16-Jähriger verschleppte Jungen auf den Kiez. Möglicherweise wurde er dort missbraucht. Ein Martyrium für das Kind - und auch für die Eltern.

Hamburg. Es ist der Albtraum aller Eltern: In einem Moment der Unachtsamkeit verschwindet das eigene Kind, bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Für eine Familie aus Hamburg ist diese schreckliche Vorstellung Realität geworden.

An einem warmen Juni-Abend 2011 wurde ihr kleiner Sohn von einem 16-Jährigen auf einem Marktplatz in Hamburg entführt und danach möglicherweise missbraucht. Erst nach mehr als drei Stunden kehrte der Täter mit dem traumatisierten Kleinkind zurück. Er flüchtete, als ihn ein an der Suche nach dem Jungen beteiligter Imbissbetreiber entdeckte, konnte jedoch noch am selben Abend festgenommen werden - in einem offenen Heim des Kinder- und Jugendnotdienstes.

Die Tat wurde erst jetzt bekannt. Fast ein Jahr lang hielten Polizei und Justiz Informationen über den Fall wegen der Minderjährigkeit des Täters unter Verschluss. Inzwischen gibt es auch Vorwürfe, dass der bereits mehrfach straffällig gewordene junge Mann nicht hätte frei herumlaufen dürfen. Zum Schutz der Familie verzichtet das Abendblatt darauf, die genauen Umstände des Verbrechens zu schildern.

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Wie die Polizei ermittelte, hatte der Täter den Jungen nach St. Pauli gebracht. Es gibt Indizien, dass er sein Opfer auf dem Kiez zum Missbrauch angeboten hat. Bewiesen wurde dies nicht. Fest steht aber: Auf der Jeans des kleinen Jungen fanden Kriminaltechniker später Spermaspuren, die von dem 16-Jährigen stammten. In seiner Vernehmung gestand er die Entführung, einen Missbrauch jedoch bestritt er. In einem nicht öffentlichen Verfahren wurde der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg verhandelt. Vor sechs Wochen erging ein Urteil. Der heute 17-Jährige kam in die geschlossene Psychiatrie.

Die Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll ist die vorläufig letzte Station des Jugendlichen, der in Kinder- und Jugendheimen aufgewachsen ist. Acht Monate vor der Entführung in Hamburg hatte er in Thüringen eine Zehnjährige sexuell genötigt, wurde wegen Körperverletzung und räuberischer Erpressung verurteilt. Ende Mai 2011 flüchtete er aus einem Heim, wurde in Hamburg aufgegriffen. Ungeachtet der Vorgeschichte konnte er sich in der Hansestadt frei bewegen. Kurz darauf entführte er den Jungen. Dieser leidet bis heute unter den Geschehnissen.