Amtsgericht: Lkw-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung verurteilt - Nebenklage kritisiert Verfahren

Das Bergedorfer Amtsgericht hat den Lastwagenfahrer Kai I. aus Kirchwerder wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wird auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Der 34-Jährige war am 9. August letzten Jahres bei einem missglückten Überholmanöver auf dem Ruschorter Hauptdeich (Spadenland) mit einer entgegenkommenden Gruppe von mehr als 20 Rennradfahrern kollidiert. Der 33 Jahre alte Radler Gordian G. war sofort tot, drei weitere Sportler wurden teils schwer verletzt. "In der Situation hätte man nicht überholen dürfen, die Straße war zu eng, um die gebotenen Sicherheitsabstände einzuhalten", begründete Richter Dr. Fräßdorf. Er folgte mit seinem Urteil exakt der Strafforderung der Staatsanwältin.

Vor der Verkündung des Urteils, das der Angeklagte umgehend annahm, hat sich Kai I. in einem bewegenden Schlusswort an Vater und Bruder des getöteten Radfahrers gewendet. Unter Tränen, fast flehentlich, bat er um Entschuldigung: "Es tut mir unendlich leid, was passiert ist", schluchzte der Angeklagte. "Ich erwarte meine Strafe und habe sie auch verdient. Ich habe Ihnen den Sohn genommen, und ich kann das nicht mehr gutmachen. Bitte verzeihen Sie mir, wenn Sie können." Vater und Bruder nahmen diese Worte regungslos entgegen. "Die Entschuldigung kommt zu spät", entgegnete Wolf Römming, der Anwalt des Vaters, der im Prozess als Nebenkläger auftrat. "Das klingt nach Selbstmitleid und mutet nach einer taktischen Maßnahme der Verteidigung an", sagte Römming. "Die Hinterbliebenen hätten sich eine frühere Kontaktaufnahme gewünscht." Entsprechend lehnte der Vater auch nach dem Prozess ein Gesprächsangebot von Kai I. auf dem Flur ab.

Der zweite Verhandlungstag konzentrierte sich auf die Kernfrage des Prozesses: Die Fahrlässigkeit des tödlichen Überholmanövers. "Das musste einfach schiefgehen", berichtete der Zeuge Clemens B., der an zweiter Stelle in der Radfahrergruppe fuhr. Der gelbe Lastwagen sei schon deutlich auf der Gegenspur gewesen, bevor er die Gruppe erreichte. "Ich habe den Luftzug gespürt, 'Achtung!' geschrien, da hat es schon geknallt, Gordian hatte keine Chance."

Unfallsachverständiger Dipl. Ing. Albrecht Hocks bestätigte dies. Die Deichstraße sei 5,90 Meter breit, die in korrekter Zweierreihe fahrenden Rennradfahrer etwa 1,30 Meter. "Der Lkw war mindestens mit halber Breite auf der Gegenfahrbahn. Da war nicht genügend Platz, um mit einem Lastwagen in ausreichendem Sicherheitsabstand zu passieren."

Der angeklagte Lastwagenfahrer hatte dem Vorwurf der Fahrlässigkeit zu Beginn des Prozesses zunächst widersprochen. "Ich hatte genug Platz, fuhr problemlos an der Kolonne vorbei." Erst am Ende des Überholvorgangs sei das spätere Unfallopfer plötzlich aus der Zweierreihe ausgeschert, behauptete Kay I. Doch elf Zeugen, die mit ihren Rennrädern in der Gruppe der "RG Uni" trainierten, schätzten den Überholvorgang anders ein - als "zu knapp, hochgefährlich, unverantwortlich". Man sei sehr diszipliniert in einer strikten Zweierreihe gefahren, betonten sie unisono.

Auf Oberstaatsanwältin Pax wirkten die Aussagen der Radfahrer zwar abgesprochen. "Dennoch habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, dass sich die Radsportler völlig korrekt, ja mustergültig verhalten haben." Es habe zum Unfallzeitpunkt noch keine Ablösungen in der Zweierreihe gegeben, der Getötete sei - so das medizinische Gutachten - nicht mit gebeugtem Kopf, sondern in Oberlenkerposition gefahren: "Die Schuld an diesem tragischen Unfall trägt allein der Angeklagte".

Die Nebenklage ging noch ein Schritt weiter: Kay I. habe auch in anderen Fällen eine rücksichtslose Fahrweise gezeigt, kurz vor dem Unfall noch einen Mercedes in einer unübersichtlichen Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit überholt und bereits drei Eintragungen wegen zu schnellem Fahrens in Flensburg. Nebenklägervertreter Römming forderte eine zusätzliche Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung. "Kay I. hat sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten. Er hat die Tötung des Radfahrers billigend in Kauf genommen." Und Römming kritisierte scharf die Staatsanwaltschaft: "Fünf Monate Verzug zwischen Abschluss der Ermittlungen und Anklageerhebung, das ist ein Skandal." Zudem habe die Staatsanwaltschaft versäumt, den Führerschein des Lastwagenfahrers einzuziehen. Nun sei diese Möglichkeit knapp verjährt.

Das Gericht sieht in seinem Urteil die grobe Fahrlässigkeit als gegeben, die Rücksichtslosigkeit aber nicht. "Der Überholvorgang war eine folgenschwere Fehlentscheidung des Angeklagten, aber kein nachweisbar rücksichtsloses Verkehrsverhalten", begründete Richter Dr. Fräßdorf. Auch eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und zwei Rennradfahrern 14 Tage vor dem Unfall sei kein Beleg für dessen grundsätzliche Rücksichtslosigkeit: "Streit zwischen Autofahrern und Radfahrern ist im Verkehr doch an der Tagesordnung."