Mittendrin statt Waldesrand: Auf den Campingplatz Buchholz in Stellingen kommen schon seit den 1950er-Jahren Hamburg-Reisende.

Stellingen. Die Kieler Straße, eine der lautesten in Hamburg, ist ziemlich unansehnlich und zieht sich auf sechs Spuren zur Autobahn - vorbei an Tankstellen, Schnellrestaurants und Einzelhandel. Menschen leben und arbeiten dort auch. Aber Urlaub machen? Ausgerechnet hier? Warum nicht.

Auf dem gepflasterten Hinterhof an der Kieler Straße 374, kurz vor der Autobahnauffahrt Stellingen, zelten jedenfalls tatsächlich Menschen. Manche campen mit ihren Wohnmobilen und Wohnwagen, um von hier aus Hamburg zu erkunden. Seit 1957 schon gibt es den Campingplatz Buchholz.

Auf Fehmarn war es schöner. Dort standen sie mit ihrem Wohnwagendirekt an der Ostsee auf dem Campingplatz Strukkamphuk. Nils, 4, und Timo, 2, konnten dort im Sand Burgen bauen und im Wasser planschen. Auf dem Campingplatz an der Kieler Straße können die Jungs allenfalls mit Kieselsteinen zwischen den Wohnwagen spielen. Hier die Bundesstraße, dort eine Mauer mit Wohnhäusern dahinter. Dennoch scheinen die Eltern der beiden, Corinne und Dominik Strobel aus Zürich, ganz glücklich. Gerade haben sie ihren Caravan in den engen Stellplatz manövriert. Auf dem Dach ihres Autos liegen drei Surfbretter. Braun gebrannt sind sie. "Das ist hier doch mal etwas anderes", sagt die 33-Jährige und meint das positiv. Den Campingplatz, eher ein Stellplatz, will die Familie auch nur zum Übernachten nutzen. Wie die meisten.

"Wir sind ein Transitcampingplatz", sagt Rosemarie Buchholz. Die 66-Jährige betreibt den Platz in zweiter Generation. "Das sind keine Urlauber, die kommen, sondern Durchreisende." Zwei, drei Tage bleiben sie. Jetzt in der Hochsaison ist der Platz ausgebucht. Am Wochenende sind die Cruise Days. Dann wird es richtig voll. "Unsere Gäste wollen nicht mit ihren Wohnmobilen in die Stadt fahren. Die bleiben hier und nehmen Bus, Bahn oder fahren mit dem Rad." Sieben Toiletten, fünf Duschen, sogar eine Gaststätte mit Frühstückund Snacks bietet Rosemarie Buchholz ihren Gästen. Und 30 Stellplätze mit Stromanschluss für Wohnmobile und Wohnwagen auf 3000 Quadratmetern. Zelten kann man auch. Kosten: 6,50 Euro pro Person, bis zu 15 Euro für das Wohnmobil.

Die Strobels aus Zürich wollen zwei Nächte bleiben, ehe es weitergehtnach Hause. Eine Hafenrundfahrt, das Miniaturwunderland und die Speicherstadt stehen auf dem Programm. "Ein Städteurlaub im Jahr muss sein", sagt Dominik Strobel. Das gehe gut mit Kindern. Im vergangenen Jahr waren sie in Rom. "Zu Hause in Zürich fahren wir nur Auto. Hier nehmen wir Bus und Bahn, das finden die Jungs toll."

Gut gefallen hätte es den Kindern hier sicherlich auch vor mehr als 60 Jahren. Damals, in den 1950ern, als die Eltern von Rosemarie Buchholz den Platz errichteten, verlief keine sechsspurige Bundesstraße vor der Haustür. Es gab nur wenige Häuser. Stattdessen standen überall Obstbäume, Gewächshäuser mit Blumen, es wurde Gemüse angebaut. Damals gab es viele Zeltplätze in Stellingen. Statt moderner Sanitäranlagen wie heute reichte den Campern allerdings eine Waschrinne. "Mein Großvater hat den Campern noch Stroh gebracht. Luftmatratzen hatten die ja nicht." Zelten ohne Schnickschnack. "Das war so schön hier, alles frei und unbebaut", schwärmt Rosemarie Buchholz. In dem Wohnhaus, wo heute das Campingplatzbüro, eine Gaststätte und ein Bed & Breakfast sind, ist sie geboren. Waren es in den 1970er-Jahren80 Prozent Skandinavier und 20 Prozent deutsche Besucher, ist das heute anders: Italiener, Franzosen, Schweizer und Österreicher sind in der Minderheit. Dafür kommen viele Deutsche.

Ganz beschaulich ist es an diesem Tag. Der Verkehrslärm der Kieler Straße ist kaum zu hören. Gerade räumen Erwin und Waltraud Kolb ihren Frühstückstisch vor ihrem Wohnmobil ab. Ihr Fahrzeug, einen Renault-Transporter, hat der 64-Jährige selbst ausgebaut. Ein zwei mal zwei Meter großes Bett gleich hinter Fahrer- und Beifahrersitz dient zum Schlafen. Die Rentner aus Heidenheim bei Ulm waren erst am frühen Morgen auf dem Platz angekommen. Mit ihren Fahrrädern soll es später zu den Landungsbrücken gehen. Die Helme liegen bereit.

Während sie zu Hause auf dem Land ein gut ausgebautes Fahrradnetz haben, werden sich die Kolbs im Hamburger Großstadtdschungel umstellen müssen. Ihre Stellplatznachbarn, Karin und Willi Maxeiner aus Freising bei München, verzichten daher ganz aufihre mitgebrachten Räder. "Um Gottes willen", sagt die 67-Jährige, "das ist uns viel zu gefährlich hier!"

Zwei bis drei Tage wollen Erwin und Waltraud Kolb bleiben, ehe es zu Freunden nach Geesthacht weitergeht. "Wir sind spontan. Das ist ja das Schöne beim Camping", sagt Herr Kolb, der als Maschinist auf der "Cap San Augustin", einem Schwesterschiff der "Cap San Diego", unterwegs war. Deshalb zieht es ihn nach Hamburg - die Elbe anschauen und Fernweh bekommen. Eine Tätowierung am rechten Unterarm mit einem Adler und einem Berg als Symbol seines Weges von Bayern hinaus aufs Meer stammt aus der Zeit. Mit der Seefahrerromantik ist es genauso vorbei wie mit dem Campingidyll.

Karin Maxeiner, die Bayerin mit dem kleinen Wohnmobil, sagt: "Die Reichen gehen campen, die Armen gehen ins Hotel." Damit meint sie diejenigen, die mit Wohnmobilen unterwegs sind, in die noch ein Kleinwagen passt. Die findet man an diesem Tag nicht auf dem Campingplatz an der Kieler Straße.