Was das Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg so einzigartig macht. Das Abendblatt hat die Schule besucht.

Wilhelmsburg. Dem einzigen Gymnasium auf der Elbinsel ist ein Namenscoup gelungen, um den es viele Schulen in Hamburg beneiden dürften: Altkanzler Helmut Schmidt gibt am Montag der Schule, die noch Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg heißt, seinen Namen. Für welche Positionen steht das Helmut-Schmidt-Gymnasium eigentlich? Das Abendblatt hat die Schule besucht und erklärt, was sie so unverwechselbar macht.

"360 Grad weltoffen" steht in großen roten Zahlen und Buchstaben auf der weißen Gebäudefassade geschrieben. Für Menschen aus allen Himmelsrichtungen offen also. Multinationalität ist am Helmut-Schmidt-Gymnasium gelebte Realität: Die 740 Schüler stammen aus bis zu 40 unterschiedlichen Nationen.

Wohl auch deshalb spielt die interkulturelle und religiöse Erziehung an der Schule eine besondere Rolle. Zwar existiert in Hamburg ein Religionsunterricht für alle bereits seit 1997, in dem evangelische und katholische Christen zusammen mit Sunniten und Schiiten, Juden, Sikhs und anderen zusammen lernen. Aber keine andere Schule ist bisher so weit gegangen wie das Gymnasium auf der Elbinsel. Sie bietet Religion als Profil an, dem andere Fächer zugeordnet sind: PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) und Biologie. "Die meisten unserer Schüler wählen dieses Profil", sagt Religionslehrer Andreas Gloy. Im Religionsleistungskurs säßen auch Atheisten.

Besuchergruppen aus anderen Bundesländern besichtigen immer wieder mal den von Schülern gestalteten Religionsraum. "Kaum eine Doppelstunde vergeht", scherzt Andreas Gloy, "ohne dass wir Touristen hier haben." Symbole der Weltreligionen schmücken die Wände. Rechts und links der Tafel stehen kleine Altäre. Ein Koran, Buddha-Figuren, das Modell eines Doms stehen darauf. Dieser Raum, sagt Andreas Gloy, sei der dritte Erzieher und verhindere rassistisches Denken.

Um die Bewahrung der Schöpfung geht es auch Karsten Kohl - nur mit anderen Mitteln. Der 46 Jahre alte Biologie- und Geografie-Lehrer steht für das Ziel des Gymnasiums in Kirchdorf, das Umweltbewusstsein seiner Schüler zu schärfen. Das Thema Sturmflut gehört beim einzigen Gymnasium der Elbinsel fest zum Unterricht. Die Schüler schlüpfen in die Gummistiefel und nehmen Wasserproben in den Wettern. Schulklassen sammeln getrennt Müll und wetteifern darum, der beste Energiesparer zu sein. Für so viel grünes Engagement darf sich das Gymnasium "Umweltschule in Europa" nennen.

In diesem Jahr endete das internationale Klimaforschungsprojekt DiPol der Technischen Universität Hamburg-Harburg, an dem sich das Gymnasium seit 2009 beteiligt hat. Merle Luchting ist dank DiPol gleich zweimal nach Oslo gereist. "Wir haben mit Schülern der Elvebakken-Schule einen Film über den Klimawandel produziert", sagt die 17-Jährige. Zurzeit versucht das Helmut-Schmidt-Gymnasium, einen Schüleraustausch mit Chicago aufzubauen, um gemeinsam Gewässerforschung zu betreiben.

Sidika Sekerdag, 16, kühlt Hitzköpfe ab. Sie ist Streitschlichterin und eine von zwölf Schülerberatern, die Konflikte zwischen jüngeren Schülern lösen helfen. Etwa fünfmal im Monat wird das Mädchen zu Streitschlichtungen gerufen. "Jungs streiten öfter", sagt sie, "Mädchen können besser zuhören."

Streitschlichter, die sich um Fünftklässler kümmern, sind nicht ungewöhnlich an Hamburger Schulen. Eine Wilhelmsburger Besonderheit ist aber, dass Beratungslehrerein Heike Eggert, 42, das Modell auf die sechsten Klassen erweitert hat.

Elmer Ulfers ist der Typ Lehrer, den jeder gerne gehabt hätte. Lässig, jugendlich wirkt der 41-Jährige - und er versteht viel von neuen Kommunikationstechnologien. Das Helmut-Schmidt-Gymnasium legt viel Wert auf Medienerziehung. FC-St.-Pauli-Fan Ulfers bringt den Schülern zum Beispiel bei, Internet-Blogs zu hinterfragen. "Wir haben gelernt, ein Drehbuch zu schreiben und wie man einen Film dreht", erzählt Misti Kahn, 16.

Einer von den besonderen Menschen am Helmut-Schmidt-Gymnasium ist Ingo Danneberg. Der 42-Jährige ist nicht nur Hausmeister. Der gelernte Mediengestalter bringt Schülern auch ambitioniertes Fotografieren bei. In diesem Jahr hat die Arbeitsgemeinschaft Digitale Fotografie und Bildbearbeitung des Gymnasiums mit Werbebildern für einen fairen Kaffeehandel Preise in einem Wettbewerb gewonnen. Das Kreative an den Fotos erklärt Ingo Danneberg so: "Wir haben festgestellt, dass Kaffeebohnen eine Mimik haben."