Meister kritisieren Politik: Abgeordnete fordern Betriebe auf, für sich zu werben

Handwerker-Aschermittwoch im Alt Lohbrügger Hof: Wer angenommen hatte, das Podium mit den Spitzenkandidaten zur Bezirksversammlungswahl Ende Mai würde deutliche politische Vorlieben zu Tage fördern, sah sich getäuscht. Ob CDU- oder SPD-Fraktionschef, die Vorsitzenden von Grünen und Linken oder die Vertreter von FDP und Piraten - alle mussten sich teils bohrenden Fragen stellen. Bekenntnisse wie, im Bezirk Bergedorf genieße "das Handwerk hohen Stellenwert" und "besondere Wertschätzung", genügten den Handwerksmeistern nicht. Besonders die zahlreichen Betriebsinhaber aus den Vier- und Marschlanden machten ihren Unmut deutlich, beklagten etwa Benachteiligungen bei der Vergabe von Gewerbeflächen oder den schlechten Straßenzustand.

"Eine vernünftige Infrastruktur ist die Grundbedingung unserer Arbeit", mahnte Jörg Ungerer, der als Vertreter der Handwerkskammer neben den Fraktionsvertretern und Moderator André Herbst vor rund 60 Gästen auf dem Podium saß. Intakte Straßen seien unverzichtbar, damit Kunden und Mitarbeiter heil ans Ziel kommen. Diesen Aspekt konnten alle Politiker nachvollziehen, dämpften aber sofort die Erwartungshaltung: Die Umgestaltung des Weidenbaumswegs lasse 2014 für andere Maßnahmen im Bezirk Bergedorf kein Geld übrig.

"Wir müssen Prioritäten setzen und haben uns gemeinsam entschieden, diese letzte Lücke in der City zu schließen", sagte Stephan Jersch (Linke). Ihm sei bewusst, dass der Sanierungsstau von Jahr zu Jahr größer werde: "Da ist Hamburg in der Pflicht, den Bezirken mehr Geld für die Straßensanierung bereitzustellen." Um die Straßen zu schonen, solle unbedingt der Durchgangsverkehr reduziert und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver gemacht werden, forderte Jan Penz (Piraten). Damit würde zugleich Platz geschaffen für Handwerk und Lieferverkehr, sagte Liesing Lühr (Grüne): "Der Wirtschaftsverkehr muss fließen."

Für erhebliche Kritik sorgte erneut Hamburgs Bildungspolitik. Die verbreitete Meinung der Handwerker brachte Andreas Benson auf den Punkt: "Die Zahl der Gymnasiasten und Abiturienten wird in Deutschland immer größer, liegt inzwischen bei 50 Prozent. Sind die Schüler heute schlauer als früher? Und wo sind dann die guten Haupt- und Realschüler, die wir früher als Lehrlinge gewinnen konnten?" Lühr sieht vor allem die Eltern in der Pflicht: "Viele Eltern greifen nach den Sternen, wollen unbedingt, dass ihr Kind auf einem Gymnasium Abitur macht." Weil sie die Leistungen dort nicht erbringen können, gebe es viele Rückläufer zur Stadtteilschule. "Wenn die Laufbahn jedoch mit einem Misserfolg beginnt, prägt das die Kinder für die weitere Zukunft", warnte Lühr. Deshalb müsse die Akzeptanz der Stadtteilschulen gefördert werden.

Paul Kleszcz (SPD) sieht beim Image des Handwerks Förderbedarf: "Das Handwerk ist nicht sexy genug." Junge Leute locke das hohe Ansehen eines Arztes oder Ingenieurs. Ein Installateur schneide dagegen schlecht ab. Dass dahinter aber durchaus ein hoch anzusehender Beruf mit guter Bezahlung steckt, müsse das Handwerk den jungen Leuten vermitteln. Kleszcz: "Die Imagekampagne ist ein Schritt in die richtige Richtung."

Firmensenior Hans Burwieck übte scharfe Kritik an den Ergebnissen aktueller Bildungspolitik. "Wer wie ich vor Jahrzehnten seinen Volksschulabschluss gemacht hat, hat dann trotzdem Karriere gemacht - wir konnten aber auch rechnen und fehlerfrei und leserlich schreiben."

In dem Punkt sieht auch CDU-Spitzenkandidat Sven Noetzel Handlungsbedarf: "Das Leistungsgefälle in den Schulen ist einfach zu groß. Wir sollten nicht erst überlegen, wie man die Kinder aus dem Brunnen holen kann, sondern erst gar nicht so viele in den Brunnen fallen lassen."

Ein anderes Thema treibt Julius Bendschneider um. Dass er und seine Mitstreiter keine Fläche in den Schleusengärten für einen Handwerkerhof samt Ausstellungsräumen erhalten haben, hat der Tischler inzwischen verwunden - er baut seinen angestammten Standort in Kirchwerder aus. Ärger herrscht weiterhin wegen der angebotenen Ersatzfläche am Rande von Bergedorf-West. Und weil die Politik nicht verstehen mag, warum daraufhin mehrere Handwerker vom gemeinsamen Vorzeigeprojekt Abstand genommen haben. "Ich wüsste gern nur ein Vorhaben in den vergangenen Jahren, wo die Politik uns nicht nur gelobt hat, sondern etwas für uns erreicht hat."

Dafür wisse er kein Beispiel, gestand Sven Eichner (FDP) ein: "Wir müssen ehrlich sein. Es gibt wohl keinen im Bezirk, der gezielt gefördert worden ist." Er riet den Handwerkern, sich aktiv um Flächen zu bemühen, frühzeitig das Gespräch zu suchen und das neue Gewerbeflächenkonzept zu nutzen. Mit Blick auf die Vier- und Marschlande mahnte Paul Kleszcz: "Für jeden Betrieb einen Bebauungsplan zu ändern, ist aber nicht möglich."