Die Obdachlosen-Tagesstätte der Heilsarmee und das Herz As bestehen seit 30 Jahren. Heute wird gefeiert. Sozialsenator ist mit dabei.

Hamburg. Es gibt Menschen, die fahren für eine heiße Suppe durch die halbe Stadt. Es gibt Menschen, für die ist ein anständiges Stück aus der Altkleidersammlung Gold wert. Und es gibt Menschen, für die sind ein offenes Ohr und ein bisschen Zuneigung unbezahlbar. Seit drei Jahrzehnten haben diese Menschen zwei Anlaufpunkte: die Tagesaufenthaltsstätte der Heilsarmee auf St. Pauli und das Herz As im Münzviertel hinter dem Hauptbahnhof.

Beide Einrichtungen betreuen und unterstützen mehr als 1000 Obdachlose, versuchen mit ihnen Lebens- und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Und beide feiern in diesen Tagen ihr 30-jähriges Bestehen: die Tagesaufenthaltsstätte der Heilsarmee an der Talstraße vor einigen Tagen, das Herz As an der Norderstraße (Hammerbrook) heute. Zum Festakt werden hier mehr als 350 Gäste erwartet.

Kommen wollen auch Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) und in der Einrichtung engagierte ehrenamtliche Helfer. "Ohne sie würde das gesellschaftliche Leben in Hamburg nicht funktionieren", lobt Scheele die Unterstützer.

+++ Obdachlosen-Tagesstätte Herz As wird 30 Jahre alt +++

Beide Aufenthaltsstätten sind Anlaufstellen, in denen sich Wärme nicht nur auf die Raumtemperatur bezieht. Wohnungslose Männer und Frauen bekommen hier Suppe und belegte Brote, Tee, gebrauchte, aber saubere Kleidung, einen Haarschnitt und Beratung für den Umgang mit Ämtern und Behörden. Im Herz As stehen den Besuchern Duschen und Waschmaschinen zur Verfügung, damit sie sich und ihre Kleider sauber halten können. Strümpfe und Unterhosen sind neu und müssen von den Besuchern für 25 Cent gekauft werden. "Sonst würde uns dieses Angebot 20 000 Euro im Jahr kosten", sagt Einrichtungsleiter Andreas Bischke.

Mit dem Kiez und dem Hauptbahnhof in der Nähe liegen beide Tagesaufenthaltsstätten an sozialen Brennpunkten. Vis-à-vis des roten Backsteinbaus an der Talstraße am Rande der Reeperbahn, in dem die Heilsarmee schon seit 1922 zu Hause ist, lockt die Sünde mit Sexshops und Typen, die unter der Hand Drogen anbieten. Zwei Häuser weiter offeriert ein Getränkeladen Bier und Korn zu Discountpreisen. Auf dem Gehweg davor kauern Clochards, in jeder Beziehung fern der Heimat. Nicht weit vom Herz As entfernt, das 1981 in einem vom Axel Springer Verlag zur Verfügung gestellten Pavillon an der Wetkenstraße eröffnet wurde, fünf Jahre später an die Norderstraße zog und dort seit 2004 in einem Neubau logiert, bietet sich ein ähnliches Bild.

Alkohol, Tabak oder gar Drogen haben in den Tagesaufenthaltsstätten allerdings nichts zu suchen - Gewalt ist hier drinnen ebenfalls untersagt. Für die Einhaltung der Hausordnung, das Austeilen der Wäsche in den Kleiderkammern und die Essensausgabe sind jeweils eine gute Handvoll Festangestellter verantwortlich, dazu Ehrenamtliche und - in der Talstraße - auch sechs junge Leute, die ihr freiwilliges soziales Jahr absolvieren.

Während das Herz As werktags zwischen drei und sechs Stunden offen hat, öffnet die Tagesstätte auf St. Pauli ihre Pforten an vier Tagen nur maximal drei Stunden, dafür auch sonntags. Dienstags, donnerstags und freitags bekommen die Gäste hier eine warme Mahlzeit serviert. Fast alle Nahrungsmittel sind gespendet: von der Hamburger Tafel, von Geschäften oder Privatleuten.

