Wentorf. WM-Silber für Lukas Heitmann, Mia Kluge auf Rang fünf. Sportler des Hamburg-Wentorfer Reitervereins reisen nun zur DM nach München

Wer glaubt, dass Voltigierer ständig hoch zu Ross unterwegs sind, ist auf dem Holzweg. Rund 80 Prozent des Trainings, so schätzt der Voltigiertrainer Hendrik Brühl, finden am Boden oder auf einem Holzpferd statt. Das ist geduldig und verzeiht jeden Fehler. Die über Wochen einstudierten Übungen dann auf dem Rücken eines galoppierenden Pferdes fehlerfrei zu präsentieren, das ist die große Kunst in dieser Sportart.

Brühls Schützlinge, die Jugendlichen Mia Kluge (17), Johanna Timm (16) und Lukas Heitmann (14) vom Hamburg-Wentorfer Reiterverein, gehören beim Turnen auf dem Pferderücken zu den Weltbesten. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Flyinge (Schweden) gewann Lukas Heitmann Silber, Mia Kluge landete als beste Deutsche auf Rang fünf.

Voltigier-WM in Flyinge: Wentorfer Reitsportler auf Höhenflug

Johanna Timm war bei den Mädchen als Reserve mitgefahren, kam aber nicht zum Einsatz. „Sie hatte bei der Qualifikation einen Bänderanriss im Fuß, hat es daher nicht geschafft, sich zu qualifizieren“, erläutert Brühl. „Für mich ist sie die beste Juniorin, die wir in Deutschland haben.“

Lukas Heitmann bei seiner WM-Kür.
Lukas Heitmann bei seiner WM-Kür. © Daniel Kaiser

Das könnte die 16-Jährige schon bei den deutschen Junioren-Meisterschaften zeigen, die vom 17. bis 20. August auf der Olympia-Reitanlage in München-Riem ausgetragen werden. Neben dem WM-Trio gehören dann auch noch Vanessa Littwitz (U21), Jessica Sievers (16), Julietta Schega (13) und Kübra Mamedova (12) zum Wentorfer Team.

In München wollen sie ein Wörtchen bei der Medaillenvergabe mitsprechen – mit reichlich Rückenwind aus Schweden durch den Höhenflug von Flyinge. Dass die Weltmeisterschaften in einem 1000-Einwohner-Kaff bei Malmö ausgetragen wurden, ist kein Zufall. Die dort beheimatete Flyinge Kungsgard, der Austragungsort der Wettkämpfe, ist eines der ältesten Gestüte der Welt. Ihre Wurzeln reichen zurück bis ins 12. Jahrhundert. Hier werden unter anderem Pferde für die Königliche Garde ausgebildet.

Lukas Heitmann gewinnt Kür vor dem neuen Weltmeister

Das royale Umfeld schien vor allem Lukas Heitmann zu beflügeln. Mit seinen 14 Jahren wurde er zum jüngsten Medaillengewinner aller Zeiten bei Junioren-Weltmeisterschaften. Dass der überragende Niederländer Sam dos Santos (8424 Punkte) – der „Lionel Messi des Voltigiersports“ (Brühl) – nicht zu schlagen sein würde, war klar. Dass sich aber dahinter der Wentorfer Youngster mit 8254 Punkten ungefährdet Silber schnappen würde, war für viele eine Überraschung.

Nicht jedoch für Trainer Hendrik Brühl. „Wie oft und wie intensiv Lukas trainiert, das habe ich noch nie gesehen“, schwärmt er. „Bei ihm gibt es keine Pausen. Selbst wenn wir eine Besprechung haben, ist er in Bewegung.“ Seine gute Platzierung in Flyinge verdankte der Wentorfer vor allem seiner glänzenden Kür. Er gewann diesen Wettbewerb und ließ dabei sogar „Messi“ dos Santos hinter sich. Doch dessen Vorsprung nach Pflicht und Technikkür war zu groß, um die Goldmedaille des Niederländers noch zu gefährden.

Vor zwei Jahren war Lukas Heitmann vom Reit- und Fahrverein Kirchwärder nach Wentorf gewechselt, weil es in Kirchwerder kein Pferd mehr für ihn gab. Beim HWR hingegen hat er mit dem braunen Wallach Curt, longiert von Annika Wiemann, den idealen Sportpartner gefunden. „Das ist im Grunde ein billig in Thüringen gekaufter Ackergaul, den wir eigentlich gar nicht für die Leistungsspitze gedacht hatten“, sagt Brühl.

Was dem Vierbeiner gegenüber etwas despektierlich klingen mag, ist anerkennend gemeint, wie der Trainer sofort ergänzt. „Curt ist einfach alles egal“, schwärmt Brühl. „Das macht ihn an der Longe zu einem extrem gleichmäßig galoppierenden Pferd.“

30 Stunden Training pro Woche sind nötig, um in der Weltspitze mitzuhalten

Der Aufwand bei Junioren-Weltmeisterschaften ist enorm. Das Team Deutschland, das in den verschiedenen Altersgruppen insgesamt fünf Medaillen gewann, war mit 20 Pferden und einem Tross von über 100 Personen (Sportler, Trainer, Physiotherapeuten, Longenführer und Pferdepfleger) nach Schweden gereist. Kosten: 150.000 Euro.

Mia Kluge während ihrer WM-Kür auf Diavolo.
Mia Kluge während ihrer WM-Kür auf Diavolo. © Daniel Kaiser

Doch vor allem der zeitliche und emotionale Aufwand ist enorm. „Alle drei, die in Flyinge am Start waren, trainieren rund 30 Stunden pro Woche, Lukas seit acht Jahren, die Mädchen schon seit zehn Jahren“, erläutert Brühl. „Die haben ihr Leben dem Sport verschrieben, so wie wir alle.“ Turnen, Fitness, Ballett, Physiotherapie – alles das gehört dazu.

Mia Kluge war die WM-Qualifikation als drittbeste Deutsche so gerade noch geglückt. Dass die Wentorferin dann in Schweden als beste Deutsche abschnitt, war ein Riesenerfolg. Nach Pflicht und Technik lag sie auf Rang vier. Doch in der finalen Kür, die genauso viel zählt wie die beiden vorangegangenen Teile zusammen, zog die Österreicherin Clara Ludwiczek von Platz fünf aus noch an der gesamten Konkurrenz vorbei und wurde Weltmeisterin.

Auf „Opi“ und den „Ackergaul“ ist immer Verlass

Mia Kluge, die ihre Stärken in der Pflicht hat, blieb Rang fünf. Unterwegs war sie auf „Opi“, wie das 20-jährige Rheinländische Warmblut „Diavolo of Farms End“ liebevoll genannt wird. Longiert wurde das Pferd von Brühl, der auch dessen Besitzer ist. „Dass ein Pferd so gelassen bleibt und den Fluchtinstinkt unterdrückt, wenn jemand auf das Pferd hinaufspringt, ist das Ergebnis jahrelangen Trainings“, erläutert er. München, so scheint es, kann kommen: „Opi“ und der „Ackergaul“ werden ihre Aktiven schon nicht im Stich lassen.