äußeren Bedingungen konnten zumal angesichts der vorangegangenen Tage kaum besser sein. Laut Deutschem Wetterdienst sollte es im Tagesverlauf wechselnd bewölkt sein, ab dem Mittag könne es einzelne kurze Schauer geben.
Hamburg: Feuerwehr und Bundespolizei sprechen von ruhigem Einsatz beim CSD
Die blieben allerdings sogar aus. Zum Abend hin sei es nur noch gering bewölkt bei Höchstwerten um 22 Grad. Dazu wehe ein schwacher bis mäßiger südwestlicher Wind, der später auf Südost bis Ost drehe.
Auch während des Umzugs blieb die Lage laut einem Sprecher der Feuerwehr Hamburg ruhig. Zwar mussten Sanitäter und andere Rettungskräfte in 78 Fällen Hilfe leisten, aber in Anbetracht der Teilnehmerzahlen liege diese Zahl noch im erwartbaren Bereich.
Dass die „Lage ruhig“ war und insgesamt eine ausgelassene „Party-Stimmung“ herrschte, teilte auch die Bundespolizei Hamburg in ihrer Bilanz mit. Auch die Rückreise der Teilnehmer sei „ruhig und überwiegend störungsfrei“ verlaufen.
CSD in Hamburg politisch aufgeladen wie selten
Schon seit Freitag vergangener Woche wehte die Regenbogenflagge zur Pride Week am Hamburger Rathaus und anderen Gebäuden der Stadt wie etwa der Handelskammer. Weit mehr als 60 Veranstaltungen in dieser Woche seien laut Hamburg pride ebenfalls ein neuer Rekord.
„Das Interesse ist sehr, sehr groß, auch weil die Pride Week politisch aufgeladen ist wie selten zuvor“, sagte Opitz. Dies zeige schon das Motto: „Wir fordern ein Selbstbestimmungsgesetz für Transmenschen, das auch seinen Namen verdient hat und auch wirklich ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht“, sagte er.
CSD in Hamburg: Trans-Politikerin spricht bei Abschlusskundgebung
Bei der Abschlusskundgebung der Demo sprach die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer. Die Grünen-Politikerin hatte 2018 – damals noch Mitglied des Bayerischen Landtags – als erste Parlamentarierin in Deutschland ihre Transidentität öffentlich gemacht.
Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang war für den CSD nach Hamburg gekommen. Aus der Hamburger Politik nahmen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sowie die Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) an der Demo teil.
Erstmals war die Nordkirche mit einem Truck bei der Parade vertreten. Auch politische Parteien sowie Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Otto und Meta waren unter den angemeldeten Gruppen. Für sie hatte Hamburg Pride einen verpflichtenden Selbstauskunftsbogen eingeführt, in dem sie angeben mussten, welche queerfreundlichen Maßnahmen bislang intern ergriffen wurden und wie die LGBTIQ*-Community abseits des CSD unterstützt und gefördert werde.
CSD in Hamburg: Ausladung der CDU sorgt für Wirbel
Für Aufsehen hatte die Ausladung der CDU gesorgt. Hamburg Pride hatte damit darauf reagiert, dass die Partei die Anti-Gender-Kampagne von Sabine Mertens unterstützte, die wiederum mit homophoben Aussagen für Entsetzen gesorgt hatte. Auch dass sich der Landesparteitag gegen das von der Berliner Ampelkoalition geplante Selbstbestimmungsgesetz aussprach, war in der Szene mit Unmut aufgenommen worden.
Neu war der „Inklusionstruck“ mit einer Hebebühne für Menschen im Rollstuhl. Er wurde in Kooperation mit der Deutschen Muskelschwund-Hilfe Hamburg organisiert und von der Aktion Mensch, dem Amerikanischen Generalkonsulat Hamburg und Google gefördert. Auch für ältere queere Personen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität war eine Mitfahrgelegenheit geschaffen worden.
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Für alle Trucks musste erstmals eine CO2-Abgabe geleistet werden. Durch sie wurden 1360 Euro für das Projekt „Mein Baum – Meine Stadt“ der Loki-Schmidt-Stiftung erlöst.
Die große Abschlussparty zum Christopher Street Day fand wieder auf St. Pauli statt. 15 Kiez-Locations machten laut Veranstalter bei der Party mit.
Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse vom 28. Juni 1969: Polizisten stürmten damals die New Yorker Schwulen-und-Lesben-Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus.
dpa/HA