Herzbrücke: Familie Füßle unterstützt Hilfsprojekt und nimmt afghanischen Jungen bei sich auf

Die schwere Tür der schönen alten Kate - erstmals 1662 urkundlich erwähnt - öffnet sich. Schwarzer Bubikopf, tief braune Augen und ein spitzbübisches Lächeln: "Ich bin Mustafa", sagt der Junge, der sie kurz geöffnet hat, um gleich danach wieder zu seinen "Gastgeschwistern" zu rennen. Der Sechsjährige lebt seit dem 6. Mai bei Familie Füßle am Kirchwerder Elbdeich und gehört zu einer Gruppe afghanischer Kinder - zwei Jungen und fünf Mädchen -, die dank des Projektes "Herzbrücke" eine lebensrettende Operation in Hamburg erhielten.

Bei Mustafa war die rechte Herzkammer im Bereich der Einmündung in die Lungenarterie höchstgradig eingeengt. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagt Professor Dr. Friedrich-Christian Rieß, Chairman des Albertinen-Herzzentrums und Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie, der Mustafa operierte und das Projekt "Herzbrücke" 2005 gemeinsam mit Kollegen ins Leben rief. "Ohne die Operation wäre der Junge sehr bald an einem Versagen der rechten Herzkammer gestorben." Nun aber liegt sein ganzes Leben noch vor ihm.

Zurzeit spielt es sich am Elbdeich ab - bei Gesa und Andi Füßle und deren Kindern Alma (5) und Anton (4). Sie sind mit Familie Eichholz befreundet, die bereits drei "Herzbrücke"-Kinder bei sich aufnahm. "Es ist noch gar nicht solange her, da sagte ich zu Brigitte Eichholz, dass ich mir so eine Gastelternschaft auch vorstellen könnte", erzählt Gesa Füßle. "Und eh' wir uns versahen, hieß es: Am 6. Mai trifft die nächste Gruppe ein." Die Lektorin und Übersetzerin sagt rückblickend: "Wir haben es uns schwieriger vorgestellt." Ihr Mann, der an der Bergedorfer Musikschule Quer- und Blockflöte unterrichtet, nickt zustimmend.

"Auf dem Flughafen wirkte Mustafa gefasst und sehr ernst", erinnert sich Andi Füßle, "aber er kam bereitwillig mit uns mit." Die Kinder verstanden sich auf Anhieb, wenngleich Alma "lieber eine Schwester gehabt" hätte. Anfangs verständigten sie sich mit Händen und Füßen, mittlerweile kennt der Junge aus Logar - etwa 90 Autominuten südlich von Kabul - viele deutsche Wörter und Redewendungen. Dabei hatte die 37-Jährige eigens angefangen, Farsi zu lernen. "Aber Mustafa spricht Paschtu und lernt viel schneller Deutsch als ich jemals seine Sprache hätte sprechen können", sagt Gesa Füßle lachend.

Das Paar empfindet sein Gastkind als sehr folgsam. Zudem wasche es sich ausgesprochen gründlich. "Auch die Zähne werden super geputzt", sagt die Gastmutter. Dem 37-jährigen Gastvater fiel auf, dass sein Zögling "technisch versiert" ist. "In jüngster Zeit hat Mustafa aber eine gewisse Wehleidigkeit für sich entdeckt", sagt Gesa Füßle amüsiert. "Das liegt wahrscheinlich daran, weil unsere Kinder gern und schnell Theater machen. Er muss es sich abgeguckt haben." Denn nach dem schweren Eingriff sei er kein bisschen larmoyant gewesen.

Mustafa hat sich gut eingelebt in Kirchwerder. Alma begleitete er in den Kindergarten, danach besuchte er die Vorschule. Der Freitag ist und bleibt für ihn aber ein besonderer Tag. In seinem Heimatland haben die Menschen frei, nehmen am Freitagsgebet teil und verbringen den Tag im Kreise ihrer Familie. Mustafa ruft seine Familie jeden Freitag an. "Er telefoniert mit allen", sagt Gesa Füßle, "und ist dann immer sehr traurig."

Am 26. Juli treten die sieben "Herzbrücke-Kinder" die Heimreise an. Auf die Frage, ob sie sich ein zweites Mal ein Gastkind vorstellen können, antwortet Andi Füßle: "Das kommt auf Anton an. Er und Mustafa sind ja ganz dick. Sollte er unter dem Abschied sehr leiden, werden wir es wohl nicht wiederholen - zumindest nicht so schnell." Ein bisschen Zeit bleibt den beiden Jungs aber noch, ihre dicke Freundschaft zu genießen.