Der Unternehmer über sein Geschäft mit Geldmünzen, den Respekt vor Pirat Störtebeker und Entspannung auf einem Resthof in Nordfriesland.

Hamm. Wer das Störtebeker-Haus betritt, den empfängt gediegene Eleganz: Kronleuchter hängen von den stuckverzierten Decken, der Boden ist mit Marmor ausgelegt. Im Innenhof sprudelt ein Brunnen, davor eine lebensgroße Statue von Kaiser Augustus. In der fünften Etage hat Hausherr Achim Becker sein Reich.

Der Münzhändler hat am imposanten Besprechungstisch Platz genommen, einem Erbstück. Die Ölgemälde, die chinesischen Vasen und die edlen Seidenteppiche auf dem Parkett fallen sofort ins Auge. Auch zwei von Hobbymaler Becker geschaffene Bleistiftzeichnungen: "Ich folge meinen Visionen", sagt er.

Mit dem markanten Gebäudekomplex hat er sich auf jeden Fall einen Traum erfüllt. Wer jetzt aufgrund der Eleganz im Inneren auf eine Lage an der Alster oder Elbe denkt, irrt. Das Haus steht an der Süderstraße, mitten im Industriegebiet von Hamm-Süd. Das Gebäude, so Beckers Plan, sollte auffallen, hier tut es das. Aus den bodentiefen Fenstern fällt der Blick auf Lagerhallen, Industrieflächen und ein tristes Apartment-Hotel.

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Und auf eine 18 Meter hohe "Störtebeker-Säule". Hier hat er sich wieder so einen Traum erfüllt. Das Kunstwerk ist allerdings noch nicht ganz vollendet, es fehlt die Granitverkleidung und an der Spitze die bronzene Kogge. Aber was fasziniert Achim Becker an Seefahrer Klaus Störtebeker (geboren um 1360, hingerichtet vermutlich am 20. Oktober 1401): "Als Unternehmer muss man das Naturell eines Seefahrers wie Störtebeker entwickeln, um im täglichen Auf und Ab bestehen zu können." Und dann zitiert Becker Störtebeker: "Der Geist der Mannschaft bestimmt die Fahrt. Unter vollen Segeln zu neuen Unternehmungen."

Die "Störtebeker-Säule" ist ein teurer Spaß, dafür hätte sich Becker auch eine Yacht oder Weltreise leisten können: "Diese Säule ist mein ganz persönlicher Luxus. Ich habe sie aus meinem Büro im Blick, und die Menschen unten auf der Straße werden auch ihre Freude daran haben." Da unten - da verläuft auch der Straßenstrich von Hamm.

Die Planungen und Verhandlungen mit der Stadt, denn schließlich steht das Kunstwerk auf öffentlichen Grund, haben Jahre gedauert. Aber ein Achim Becker gibt nicht auf: "Ich bringe großen Einsatz für meine Ideen ein und versuche zu überzeugen." Das spiegelt sich auch im Lebenslauf.

Denn die Keimzelle seiner Emporium-Gruppe, die heute rund 100 Mitarbeiter hat und weltweit mit Münzen und Edelmetallen handelt, lag in einem 25-Quadratmeter-Altbauzimmer in St. Georg. Das war 1971, der damals 24-Jährige Becker wohnte zur Untermiete, machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann, und von seiner "Bude" aus betrieb er einen schwunghaften Handel mit Briefmarken. So kam der Jungunternehmer auch in Kontakt mit Münzen. Der Anfang waren die deutschen Fünf-DM-Gedenkmünzen: "Das Geschäft lief gut an. Ich hatte Spaß und wusste, das ist das Richtige für mich." Jahre 1972, die Banklehre war abgeschlossen, gründete er die Firma Emporium Hamburg.

In den nächsten Jahrzehnten wächst das Unternehmen. In den 70er- und 80er-Jahren wird das Warensortiment ständig ergänzt - beginnend mit DDR-Gedenkmünzen. Es kommen historische deutsche Münzen hinzu. Der Vertrieb ausländischer Münzen in der Bundesrepublik ebenso wie der deutscher Münzen im Ausland wird ausgebaut. Nach Firmensitzen an der Langen Reihe und an der Sorbenstraße baut sich Achim Becker sein Störtebeker-Haus und verlegt 2005 seine Firmenzentrale dorthin.

Der gebürtige Tostedter, sein Vater war Tierarzt, sieht berufsbedingt viel von der Welt: "Aber meistens beschränkt sich mein Radius bei meinen Geschäftsreisen auf Messehallen und Hotels", sagt Becker, der Münzmessen von Moskau bis Chicago besucht. Becker ist wohl im wahrsten Sinne des Wortes ein Workaholic. Morgens gegen 8 Uhr ist er im Büro, und häufig kehrt er erst spät abends in sein Haus in Winterhude zurück. Dann hat ihm seine Frau Vera, die beiden sind seit 37 Jahren verheiratet, noch etwas zum Essen bereitet. Wenn Becker über seine Ehe spricht, glänzen seine Augen. Der Gesprächspartner merkt, die Eheleute scheinen ein eingespieltes Team zu sein: "Wir feiern keinen Hochzeitstag, bei uns heißt das Heldengedenktag", sagt er lächelnd. Das Ehepaar hat gemeinsam die Kinder Karina und Philipp. Der Junior arbeitet als "Leiter Großhandel" in der Firma mit.

Das Wort Freizeit ist für den Unternehmer eher ein Fremdwort. Bei diesem Arbeitspensum fehlt die Zeit für Hobbys. Aber ein bisschen Sport muss sein. Der 64-Jährige hält sich mit Turnen fit. Und es gibt einen Ort, an dem selbst Becker die Arbeit vergisst. Sein Refugium ist ein Resthof unweit von Husum. Mit ein bisschen Land drum herum: "Ich kann dort absolut entspannen", sagt Becker. Dann werden die Gummistiefel angezogen und im Garten gearbeitet. Oder Becker nimmt sich Zeit für einen Ausritt auf einem seiner Schleswiger. Aber sonntagabends ist Schluss mit Entspannung, und es geht zurück nach Hamburg, erst einmal ins Büro. Wie sieht es mit Ruhestand aus? "Dieses Thema ist die größte noch vor mir stehende Aufgabe." Und lächelnd fügt Becker hinzu: "Ich werde wohl weitermachen so lange es geht, vielleicht sogar bis ich vom Pferd falle."

Der Tatendrang ist enorm. Jetzt plant Becker die Eröffnung eines Geschäfts mit Edelmetallhandel und Beratung in seinem Störtebeker-Haus. Seine Faszination für Münzen wird deutlich, als Becker eine schlichte blaue Schatulle öffnet. Vorsichtig, beinahe ein wenig ehrfurchtsvoll, nimmt er die drei Mark Silbermünze "Bayernhochzeit" in die Hand. 1918 wurde die Münze geprägt, aus Anlass der goldenen Hochzeit von König Ludwig III. und seiner Gemahlin Marie Therese. Sammler geben für diese Rarität ein Vermögen aus. Der Wert etwa 50 000 Euro. Ein Sammler ist Becker nicht: "Ich besitze privat keine einzige Münze. Ich handele mit ihnen, bin eben Kaufmann durch und durch."