Die Marke Abercrombie & Fitch inszeniert sich in Hamburg. Männermodels und laute Musik gibt es gratis. Die Kleidung ist dagegen teuer.

Hamburg. Die Turmuhr der Alten Post an der Poststraße zeigt Punkt 11 Uhr an, als sich die Eingangstür der neuen Abercrombie & Fitch-Filiale öffnet. Jubelnd und sich selbst beklatschend, treten 50 Männermodels mit Flipflops, Jeans und einem offenen Kapuzenpullover bekleidet auf den Gehweg, um ihre Sixpacks am Bauch zu präsentieren. Das Ritual ist Teil der Markenstrategie der US-Modekette, die nach Düsseldorf demnächst ihre zweite deutsche Filiale in Hamburg eröffnet.

Am Sonnabend, dem 28. April, wird es so weit sein. Dann können sich die zumeist jungen Kunden auf T-Shirts für 38 Euro und Pullover für bis zu 300 Euro stürzen und von lauter Klubmusik berieseln lassen. Gezahlt wird vor allem für den Namen, denn die Preise haben mit der Popularität der Marke kräftig angezogen. Die Produktion, zu deren Details das Unternehmen wenig Konkretes sagen möchte, dürfte jedenfalls nicht für die hohen Preise verantwortlich sein. Gefertigt wird bei Drittanbietern, die, wie das Größenschild in der Kleidung verrät, in China sitzen.

Möglichst wenige Informationen preiszugeben, das ist die Firmenphilosophie von A&F, zu deren Konzern auch die Jugendmodemarke Hollister gehört. Bis zur Eröffnung in einer Woche darf kein Fremder einen Blick ins Innere der Geschäftsräume an der Poststraße werfen. Statt auf Werbung setzt die Bekleidungskette aus Ohio auf Geheimniskrämerei. Das Konzept geht in Europa bisher auf, die schlichte Kleidung mit dem großflächig aufgestickten Markennamen ist unter Jugendlichen begehrt.

Seit Beginn der 90er-Jahre konnte das Filialnetz in den USA auf mehr als 1000 Standorte wachsen. Doch mit der Wirtschaftskrise 2008 brachen die Umsätze und der Aktienkurs ein. Das auf einer selbst erzeugten Hysteriewelle schwimmende Unternehmen war nun gezwungen, nach Europa zu expandieren. "Wir sind in den USA zu schnell zu groß geworden", sagt Eric Cerny, der für das Europageschäft bei A&F verantwortlich ist. Sowohl für die Verkaufszahlen als auch für das Markenimage sei eine geringe Anzahl von Filialen förderlich, so der Manager. Die künstliche Verknappung durch Versandbeschränkungen, wenige Filialen und hohe Preise machten bislang das Erfolgsrezept der Amerikaner aus. In den USA wurden getreu dieser Strategie bereits 150 Standorte geschlossen, weitere sollen folgen. In Europa dagegen will das Unternehmen nur behutsam expandieren.

"In welcher Stadt wir den nächsten Standort eröffnen, liegt derzeit an der Verfügbarkeit von repräsentativen Räumen", sagt Cerny. In Hamburg habe das Unternehmen in der frisch renovierten Alten Post die gesuchte "architektonische Ikone" gefunden, so Cerny. Rund 400 Arbeitsplätze sollen in der Hamburger Filiale entstehen. Unter den Angestellten sind alleine 70 Models, die für eine "gute Atmosphäre" sorgen sollen. Zu dem angestrebten "Einkaufserlebnis" gehören auch der Klubstil der dunklen Geschäftsräume, die in A&F-Kleidung uniformierten und stets mit einem "Hey what's up?" (Hey, wie geht's?) grüßenden jungen Verkäufer sowie das Männerparfüm "Fierce", dessen Geruch alle A&F-Filialen durchweht. Die Zielgruppe des Unternehmens sind nach eigenen Angaben 18 bis 22 Jahre alte Studenten. Vorstandschef Mike Jeffries definierte sie einst als "die coolen Kids, mit denen jeder befreundet sein will. Sie sind sportlich, attraktiv, allseits beliebt und beneidet."

Für dieses offen vorgetragene Elitedenken erntete das Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder Kritik. Aber auch dafür, dass die männlichen A&F-Models neben dem perfekten Körperbau jahrelang fast ausschließlich weiß waren. 2003 verklagten US-Bürgerrechtsgruppen A&F deshalb im Namen von 10 000 erfolglosen Stellenbewerbern wegen Rassendiskriminierung. Das Verfahren endete 2005 schließlich mit einer gütlichen Einigung. A&F zahlte den Klägern 40 Millionen Dollar. Seitdem hat sich das Unternehmen hausintern zu "größerer Diversität" verpflichtet. Wie zur Bestätigung verweist Eric Cerny während des Fototermins in Hamburg auf die vereinzelten dunkelhäutigen Models, die an der Balustrade des Uhrenturmes der Alten Post stehen, "Wooh!" rufen und herunterwinken.

Der Gerichtsprozess war ein Einschnitt in der Firmenpolitik von A&F, der das Management für die Außenwirkung des Unternehmens sensibilisiert hat. Dass diese neue Vorsicht jedoch noch nicht in allen Unternehmensbereichen angekommen ist, zeigte sich zu Beginn des vergangenen Jahres, als der Kinderbikini Ashley auf der Internetseite des Unternehmens auftauchte. In der Anzeige wurde das Oberteil als Push-up-BH beworben, was viele US-Mütter aufbrachte, die die "falschen sexuellen Signale" an ihre vorpubertären Töchter kritisierten. Die Reaktion von A&F darauf war nur wenig konsequent. Oberteil und Höschen wurden in der Folge getrennt voneinander verkauft und in der Produktbeschreibung war anstatt eines "Push-up-BHs" von einem "gepolsterten, gestreiften Dreieck für Mädchen" die Rede.