Im Mittelweg-Club sollen Anwohner, Grundeigentümer und Gewerbetreibende ihren Stadtteil entwickeln und die “Marke“ Mittelweg stärken.

Rotherbaum/Harvestehude. Erst kommt die Alte Rabenstraße, dann die Elbe, Paris, der Atlantik und ganz hinten, am Horizont, New York. In der Mitte der Zeichnung von Joe Mc Dickel liegt eine der bekanntesten Straßen Hamburgs: der Mittelweg - als Nabel der Welt quasi. Georg Pohl hat das Plakat stets griffbereit, wenn es darum geht, seine Idee vom Mittelweg zu unterstreichen. Für den 52-Jährigen, der sich selbst gern als Netzwerker und Ideengeber bezeichnet, ist die Straße zwischen Dammtor und Harvestehuder Weg die "Grande Dame" unter den Straßen Hamburgs, eine Straße mit Profil, Charme und viel Charakter. "Ein Ort voller prominenter und renommierter Anrainer, eine Straße mit Geschichte und Zukunft", wie Pohl es ausdrückt. Geschichte, die Pohl, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Treuhandstelle Hamburg e. V. (GTS), pflegen will. Zukunft, die er mitgestalten möchte.

Aus diesem Grund will Pohl gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen, der Notarin Eurydice Voigt, Maklerin Violetta Kielpinski und Rechtsanwältin Regine Kasch, den Mittelweg-Club gründen. "Der Klub soll ein Ort der Imagination, der Inspiration und Vision sein, eine Art 'Gar-Küche' für innovative Impulse, die vielleicht schon in den Mittelweg-Gesprächen entstanden sind", sagt Pohl. Regelmäßig treffen sich hier Interessierte, Geschäftsleute und Privatmenschen, um konstruktiv über ihren Stadtteil zu diskutieren und sich über bedeutsame Themen auszutauschen. "Es geht dabei von Nachbarschaftsbildung bis Standortmarketing", sagt Pohl. Oder einfacher formuliert: um die "Marke" Mittelweg.

Jetzt sollen die Ideen aus den Gesprächen umgesetzt werden. "Und dazu brauchen wir den Klub", sagt Pohl. Ziel sei, Infrastruktur und Erfahrungswissen aus der unmittelbaren Nachbarschaft besser zu nutzen und Bewohner, Gewerbetreibende, Grundeigentümer und Forschungsinstitutionen an einen Tisch zu bringen und die vorhandenen Kräfte für den Stadtteil zu bündeln. Dabei könne es auch um Inhalte wie Mietwucher und Vertreibung von Einzelhändlern gehen. Themen, die vielen Mittelweg-Anrainern am Herzen liegen. Denn seit der Sperrung des Harvestehuder Wegs vor elf Jahren hat sich der Mittelweg weg von der Einkaufsmeile zur Durchfahrtsstraße gewandelt. Zeitgleich sind die Mieten immer weiter angestiegen, sodass viele kleine Händler ihre Geschäfte schließen mussten. "Diese Entwicklungen haben dem Mittelweg ganz schön zugesetzt", sagt Magnus Gerdsen, der seit 13 Jahren die Galerie Gerdsen am Mittelweg 152 führt. "Früher hatten wir hier einen Buchladen, viele Boutiquen und Galerien." All das sei weggebrochen. "Wenn wir wollen, dass unsere Straße wieder attraktiver wird, müssen sich alle im Klub engagieren und an einem Strang ziehen - auch die Eigentümer."

Genau das möchte Georg Pohl erreichen: "Dass die Menschen vor Ort nicht vom sinkenden Schiff springen, sondern die Ruder selbst in die Hand nehmen." Die Idee für den Mittelweg-Club kam Pohl, der seit fünf Jahren bei der GTS dafür sorgt, Spender mit gemeinnützigen Organisationen zusammenzubringen, bei einem seiner ersten Spaziergänge durch den Mittelweg. Dort, in dem Haus mit der Nummer 147, liegt sein Büro. Vom Fenster aus blickt er auf das von Jan-Philipp Reemtsma gegründete Hamburger Institut für Sozialforschung am Mittelweg 36. Zwei Häuser weiter liegt das Gebäude der Deutschen Presse-Agentur. Es sind nur zwei von vielen bedeutenden Institutionen am Mittelweg, der auch deshalb einen Sonderstatus in Hamburg genießt, weil die Art der Hausnummerierung vom Hamburger Prinzip abweicht, wonach stadtauswärts die Nummern aufsteigen, links die ungeraden Nummern, rechts die geraden.

Die Nummerierung am Mittelweg beginnt mit der Nummer neun, geht auf der linken Seite stadtauswärts hoch bis zum Haus Nummer 69 und auf der anderen Seite stadteinwärts weiter. Das letzte Haus mit der Nummer 187 liegt quasi gegenüber dem ersten Gebäude. Es ist das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, das ebenso am Mittelweg residiert wie die Staatliche Jugendmusikschule, das spanische, das ägyptische und das argentinische Konsulat. Hinzu kommen Restaurants und Bars mit Geschichte. Wie die Kultkneipe Zwick, das alte Onkel Pö, wo einst Gottfried Böttger, Udo Lindenberg und Otto Waalkes jammten.

All diese Einrichtungen möchte Georg Pohl im Mittelweg-Club bündeln. Seine Vision geht sogar noch einen Schritt weiter. Aus dem Klub könnte das Mittelweg-Forum entstehen, in dem gemeinnützige Einrichtungen und Firmen den Klubmitgliedern einen Platz zum Umsetzen ihrer Visionen bieten. "Organisationen und Unternehmen könnten hier gemeinsam einen mittleren Weg, einen Königsweg gehen und Ideen und Interesse mit Ressourcen und Erfahrung verbinden", sagt Pohl.

Und damit alle in der Nachbarschaft von dieser Idee profitieren können, hat Georg Pohl auch Unternehmer angesprochen, die nicht direkt am Mittelweg ansässig sind, die aber daran interessiert sind, die Welt vor Ort zu gestalten. So wie Mario Em Sadek, der in der Milchstraße das Restaurant Via del Latte betreibt. "Wir müssen dafür sorgen, dass der Mittelweg sein Flair behält", sagt der Gastronom. "Das funktioniert am besten, wenn wir Anrainer zusammenhalten, uns austauschen und gegenseitig unterstützen." Mit dem Klub könne dem Viertel ein "Gesicht" gegeben und außerdem ein Gegentrend zu Facebook geschaffen werden. Denn auch darum geht es. "Um reale Beziehungen", sagt Mario Em Sadek. "Darum, dass die Menschen wieder miteinander reden."