Sieben Porträts jüdischer Bürger aus dem 19. Jahrhundert wurden restauriert und zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Dass sie gerettet wurden, ist einer abenteuerlichen Nacht-und-Nebel-Aktion zu verdanken.

Hamburg. Viel weiß man nicht über Epharim Edvards. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Stadt Hamburg ihn in die Ferne entsandt, als Generalkonsul auf die Karibikinsel Curaçao. Dort vertrat der Mann jüdischen Glaubens die hanseatischen Interessen. Und er verliebte sich. Esther, die später seine Frau wurde, war die Tochter einer angesehenen Familie mit einem besonderen Handelsgut: dem auf der Insel hergestellten Likör Blue Curaçao. Normalerweise wäre das längst in Vergessenheit geraten. Aber in diesem Fall sind ihre Gesichter aus dem Dunkel wieder aufgetaucht. Ruhig, mit gelassener Weltläufigkeit blicken die Eheleute von 130 Jahre alten Leinwänden.

Sie gehören zu einer Sammlung von sieben lange verschollenen Gemälden, die die jüdische Gemeinde am Mittwoch erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Die Porträts mit Darstellungen von bedeutenden Gemeindemitgliedern aus dem 19. Jahrhundert waren 2005 im Keller der Synagoge an der Hohen Weide entdeckt worden. In der Restaurierungswerkstatt der Hauptkirche St. Jacobi sind die ersten fünf der stark beschädigten Leinwände in den vergangenen Jahren mithilfe des Denkmalschutzamts aufwendig restauriert worden. „Das ist ein Brückenschlag in die Vergangenheit, von der wir geglaubt haben, dass sie vergessen und vorbei ist“, sagt Ulrich Lohse, Vorstand der jüdischen Gemeinde. Gerade weil es nur sehr wenige Originalzeugnisse jüdischen Lebens in Hamburg gebe, hätten die Porträts einen hohen ideellen Wert.

Dass sie gerettet wurden, ist einer abenteuerlichen Nacht-und-Nebel-Aktion zu verdanken. Offenbar hatten Gemeindemitglieder die Gemälde 1942 im letzten Moment vor den Nationalsozialisten bewahrt, die dabei waren, die letzten Reste jüdischen Lebens in Hamburg auszumerzen. Kurzerhand schnitten sie die sieben Porträts sowie 29 weitere Bilder wichtiger Hamburger Juden aus ihren Rahmen, rollten sie zusammen und versteckten sie. Auf kleinen Papierzetteln hatten die Retter mit Schreibmaschine die Identität der Abgebildeten notiert, teilweise auch die Lebensdaten. Was dann geschah, ist unbekannt. Anfang 2005 stieß ein aufmerksamer Hausmeister beim Aufräumen auf die Papierrollen – der Beginn einer erstaunlichen Wiederentdeckung.

„Es sind außerordentlich schöne Gemälde“, sagt Ewa Gilun. Die Restauratorin sitzt in der Restaurierungswerkstatt, mit einem kleinen Messer schabt sie Klebereste von einem Bildnis Betty Heines, der Tante des Dichters Heinrich Heine. Es gehört zu den beiden letzten Porträts, die exemplarisch für den gesamten Bestand restauriert werden sollen. Die unsachgemäße Lagerung, gerollt, zerdrückt, durchfeuchtet, hat schwere Schäden hinterlassen.

Die Farbe ist verblasst, die Leinwände von tiefen Rissen durchzogen. „Es ist eine große restauratorische Herausforderung“, sagt Gilun. Besonders angetan haben es der gebürtigen Polin die Abbildungen des Ehepaars Edvards. Sie hat die Biografien erforscht, sich dann über verschiedene Grundierungen den Kopf zerbrochen. Etwa ein Jahr dauert es, ein Gemälde wiederherzustellen. „Wir wollen möglichst zurück zum Originalzustand“, sagt sie. „Aber man muss die Narben der Geschichte akzeptieren.“ Mit ihrer Kollegin Dina Dahlhaus hat die Restauratorin das Projekt im Auftrag der Jüdischen Gemeinde durchgeführt. Die Gesamtkosten in Höhe von 32.000 Euro hat die Stadt Hamburg aus Denkmalschutzmitteln bezahlt. „Es ist ein Glücksfall, dass diese Porträts im Laufe der Geschichte nicht zerstört wurden und langfristig gesichert werden können“, sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos).

Wichtig ist der historische Wert der Bilder, die von wenig bekannten Künstlern stammen und teilweise auch unsigniert sind. Sie dokumentieren als ein Stück Zeitgeschichte die damals große Spendenbereitschaft. Ohne die Porträtierten und ihre Familien hätte es viele jüdische Krankenhäuser, Schulen und Altenheime nicht gegeben. So hatte der Bankier Salomon Heine das Israelitische Krankenhaus 1842 zum Gedenken an seine kurz zuvor gestorbene Frau Betty gestiftet. Auch der erste jüdische Oberrichter, Gabriel Riessner, wurde für die Nachwelt festgehalten, ebenso Louis Wolf, ehemals Gemeindevorsteher in Wandsbek.

Dass die Bewahrung dieses Erbes nicht nur Sache der jüdischen Gemeinde ist, macht auch Jacobi-Hauptpastorin Astrid Kleist deutlich, in deren Kirche die Restaurierungswerkstatt in einer Seitenkapelle untergebracht ist. „Wir sind nicht immer wertschätzend mit dem jüdischen Erbe umgegangen“, sagt sie. „Das ist eine Geschichte, der wir uns zu stellen haben.“

Jetzt will die jüdische Gemeinde einen geeigneten Platz suchen, um die Werke wieder zu zeigen. Das könnte im Gemeindezentrum sein. „Aber“, so Vorstand Lohse, „es gibt auch gute Beziehungen zu den Museen.“ Dann wären auch Epharim und Esther Edvards endgültig wieder zurück im Leben der Hansestadt Hamburg.