Gerade wurden mehrere Hundert Eier geliefert. 12 304 Mahlzeiten wurden im Vorjahr hier ausgeteilt, im Herz As mehr als 50 000. In den Küchen der beiden Einrichtungen sind besonders viele Ehrenamtliche beschäftigt. So wie die Pinnebergerin Marie-Louise Wenusch, die "immer schon" bei der Heilsarmee am Donnerstag für die Gemeinde kocht. Solche Menschen machen das Leben auf der Straße, wo viele der Besucher zu Hause sind, einen Hauch erträglicher.

Zum Beispiel für Werner, Anfang 70, Wohnsitz irgendwo in einer Ecke auf dem Kiez. "Mein Elternhaus war kaputt, ich kam früh ins Heim", erinnert sich der Mann mit den trüben blauen Augen, dem runzeligen Gesicht, den vom Wetter gegerbten Händen. "Später spielte mein Leben Achterbahn." Im Moment ist die Gondel ganz weit unten. Krankheiten, Alkohol und Pech in Serie vertrieben Tatkraft, Hoffnung und den Glauben an Gerechtigkeit.

Viele hier haben erschütternde Schicksale aufzuweisen, den meisten sind Absturz und Tiefschläge an den Augen abzulesen. So wie Jan-Friedrich, ein früherer Hausmeister aus Hohenfelde. Eine urplötzlich zerbrochene Ehe, die Trennung von den Kindern und absolute Perspektivlosigkeit setzten eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang: Alkohol, Arbeitslosigkeit, Verlust der Wohnung, Obdachlosigkeit, Fall ins soziale und gesellschaftliche Nichts. Vielen ist es so ergangen. Seit vier Jahren ist Jan-Friedrich Stammgast bei der Heilsarmee, besucht eine Selbsthilfegruppe ehemaliger Alkoholiker, lebt in einer Wohngemeinschaft, hat wieder Boden unter den Füßen. Am Nebentisch wird Schach gespielt, etwas weiter hinten "Mensch ärgere Dich nicht". Andere klönen, gehen in die gut ausgestattete Kleiderkammer, duschen, lassen sich die Haare von Frank schneiden, besuchen Bibelstunden oder nutzen die Beratungsangebote. 723 Stunden wurden im vergangenen Jahr gezählt - Tendenz stark steigend. Insgesamt investierten die Mitstreiter der Heilsarmee 2011 mehr als 12 000 Stunden sozialer Arbeit.

"Besonders begehrt", wissen die Missionsleiter Ingeborg und Olivier Chevalley, "ist die Geldverwaltung." Viele Gäste beziehen Hartz IV, haben aber kein eigenes Konto. Dieses wird treuhänderisch von den guten Geistern in der Talstraße organisiert.

Auch im Herz As gibt es Hilfe - und eine feste Postadresse, damit das Jobcenter weiß, wohin es seine Angebote schicken kann. Hier kümmern sich Andreas Bischke und seine Mitarbeiter auch darum, dass Sport und Kultur nicht zu kurz kommen im Leben ihrer Besucher. In dem kleineren der beiden Aufenthaltsräume, in denen insgesamt 110 Personen Platz finden, stehen mehr als 20 Pokale aller Größen. Die Kicker des Hauses, die Herz-As-Chaoten, spielen mehrfach im Jahr gegen andere soziale Einrichtungen, aber auch gegen die Rathauskicker, Firmen- oder Jugendmannschaften. Bischke hat auch schon Kunsttherapeuten engagiert, die mit den Wohnungslosen gemalt haben, und Literaturinteressierte, die Lesungen abhalten.

Die Aktivitäten des Vereins Herz As und die damit verbundene Verantwortung haben, insbesondere durch den Neubau, eine Größenordnung erreicht, die eine Neuorganisation des "Unternehmens" erforderten. So wurde der Geschäftsbetrieb 2007 auf die von der Stadtmission Hamburg gegründete Herz AS Hamburg gGmbH übertragen. Doch an dem Ziel der Mitarbeiter hat sich nichts geändert. Wohnungslose sollen hier auch weiterhin nicht nur duschen und essen können, sondern auch einen Weg zur Rückkehr in die soziale Integration finden.