Die historische Tankstelle Brandshof gab es so schon in den 1950er-Jahren. Die Tankstelle ist eine Anlaufstelle für Besitzer historischer Autos.

Hamburg. Das Schild mit der blau-weißen Neon-Aufschrift "Kfz-Prüfstelle" erinnert an Las Vegas und die Diner der Swinging Sixties. Allerdings steht hinter der Leuchtreklame am Billhorner Röhrendamm 4 in Rothenburgsort weder eine Spielhalle noch eine Burger-Filiale, sondern eine Tankstelle, die es so schon in den 1950er-Jahren gab. Sie wurde 1953 für die Deutsche Benzol-Vertrieb GmbH errichtet. Im September 2010 stellte der Senat das historische Gebäude unter Denkmalschutz. Seitdem haben die Pächter Jann de Boer und Alex Piatscheck jedes Wochenende und nach Feierabend geschuftet, um die komplette Tankstelle zu restaurieren. Seit Kurzem erstrahlt sie in neuem alten Glanz.

Wer durch die Glastür in den "Erfrischungsraum" eintritt, macht eine Zeitreise - es gibt flauschige gelbe Sessel, ovale Blumenvasen mit gelben und blauen Längsstreifen, eine braune Anker-Registrierkasse mit analoger Anzeige, Telefone mit Wählscheibe - alles original aus den 1950ern. Auf der Tafel neben der Schallplatten-Musikbox stehen in weißer Kreideschrift Speisen wie Labskaus mit Roter Bete, Spiegelei und Gewürzgurke. Sogar der hölzerne Klorollenhalter auf der angrenzenden Toilette ist ein Relikt von damals.

"Es waren nicht die Denkmalschutz-auflagen, sondern unsere Ansprüche, alles wie früher herzurichten", sagt der 38-jährige de Boer. So konnten abgeplatzte Fliesen nicht einfach durch neue, strahlend weiße, ersetzt werden. Da Nachbauen zu teuer und nicht authentisch gewesen wäre, beschafften de Boer und Partner Fliesen einer zum Abriss stehenden Tankstelle in Barmbek.

Authentisch müssen auch die Oldtimer sein, die bei dem 34-jährigen Alex Piatscheck in die Prüfhalle rollen. Neben der TÜV-Plakette geht es bei dem alten Blech um das begehrte H-Kennzeichen. Wer nachweisen kann, dass sein mindestens 30 Jahre alter Wagen im historischen Zustand ist, zahlt weniger Steuern und Versicherung.

Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts weist Hamburg die größte Dichte an Oldtimern mit Historienkennzeichen (3,3 auf 1000 Einwohner, Stand 2010) in Deutschland auf. Die Anzahl zugelassener Klassiker liegt hier im Verhältnis bei knapp einem Prozent. Jens Seltrecht von der Garage 11 in Altona verdient seit sechs Jahren seinen Lebensunterhalt mit Oldtimern. "Früher habe ich im Jahr 30 Wagen verkauft. Heute ist es das Dreifache", sagt Seltrecht. Er ist mit einem besonders seltenen Alfa Romeo zur TÜV-Abnahme bei der Tankstelle Brandshof. "Die Jungs sind aus der Oldtimer-Szene und haben das nötige Know-how. Das findet man bei anderen Prüfstellen so nicht", sagt der 45-Jährige.

Der Trend zu Old- und Youngtimern, Letztere sind zwischen 15 und 20 Jahre alt, ist verstärkt mit den ersten Sonnenstrahlen zu spüren. "An den letzten Wochenenden hatten wir hier schon 30 bis 40 Autos", so Piatscheck.

Der abgelegene Ort zwischen Autobahn und Großmarkt eignet sich vor der Kulisse der alten Tankstelle wie kaum ein anderer für die Oldtimer-Liebhaber. Stammgast Michael bezeichnet sich schon als "Tankstellen-verrückt". Oft kommt er mit seinem flügeltürigen DeLorean, der Wagen aus "Zurück in die Zukunft".

An der Tankstelle teilen alle die Leidenschaft am klassischen Automobil. Wer hinter dem Steuer eines sündhaft teuren Ferrari sitzt, wird nicht gefragt. "Hier sind alle gleich. Schnickschnack wie Champus gibt's nicht. Genau diese Bodenständigkeit schätzen die Besucher", sagt de Boer.

Autohändler Seltrecht bekam schon von Kunden zu hören, dass Oldtimer eine Wertanlage seien, mit der man mehr Spaß habe als mit Goldbarren auf der Bank. Nicht jeder zahlt aber seinen rollenden Traum aus der Portokasse. Der Besitzer eines über 40 000 Euro teuren US-Flitzers bewegt sein 300-PS-Auto nur am Wochenende. Unter der Woche reicht ihm ein Kleinwagen. Bei einem Verbrauch von 20 Litern mit dem Oldtimer kostet allein die Fahrt von Pinneberg nach Rothenburgsort 30 Euro für den Sprit. Nachgetankt werden kann an der Oldtimer-Tankstelle nicht. Die Tanks wurden Ende der 60er entfernt. Sollte sich ein Sponsor finden, wollen de Boer und Piatscheck die Tankstelle endgültig in den Zustand von 1953 versetzen.

Die Tankstelle Brandshof am Billhorner Röhrendamm 4 in Rothenburgsort ist unter der Woche von 2.30 bis 18 Uhr geöffnet. An den Wochenenden finden die Offenen Treffen für altes Blech von 11 bis 17 Uhr statt. Am 22. April gibt es von 9 bis 16 Uhr erstmals ein 50er-Jahre-Flohmarkt.