Das Ende eines süßen Vergnügens: Der neue Eigentümer erhöhte die Miete drastisch. Der Kiez wird Trauer tragen und wieder ein Stück ärmer.

Hamburg. Ein blank gescheuerter Tisch aus Edelstahl steht mitten in der kleinen Ein-Mann-Küche, die auch Kuchenwerkstatt ist. Daneben Konditormaschinen, Schüsseln, eine uralte Waage. Man muss nur zusehen, wie ehrfürchtig Jens Möller mit einem breiten Malerpinsel den heißen und flüssigen Geleeguss auf die fast fertige Erdbeertorte aufträgt, um zu wissen: Hier ist ein (Konditor-) Meister am Werk - mit deutscher Gründlichkeit, Sauberkeit und ganz viel Liebe zum Beruf. "Wenn ich den Geleeguss einfach drübergieße, saugt der Teig zu viel davon auf", sagt er, greift dann automatisch zum Lappen und putzt den Tisch.

Die Geschichte von Jens Möller und seinem gleichnamigen Café an der Reeperbahn/Ecke Große Freiheit auf St. Pauli hat ganz viel mit Liebe zu tun. Endet aber für seine Kunden tief traurig. Im Oktober wird das legendäre Café Möller, das seine Eltern und Großeltern schon führten, nach 59 Jahren geschlossen, weil "ein neuer Grundeigentümer nach dem Auslaufen des Mietvertrags eine Pacht verlangt, die so hoch ist, dass ich sie nicht zahlen kann", sagt der Kuchenmeister.

Der Kiez wird Trauer tragen und wieder ein Stück ärmer und banaler. Ein Stück Kaffeehaus-Kultur wird ersetzt, vermutlich durch einen Asia-Laden, der zwar wenig originell ist, aber auch nachts öffnen kann, und so höhere Einnahmen verspricht.

Die Tasse Kaffee kostet heute 1,70 Euro im Café Möller, das mit den plakatierten Worten "preiswert & gut" wirbt. Die Tasse Kaffee bringt Konditoreifachverkäuferin Roswitha Hirschfeld, Lebenspartnerin und die große Liebe von Jens Möller. 1979 hat sie den Beruf im Café Möller gelernt. Beide wurden damals ein Paar, gingen aber wieder auseinander. Roswitha Hirschfeld verließ Hamburg. "Wir telefonierten aber noch weiter", sagt Jens Möller, der wie immer eine weiße Konditorjacke trägt und mit seiner Jeans und dem offnen Lachen jungenhaft wirkt. Vor 15 Jahren fanden beide wieder zueinander. Die Augen des Mannes, der gern und viel lacht, leuchten noch mehr, wenn er von seiner "alten Liebe" berichtet und feststellt: "Das Herz muss im gleichen Takt schlagen."

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Das Herz des Geschäftes sind die eigenen Torten, Kuchen und das besondere Flair im Café Möller. "Lübecker Nusstorte, Schwarzwälder Kirsch, Kaffee-Sahne und die Erdbeertorte sind die Renner. Wir haben das Angebot seit Jahrzehnten nicht geändert", sagt der Konditormeister, "die Kunden wollen es so." Die Tortenstücke kosten 2,50 bis 2,80 Euro, und wer draußen sitzt, blickt auf den Eingang der Großen Freiheit und den Beatles-Platz.

"Hier speisten die Beatles", wirbt das Café Möller in großen Lettern. Auf der Karte steht ein "Beatles Breakfast mit Tee, Ham und Eggs und Toast" für 6,50 Euro. "So haben die Musiker hier 1960 gefrühstückt", sagt Jens Möller. Damals feierte er mit George Harrison das Weihnachtsfest.

"Star-Club-Betreiber Manfred Weissleder hatte meine Eltern gebeten, George Harrison zum Jahreswechsel zu Hause aufzunehmen. Wir beide spielten dann die halbe Nacht mit meiner neuen Märklin-Eisenbahn, und meine Eltern schliefen auf dem Sofa ein", sagt der 60-jährige Jens Möller.

Im Gastraum des Cafés scheint die Zeit in den 60er-Jahren stehen geblieben. An den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos von Astrid Kirchherr, die die ganz jungen Beatles zeigen. Ein breites Aquarium mit roten Papageienfischen teilt den Raum, Dutzende von Blumen stehen auf dem Fensterbrett, ein Ständer mit Zeitschriften, ausliegende Tageszeitungen und viel hellbraunes Holz vermitteln Heimeligkeit. Eine Oase alter Kaffeehaus-Gemütlichkeit und Ruhe.

Der Kiez und seine Rotlichtgrößen schätzen das. Einmal in der Woche treffen sie sich mittags für zwei Stunden im Café Möller, besprechen Geschäfte - die sich heute meist um Immobilien drehen - und reden von der "guten alten Zeit". Die Kiezianer speisen auch, denn Möller bietet nicht nur "das beste Frühstück", sondern auch "deutsche Küche" mit 40 verschiedenen Speisen an, wie einen Strammen Max für sieben Euro.

Die - zumindest in der Erinnerung - "gute alte Zeit" ging auf dem Kiez in den 70er-Jahren zu Ende. "Damals gab es ja noch viel Rotlicht und ein buntes Miteinander wie in einer großen Familie", erinnert sich Jens Möller. Damals öffnete das Café auch schon um 6 Uhr. "Da war Schicht bei den Mädchen, die bei uns dann frühstückten und ihre frechen Sprüche losließen."

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"Alle waren sie bei mir", sagt Jens Möller. Hans Albers, Freddy Quinn und der Großhotelier Willy Bartels, den man "König von St. Pauli" nannte. "Und auch der richtige Pate kam", versichert Möller. Das war "Frieda", bürgerlich Wilfried Schulz, der den Kontakt zur US-Mafia aufnahm, auf der Reeperbahn als Statthalter akzeptiert wurde und sogar bei eigenen "Gerichts"-Verhandlungen "St.-Pauli-Verbote" aussprach.

"Die Zeiten änderten sich, als immer mehr Auswärtige hier Fuß fassten und nicht mehr jeder jeden kannte. Das Familiäre ging zurück", sagt Jens Möller. Es sei heute nicht mehr wie früher selbstverständlich, dass auf St. Pauli die Menschen respektvoll und ohne Vorbehalte miteinander umgehen.

Auf die neue Zeit nach der Schließung des Cafés freut sich der Konditormeister, der "sechs Jahre lang keinen Urlaub gemacht hat". Vor der Tür steht eine feuerrote Triumph Trophy 1200, mit Werbung für den Strip-Laden Susis Show Bar. Motorradfahren gehört zu seinen Hobbys, wie der Wassersport und der Modellbau und dabei speziell Helikopter. "Mein Herz wird aber hier hängen bleiben", sagt er.