Hamburg. Die Natur kann grausam sein: 20 Jungtiere wurden aus dem Horst geworfen. So viele wurden großgezogen. Das sind die Zahlen für Hamburg.

Die Brutsaison der Hamburger Störche begann in diesem Jahr wieder sehr früh: Schon Mitte Februar waren die ersten Vögel aus dem Süden in ihre Nester in Kirchwerder und Altengamme zurückgekehrt. Da in den Wochen darauf gleich in mehreren Nestern drei Küken gesichtet wurden, hatte Storchenvater Jürgen Pelch aus Kirchwerder bereits die Hoffnung, dass es in diesem Jahr ein ähnlich gutes Brutergebnis wie in 2021 geben könnte: 29 Paare hatten da insgesamt 77 Küken großgezogen. Das war absoluter Rekord.

Gut vier Monate später steht nun aber fest, dass die Anzahl der Küken in diesem Jahr hinter dem Rekordergebnis zurückbleibt: Insgesamt haben 30 Brutpaare in Hamburg 61 Jungstörche aufgezogen, wie der Naturschutzbund Hamburg (Nabu) am Montag auf dem Milchhof Reitbrook bilanzierte. 29 Paare haben in den Vier- und Marschlanden gebrütet und eins im Süderelberaum.

Horst der Nabu-Internetstars Erna und Fiete kann per Webcam beobachtet werden

Denn längst nicht überall, wo zunächst drei Küken geschlüpft waren, sind auch drei Jungvögel erfolgreich aufgezogen worden: „Einige Brutpaare konnten die Aufzucht von drei Jungstörchen nicht leisten, weil sie nicht genügend Futter für ihren Nachwuchs fanden“, resümiert Jürgen Pelch. Gerade wenn die Küken erst geschlüpft sind, sind sie zu klein, um Mäuse oder Frösche zu fressen. Sie sind dann darauf angewiesen, dass ihre Eltern ihnen Regenwürmer, Käfer oder Insekten in den Schnabel stecken. Doch wenn sie nicht genügend finden, werfen die Altvögel schon mal ein Küken aus dem Nest.

„Mindestens 20 Jungvögel wurden von den Altvögeln aus dem Nest geworfen, weil nicht genug Nahrung da war“, so der ehrenamtlich arbeitende Storchenvater weiter. Das ist in diesem Jahr auch bei den Nabu-Internetstars Erna und Fiete vom Achterschlag passiert, deren Horst per Webcam beobachtet werden kann. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es in einer Brutsaison schon einmal so viele verstoßene Jungstörche gab“, erzählt Jürgen Pelch, der sich seit 47 Jahren ehrenamtlich um den Storchenschutz in Hamburg kümmert.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher machte sich vor Ort ein Bild

Zumindest drei Jungvögel überlebten den Sturz aus dem Nest und wurden von Jürgen Pelch aufgenommen, der die Tiere aufpäppelte, bis sie von der Storchenstation Erfte bei Bergenhusen übernommen wurden. Grund für die Nahrungsknappheit ist vermutlich das sehr trockene Frühjahr. „Ich bin aber froh, dass es immerhin 61 Jungstörche geschafft haben, groß zu werden. Das ist ein ordentliches Ergebnis für so ein schwieriges Jahr“, sagt Jürgen Pelch.

Storchenvater Jürgen Pelch mit Bürgermeister Peter Tschentscher bei der Vorstellung der Brutbilanz in Reitbrook.
Storchenvater Jürgen Pelch mit Bürgermeister Peter Tschentscher bei der Vorstellung der Brutbilanz in Reitbrook. © BGZ/Diekmann | Lena Diekmann

Von der Situation der Weißstörche machte sich auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher ein Bild auf dem Milchhof, wo insgesamt drei Jungstörche in etwa zwei bis drei Wochen das elterliche Nest verlassen werden. „In keiner anderen deutschen Großstadt gibt es so viele Storchenpaare und Jungstörche wie in Hamburg. Sie brauchen dafür geeignete Naturflächen, die der Nabu und der Senat in einer gemeinsamen Strategie bereitstellen.

„Der Klimawandel ist auch in Hamburg angekommen“

Zehn Prozent der Landesfläche werden nach unserem Vertrag für Hamburgs Grün unter Naturschutz gestellt. Das ist ein Spitzenwert unter den Bundesländern“, stellt Peter Tschentscher fest und bedankte sich beim Nabu und allen Unterstützerinnen und Unterstützern, die sich so engagiert für die Storchenpflege und den Umweltschutz in Hamburg einsetzen.

Nabu-Vorsitzender Malte Siegert zeigt sich aber auch besorgt über die Folgen des Klimawandels für den Artenschutz: „Zu wenig Regen im Frühjahr, Hitzesommer, dann wieder lokale Starkregen-Ereignisse – der Klimawandel ist auch in Hamburg angekommen. Den Weißstörchen machen diese Veränderungen zu schaffen. Damit Hamburg sich auch in Zukunft mit seiner Storchenpopulation schmücken kann, muss der Klimaschutz stärker vorangetrieben werden. Sonst kennen unsere Kinder Störche bald nur noch aus den Märchenbüchern.“