Deutschland verhandelt über Verbrennung von Abfällen aus Bhopal. Tausende Menschen waren bei der Katastrophe in Indien gestorben.

Hamburg. Es war eine der größten Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte. 1984 starben in der zentralindischen Stadt Bhopal innerhalb weniger Stunden Tausende Menschen , nachdem aus einer Pestizidfabrik eines US-Chemiekonzerns tonnenweise Gift freigesetzt worden war. Jetzt gibt es Pläne, 350 Tonnen des verseuchten Sonderabfalls aus Bhopal in Deutschland zu verbrennen - zu "entsorgen", wie es in der Müllbranche heißt. Als möglicher Zielort ist auch Hamburg im Gespräch.

"Das wäre gefährlich und auch absurd", warnt der Vorsitzende des als Verein organisierten Hamburger Umweltinstituts, Dr. Michael Braungart. Der Chemie-Professor, frühere Greenpeace-Aktivist und profilierte Umweltberater war auf eine Zeitungsnotiz aus der "Indias's Independent Weekly News Magazine" gestoßen, die auch dem Abendblatt vorliegt: Danach habe die deutsche staatliche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) Indien angeboten, die 350 Tonnen per Luftfracht nach Hamburg zu transportieren und sicher in einer Hamburger Müllverbrennungsanlage zu behandeln. Tatsächlich gibt es Anfragen aus Indien hinsichtlich der 350 Tonnen Sondermüll aus der Katastrophenstadt. Das bestätigt dem Abendblatt GIZ-Sprecher Hans Stehling. Allerdings gebe es bisher weder einen festen Auftrag an die GIZ, noch sei die Standortfrage für die Verbrennung geklärt. Geeignet seien etwa 20 Anlagen in Deutschland, sagt Stehling.

+++ Deutschland bietet Entsorgung von indischem Giftmüll an +++

Einer der modernsten Müllverbrennungsöfen Deutschlands und damit potenzielle Lieferadresse ist die Hamburger AVG (Abfallverwertungs-Gesellschaft) an der Borsigstraße in Billbrook. Die AVG gehört einer privaten Holding und wird mit Sonderabfällen wie etwa alten Insektenvernichtungsmitteln aus Privathaushalten auch von der Hamburger Stadtreinigung beliefert. Die Hochtemperaturverbrennungsanlage ist nach AVG-Darstellung eine der größten und modernsten weltweit. 100.000 Tonnen Abfälle können hier jährlich verbrannt - und gleichzeitig als Fernwärmequelle genutzt werden, heißt es auf den Internetseiten der AVG. Über das benachbarte Heizkraftwerk Tiefstack sei die AVG an das Hamburger Fernwärmenetz angeschlossen und versorge rund 30.000 Haushalte.

30 bis 40 Prozent der Abfälle, die dort verbrannt werden, stammen aus dem Ausland, das meiste komme über den Seeweg oder mit der Bahn.

"Wir haben aber noch keine konkrete Anfrage", sagte ein Unternehmenssprecher dem Abendblatt zu den Bhopal-Abfällen. Bevor so etwas verbrannt werde, müsse zudem genau geprüft werden, um welche Inhaltsstoffe es sich handele - und auch dazu gebe es keine Informationen. Tatsächlich rätseln auch europäische Umweltverbände noch, welche Art von Sondermüll verbrannt werden soll. Vermutlich handele es sich nicht um den Stoff, der 1984 die Chemiekatastrophe verursacht habe, sondern, wahrscheinlich um Reste aus der Pestizidproduktion, vermutet einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" zufolge der BUND. Die GIZ äußert sich zu solchen Details nicht.

Zwar sind Verträge zur Sondermülllieferung offenbar tatsächlich noch nicht unterzeichnet, deutsche Umweltschützer sind aber weiter alarmiert: Der BUND weist darauf hin, dass derartiger Giftabfall laut Uno-Konvention nur in Ausnahmefällen das Ursprungsland verlassen dürfe. 2007 stoppte Schleswig-Holstein genau aus diesem Grund einen Giftmülltransport von Australien nach Deutschland. Seinerzeit sollten die Abfälle in Brunsbüttel oder in Anlagen in Nordrhein Westfalen verbrannt werden.

Doch nach Interpretation der GIZ würde es sich bei der Lieferung aus Bhopal um eine solche Ausnahme handeln, weil Indien technisch noch nicht in der Lage sei, die 350 Tonnen sicher zu behandeln.

Doch das hält der Hamburger Chemieprofessor Michael Braungart für eine Art Feigenblatt-Politik: In Indien sei mittlerweile eine der weltgrößten Textilproduktionen angesiedelt, vor allem für die bekannten großen Marken, die in Europa gehandelt werden. "Und dazu fällt in Indien jeden Tag etwa die dreifache Menge Giftmüll an, um die es hier geht." Mit entsprechender Verseuchung der Umwelt vor Ort. "350 Tonnen dann mit dem Flugzeug nach Deutschland zu karren ist deshalb ein absurdes Unterfangen", kritisiert Braungart. Und womöglich sei die Verbrennung in diesem Fall auch gefährlich, weil giftiges Quecksilber freigesetzt werden könnte. Der Giftmülltransport diene einzig dazu, der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass etwas getan werde in Indien mit dem Sonderabfall.