Joachim Weinlig-Hagenbeck will den Familienstreit beenden. Die 24-Jährige soll sich einarbeiten und dann Geschäftsführerin werden. „Ich nehme jede Gelegenheit mit, um etwas zu lernen.“

Hamburg. Seit anderthalb Jahren Streit in der Chefetage, nervenaufreibende Gerichtstermine, Funkstille zwischen den Geschäftsführern, vergebliche Mediationsversuche und eine stark verunsicherte Belegschaft. Jetzt zieht Tierpark-Chef Joachim Weinlig-Hagenbeck die Notbremse. Nachdem Claus Hagenbeck, zweiter Geschäftsführer der traditionell als Doppelspitze aufgestellten Unternehmensführung, den für heute angesetzten Gesprächstermin vor dem Oberlandesgericht abgesagt hat, bietet der Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich seinen Rücktritt an – mittelfristig und zugunsten seiner Tochter Friederike, 24.

Blonde Haare, ein offener Blick, ein strahlendes Lachen. So sieht sie aus, die neue Mitarbeiterin im Tierpark, der das Abendblatt gestern zufällig bei ihrer Arbeit begegnete. Seit Anfang Juli klingelt bei Friederike Hagenbeck morgens um 5Uhr der Wecker. Sie zieht die grünen Arbeitsklamotten an und fährt aus ihrer kleinen Wohnung in Winterhude nach Stellingen. Im Tierpark warten die Bewohner auf Futter und die Mitarbeiter auf ihre neue Chefin in spe. Vor sechs Wochen begann Friederike Hagenbeck ihren Trainee-Umlauf im familieneigenen Unternehmen. Seitdem arbeitet sie im wöchentlichen Wechsel in allen Revieren, um die Mitarbeiter, die Tiere und die Abläufe kennenzulernen. Zurzeit sind die Orang-Utans dran, dann folgen das Tropenaquarium und die Elefanten, bevor es in den Abteilungen der Verwaltung weitergeht.

Für Friederike Hagenbeck war der Tierpark früher Abenteuer-Spielplatz

„Ich nehme jede Gelegenheit mit, um etwas zu lernen“, sagte Friederike Hagenbeck am Dienstagmittag. Da hatte sie gerade bei der Geburt eines Bisons geholfen und bei den Wapitis gleich nebenan nachgeschaut, ob es den beiden jungen Kälbern auch gut geht. Das Tierparkgelände kennt die 24-Jährige besser als alle Besucher und viele Mitarbeiter. Hier ist sie groß geworden. „Wenn der Tierpark abends geschlossen wurde, war er für meine Geschwister und mich wie ein großer Abenteuer-Spielplatz“, erinnert sie sich. Von drei Geschwistern – Dorothee, 23, studiert Humanmedizin, Benedikt, 21, beginnt gerade ein BWL-Studium – ist sie die Älteste. Nach ihrem Abitur ging Friederike Hagenbeck für ein Jahr ins Ausland, war in Kanada („Ich wollte unbedingt einen Elch sehen“) und Österreich. Dann lernte und studierte sie bis zu diesem Sommer vier Jahre lang in Hamburg bei der Berenberg Bank. Mit der Ausrichtung auf Betriebswirtschaft tritt sie in die Fußstapfen ihres Vaters.

„Eigentlich hieß es immer, dass wir alle erst etwas Eigenes machen und unser eigenes Geld verdienen sollen“, sagt Friederike Hagenbeck. Nun eröffnet der Streit zwischen ihrem Vater und Claus Hagenbeck ihr viel früher als geplant den Sprung in das Unternehmen.

Friederike Hagenbeck, deren Mutter Caroline vor acht Jahren starb, kommt das nicht ungelegen: „Im Tierpark zu arbeiten ist für mich wie nach Hause zu kommen. Es ist irgendwie erfüllender, mehr eine Aufgabe. Und die körperliche Arbeit tut mir richtig gut.“

Lange Zeit hatte Joachim Weinlig-Hagenbeck versucht, seine Kinder aus dem Streit herauszuhalten. Und wenn es nach dem Vater geht, bekommt die Junior-Chefin noch zwei Jahre Zeit, um sich auf ihre künftige Aufgabe als Geschäftsführerin vorbereiten zu können.

„Claus Hagenbeck hat den Gesprächstermin vor dem Oberlandesgericht erst zu- und dann abgesagt. Ich bedaure das sehr. Mehr kann ich dazu nicht sagen“, erklärte Weinlig-Hagenbeck am Dienstag. Nach diversen Gesprächsangeboten von seiner Seite und mehreren Angeboten, den Zwist durch ein Mediationsverfahren zu schlichten, hat er nun die Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung mit ihm als Teil der Doppelspitze aufgegeben und macht den Weg für seine Tochter Friederike frei. Der Tierpark braucht dringend eine Lösung, denn die Funkstille zwischen den Geschäftsführern lähmt das Unternehmen. Viele wichtige Entscheidungen liegen auf Eis. Die Belegschaft ist nach einer Welle von Abmahnungen und angedrohten Entlassungen stark verunsichert. „Es hilft nichts, Sie müssen miteinander reden“, hatte Richter Karsten Nevermann vom Landgericht noch vor Kurzem an beide Parteien appelliert – vergebens. Sechsstellige Anwalts- und Gerichtskosten müssen die Kontrahenten durch den Streit privat tragen. Noch schlimmer ist, dass die Familienfehde den Tierpark schwächt und seinen Ruf nachhaltig schädigen kann.

Der Eintritt von Friederike Hagenbeck in das privat geführte Unternehmen könnte die verhärteten Fronten aufbrechen. Die junge Frau arbeitet mit Leidenschaft, kennt nicht nur jede Ecke im Tierpark, sondern auch viele Mitarbeiter. Tierpfleger Volker Friedrich beispielsweise, dem sie gestern bei den Bisons half. Er begann seine Ausbildung bei Hagenbeck im selben Jahr wie Friederikes Mutter Caroline Hagenbeck, die damals in der Verwaltung anfing.

„Ich kenne Friederike noch so“, sagt Volker Friedrich leicht gerührt, misst mit den Händen etwa 50 Zentimeter ab und lobt sie dann als sehr wissbegierig: „Sie fragt immer nach und macht wirklich einen prima Job.“ Friederike Hagenbeck streichelt währenddessen einem Wapiti über die Stirn. „Total cool“ sei es, im Tierpark zu arbeiten, sagt sie. Total cool. Das ist ein Gefühl, das viele der Mitarbeiter schon lange vermissen.