Neue Grundstücksbefestigung verläuft mitten durch die Beete. Mieter an der Bornstraße sind entsetzt über geplante Mauer.

Rotherbaum. Es ist eine grüne Oase mitten in der Stadt. Ein idyllischer Hinterhof an der Bornstraße, in dem die Mieter seit Jahren im Sommer Ruhe und Erholung finden und sich an der großartigen Blumenpracht erfreuen. Doch damit ist es nun wohl vorbei. Wenn es nach dem Willen der Besitzerin der Häuser Bornstraße 10/11 geht, wird in Kürze eine rund 50 Meter lange und ein Meter hohe Betonmauer das Pflanzenparadies in seiner gesamten Länge durchschneiden.

Als das Hochglanzmagazin "Der Hamburger" sich vor zwei Jahren aufmachte, um in der Stadt hinter bisher unentdeckte Fassaden zu gucken, zählte auch der Hinterhof an der Bornstraße zu den 47 "heimlichen Highlights und zauberhaften Idyllen" der Hansestadt. "Das grüne Paradies im Hof der aus der Jahrhundertwende stammenden Miethäuser im Stadtteil Rotherbaum", so die Begründung, "ist nicht etwa das Werk eines berühmten Gartenarchitekten, sondern Ergebnis des grünen Willens einer einzigen Bewohnerin - zur Freude aller."

Diese Mieterin heißt Sybille Weinrich und wohnt seit 40 Jahren im Haus Bornstraße 10. Damals verschandelten noch verrottete Möbel, gebrauchte Autoreifen, Müll und Glasscherben den Hof. Doch nach und nach verwandelte die Hamburgerin zusammen mit anderen Mietern den tristen Schandfleck in ein grünes Biotop. "Wir haben viel Geld und Zeit investiert, es hat uns aber auch viel Spaß gemacht", sagt Sybille Weinrich. Sie haben aus einer "Brennnessel-Wüste" eine bunte Wiese gemacht, außerdem Büsche und einen Komposthaufen angelegt.

Heute blühen hier von Frühling bis in den Herbst hinein Wildtulpen und Rosen, Hortensien und Schmetterlingssträucher. "Ich kenne die Geschichte jeder einzelnen Blume. Hier wachsen bestimmt 150 verschiedene Pflanzen", sagt Sybille Weinrich. Und das zur großen Freude der Bewohner der sieben Wohnungen der Häuser Bornstraße 10/11 und der rund 30 Mietparteien aus den Häusern 7 a-d. Diese stoßen im rechten Winkel an das Vorderhaus an, sodass die Bewohner den Hof in seiner gesamten Länge nutzen können. Und die fortan gegen eine hohe Wand gucken sollen, anstatt auf ihre liebevoll angelegten, schräg nach oben verlaufenden Beete.

Der Grund: Bisher verlief die imaginäre Grundstücksgrenze von Haus Nummer 10 durch die prächtigen Beete, die vielleicht einen halben Meter in das lang gezogene Grundstück ragen. Warum sie nun "durch einen hässlichen Grenzwall", so die Mieter, ersetzt werden soll, versteht niemand.

"Im Sommer ist der Hof ein Treffpunkt für alle. Hier toben die Kinder ohne Zäune, hier wird man schnell mal von den Nachbarn zum Kaffee eingeladen. Das ist wie op'n Dörp - mitten in der Stadt", sagt Werner Heine, stellvertretend für sämtliche Bewohner. Diese wurden erstmals aufgeschreckt, als sie vor einem halben Jahr ein Anwaltsschreiben bekamen, in dem ihnen vorgeworfen wurde: "Sie nutzen Ihr Grundstück widerrechtlich."

Bei einem Ortstermin mit Julia Seydelmann, der Hausbesitzerin der Bornstraße 10/11, versuchte Werner Heine der Stuttgarterin klarzumachen, dass es unter allen Mietern eine völlige Einvernehmlichkeit hinsichtlich Nutzung und Pflege gebe. Und dass die Mieter zugleich auch Gärtner seien, die kostenlos ein fremdes Grundstück pflegten, umgestürzte Bäume entsorgten und sich auch nicht darüber aufregten, dass deren Blätter ihre Dachrinnen verstopfen.

Der gemeinsame Protest war jedoch bisher vergeblich. "Wir brauchen nicht zu diskutieren, die Entscheidung für die neue Befestigung des Grundstücks ist längst gefallen", bekamen sie zur Antwort. In der vergangenen Woche war Julia Seydelmann erneut vor Ort. Sybille Weinrich: "Sie hat gesagt, wir könnten den Garten weiter wie bisher nutzen. Es bleibe aber dabei, dass sie ihr Grundstück neu begrenzen will."

Während einer der Eigentümer einer Wohnung aus der Bornstraße 7 der Stuttgarter Hausbesitzerin schriftlich untersagt hat, sein Grundstück zu betreten, um dort Veränderungen vorzunehmen, lagern die großen Betonblöcke schon im Hinterhof und warten darauf, in den Beeten vergraben zu werden.

Ungeklärt ist auch, was mit den Bäumen passieren wird. Die Verwalter der Wohnungen 7a-d haben Julia Seydelmann per Brief zur Klärung aufgefordert, wie mit den Bäumen weiter verfahren werden soll, "da hier bei den Grundstücksbefestigungsarbeiten erhebliche Erdarbeiten im Bereich der Bäume durchgeführt werden sollen, welche die Standfestigkeit der Bäume noch weiter gefährden wird".

Gegenüber dem Abendblatt begründete die Seydelmann GmbH ihr Vorgehen vor allem mit haftungsrechtlichen Gründen. Da von den Eigentümern und Mietern der Häuser 7a-d der Vorwurf erhoben wurde, das Nachbargrundstück würde abrutschen und ihr Grundstück gefährden, sei man allein aus diesem Grund verpflichtet, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen und eine neue Grundstücksbefestigung zu errichten. Die Beeinträchtigung des Ausblicks betreffe auch nur die Souterrainebene, da die neuen Steinelemente auf dem bisherigen Niveau des Grundstücks Bornstraße 10/11 enden würden.

Die Befürchtung der Mieter allerdings, dass die neue Befestigung womöglich nur der Anfang für ein größeres Bauvorhaben auf dem attraktiven Innenstadt-Grundstück sein könnte, scheint unberechtigt. Weitere Baumaßnahmen, so ließ die Besitzerin verlauten, seien nicht geplant.