Teppich-Curling wird in Seniorenkreisen immer beliebter. Am Wochenende gab es das erste größere Turnier mit zwölf Mannschaften in Hamburg.

Hamburg. Erst rumpelt es nur dumpf, dann dringt Gejohle durch den Flur. Und wenig später steht man drin, im Raum "Hanseat" der Seniorenresidenz Alsterpark. Zwölf Herrschaften, im Durchschnitt 85 Jahre alt, fokussieren einen langen, grünen Teppich mit aufgemalter Zielscheibe. Sie tragen Cordhose, Hemd und Blümchenblusen. Und als sich der 89 Jahre alte Rudolf Ahrens bückt, zu einem Teller mit Stiel greift, Schwung holt und das Ding etwas unsauber aufsetzt, um es über den Teppich gleiten zu lassen, ist auch das Rumpeln lokalisiert. Hier trainiert Hamburgs älteste Sportgruppe.

Teppich-Curling nennt sich diese junge, besonders bei Senioren beliebte Sportart, die dem Stockschießen ähnelt. Es ist das Abschlusstraining für das erste größere Turnier in Hamburg. Zwei Tage später werden sich sieben Spieler des Teppich-Curling Clubs Alsterpark (TCC) mit Spielern aus elf weiteren Teams messen. Teppich-Curling, jene eisfreie Variante des Curlings, gilt als gelenkschonender Alterssport. Niemand muss einen rutschigen Schmierfilm aufs Eis feudeln. Der Curl, also der Teller mit Stiel, muss nur geschmeidig über den Teppich rutschen, um nach 14 Metern möglichst zentral im Zielkreis zu landen. "Auf den richtigen Schwung kommt es an", sagt Rudolf Ahrens.

+++ Vom Eis auf den Teppich +++

+++ 2030 ist jeder dritte Hamburger älter als 60 Jahre +++

Dieser Meinung ist beim Sonntagsturnier im Sportzentrum des Eimsbütteler Turnverbands (ETV) auch Martin Heinrich, 91. Mit seiner 74-jährigen Gefährtin Heinke Braband spielt er gerade gegen ein Berliner Team um den Einzug ins Halbfinale. "Am besten umfasst man den Curl mit der ganzen Hand, sodass der Griff zwischen dem Daumen und den übrigen Fingern steckt", erklärt Heinrich. "Je tiefer man in die Knie geht, desto mehr Schwung bekommt man." Heinrich schreitet zur Tat: Zügig rutscht der Curl über den Teppich, bleibt im inneren Kreis stehen. Drei Punkte. Die Umstehenden klatschen, dann, als es weitergeht, sind sie ruhig. Die Wettkampfatmosphäre: hoch konzentriert. "Jeder will gewinnen", sagt Heinke Braband. "Aber jeder kann auch verlieren", ergänzt Teamkollege Heinrich. Aufmerksam verfolgt das Duo, was die Konkurrenten aus Berlin machen. Drei Punkte, also Gleichstand.

Seit drei Jahren steht den Alsterdorfer Senioren das 8500 Euro teure Teppich-Curling-Equipment in ihrer Residenz zur Verfügung. "Als wir von der Sportart gehört haben, haben wir sofort eine Anlage gekauft", sagt Lutz Richter, Leiter der Seniorenresidenz. Inzwischen hat die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft, die noch zwei weitere Seniorenresidenzen in Hamburg betreibt, für jedes Haus eine Anlage. "Seitdem wir eine haben, ist hier jeden Freitag großes Gebrüll", sagt Rudolf Ahrens. Eine Stunde pro Woche wird trainiert. Vorher hatte der Senior nie etwas mit Sport am Hut.

Geboren wurde das Teppich-Curling in Skandinavien. "Darum sind unsere Curls auch gelb und blau - in den schwedischen Nationalfarben", sagt Ahrens. 4,2 oder 3 Kilogramm schwer sind die Spielgeräte. Um sie butterweich über den Teppichstoff gleiten zu lassen, machen sich die Senioren in kleiner Gymnastikrunde warm. "Schultern hoch!", ruft Senta Klein. "Und jetzt nach vorn kreisen!" Die 91-Jährige kann super ihre Schultern warmkugeln, sieht aber wegen einer Augenkrankheit fast nichts mehr. Dennoch ist sie freitags mit dabei. "Ich muss ja nur geradeaus werfen", sagt sie.

Tatsächlich ist das Geheimnis des Teppich-Curlings seine bestechende Einfachheit. "Man muss nicht trainiert sein", sagt Ilse Wilken, optisch eine Astrid-Lindgren-Doppelgängerin und auch schon 89 Jahre alt. Im Prinzip sei es wie beim Kegeln: Schwung holen, Griff loslassen und dem Curl die Freiheit des Gleitens geben. Weil die Mitspieler links und rechts des grünen Teppichs sitzen, entsteht ein kleiner Korridor, der den Sport zu einer durchaus kommunikativen und stimmungsvollen Sache macht. "Gut gemacht, Ilse!", heißt es von einer Seite.

Inzwischen bieten immer mehr Seniorenanlagen sportliche Ertüchtigung an. "Der demografische Wandel geht auch an uns nicht vorüber", sagt Residenzleiter Lutz Richter. Soll heißen: Immer mehr Ältere wollen nicht nur versorgt werden, sondern fit bleiben und sich vergnügen. Diese Tendenz spiegelt sich auch in den Gesundheitssportangeboten des Hamburger Sportbundes, wo sich die Zahl der Aktiven vervielfachte. Viele von ihnen sind ältere Menschen.

Das Teppich-Curling kam dabei zuerst über die dänische Grenze nach Schleswig-Holstein und nach Berlin, wo es im Jahr 2007 erstmals angeboten wurde. Seitdem werden auch hierzulande Beweglichkeit und Koordination geschult. "Klar will ich auch gewinnen, wenn ich schon spiele", sagt Rudolf Ahrens. "Aber im Vordergrund steht der gesellige Austausch." Für besondere Anlässe haben sich die Alsterdorfer gelbe Poloshirts besorgt. Damit stärkt der TCC bei Turnieren den Auftritt.

Zwei ETV-Vertreter, Doris Viktoir und Dieter Römhild, sind es, die am Sonntagnachmittag das Turnier als beste Hamburger abschließen: Sie sind die Drittplatzierten. Heinke Braband und Martin Heinrich landen auf Platz fünf. "Klasse!", beglückwünschen sie sich. Das Finale haben soeben zwei Berliner Mannschaften unter sich ausgemacht.