Curslack. Es war der unrühmliche Höhepunkt einer deprimierenden Saison für den chancenlosen SVCN. Worauf der künftige Trainer nun setzen will

Bei Wind und Wetter steht Norbert Grell seit dieser Saison bei Heimspielen des SV Curslack-Neuengamme am Eingang des Sportplatzes am Gramkowweg und bittet die Zuschauer der Partien des Fußball-Oberligisten zur Kasse. Der Ehrenamtsbeauftragte des Vierländer Vereins hat das langjährige Kassierer-Duo Peter Franke und Jupp Laumann abgelöst. Wobei abgelöst das falsche Wort ist. Es fand sich schlichtweg kein anderer Freiwilliger, der den Job auf ehrenamtlicher Basis übernehmen wollte. Dabei ist der Arbeitsaufwand überschaubar. Ein Zuschauermagnet ist der SVCN schon seit Jahren nicht mehr. Selten verirren sich mehr als 100 Schaulustige auf die Anlage am Gramkowweg. Für die Begegnung gegen den Titelanwärter Eimsbütteler TV verkaufte Grell gerade einmal 85 Tickets.

Kurz nach Beginn des zweiten Abschnitts hatte der Betreuer der Ü60-Super-Senioren Curslacks seinen Platz dann verlassen und plauderte an einer Werbebande stehend mit einigen SVCN-Sympathisanten. Der Blick aufs Spielfeld lohnte sich aus deren Sicht zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr. Die Hausherren lagen mit 0:4 in Rückstand und kassierten nun den fünften Gegentreffer. „Das ist ohne Worte. Das erscheint morgen bei euch auf der Witzeseite“, ärgerte sich Grell und schritt davon.

SV Curslack-Neuengamme: Aufwind der Vorwochen war wie weggeblasen

Recht hatte er. In der Tat war es schwer, einen passenden Begriff für den desaströsen Auftritt der Vierländer zu finden. Beim 0:7-Debakel, das eher noch zu niedrig ausfiel, zerfielen die Gastgeber in ihre Einzelteile. Der leichte Aufwind der Vorwochen, als unter anderem dem Hamburger Meister TuS Dassendorf ein 2:2 abgetrotzt wurde, war wie weggeblasen.

Ärgerte sich über desaströsen Auftritt: Norbert Grell (r.), Ehrenamtsbeauftragter und Kassierer beim SVCN.
Ärgerte sich über desaströsen Auftritt: Norbert Grell (r.), Ehrenamtsbeauftragter und Kassierer beim SVCN. © Hanno Bode | Hanno Bode

Nach dem Spiel blickten der Sportliche Leiter, Torsten Henke, und Spieler-Trainer, Marcello Meyer, der aus Verletzungsgründen nicht auf dem Plastikgrün stand, bei der Pressekonferenz ins Leere. Vor ihnen stand eine weiße Keramik-Figur, bekannt aus der Sport1-Sendung „Doppelpass“ als Phrasenschwein. Es ist ein Relikt aus erfolgreicheren Zeiten des SVCN, als Verantwortliche und Medienvertreter bei einem Kaltgetränk noch zusammen lachten und diskutierten und der eine oder andere Coach nach einem ausgesprochenen Allgemeinplatz eine Münze oder einen Schein hineinwarf.

Eimsbüttel spielte die Curslacker nach Belieben aus

Gefüttert wurde das grinsende Schwein an diesem Tag nicht. Dabei hätte es sich doch eigentlich angeboten, ein paar „kostenpflichtige“ Durchhalteparolen auszurufen. Stattdessen wurde Tacheles geredet. „Wir waren heute auf allen Ebenen hoffnungslos unterlegen. Wir konnten froh sein, als der Schiedsrichter abgepfiffen hat. Es war von Anfang bis Ende ganz, ganz schlimm. Das war ein Tag, den wir ganz schnell vergessen wollen“, sagte Meyer.

Der scheidende Spieler-Trainer hatte seine Elf mit einer mutigen Taktik aufs Feld geschickt: Der SVCN lief die als „Pressingmonster“ bekannten Eimsbütteler sehr hoch an und erzwang dadurch in der Anfangsphase auch einige Ballgewinne. Das Problem bei der Geschichte war allerdings, dass die Gastgeber in der Vorwärtsbewegung sehr ungefährlich waren und im Rückzugsverhalten erschreckende Defizite zeigten. Insbesondere die Außenverteidiger Moritz Kühn und Witalij Wilhelm waren ihren Aufgaben nicht gewachsen. Der ETV hebelte Curslack immer wieder nach allen Regeln der Kunst über die Flügel aus.

Platzverweis nach 24 Minuten für Marcel Rump

Dass der vom designierten Landesliga-Meister ETSV Hamburg ausgeliehene Marcel Rump zudem bereits in der 24. Minute nach einem Foul und anschließendem höhnischen Beifall für Schiedsrichter Murat Yilmaz (FC Türkiye) die Gelb-Rote Karte sah, war für die Hausherren ebenfalls Gift. Aber nicht entscheidend. Denn: „Es war heute ein Klassenunterschied zu sehen“, gab Coach Meyer freimütig zu.

Wohin es den 32-Jährigen nach dem Saisonende ziehen wird, ist noch ungewiss. In der brodelnden Gerüchteküchte wird gemutmaßt, dass er gemeinsam mit Pascal El-Nemr als Spieler zum USC Paloma wechseln wird. Meyers Nachfolger steht in Sascha Bernhardt bereits fest. Der gerade einmal 30-jährige Coach wird unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit einen Neuaufbau moderieren. Das Zauberwort für die Zukunft heißt dabei „Identifikation“. Denn nur, wenn wieder eine Mannschaft für den SVCN aufläuft, mit der sich die Fans identifizieren können, dürfte Kassierer Norbert Grell in Bälde auch wieder ein paar mehr Karten an die Frau und den Mann bringen.

Die Torfolge: 0:1 Dominik Akyol (12.), 0:2 Jephtah Asare (18.), 0:3 Emre Töremis (32.), 0:4 Blerim Qestaj (42.), 0:5 Michael Igwe (54.), 0:6, Dominik Akyol (65.), 0:7 Dominik Akyol (87.) SV Curslack-Neuengamme: Leon Giese (4) – Kühn (5), Henrik Giese (4), Mohr (5), Wilhelm (5) – Bombek (4), Donkor (5) ab 46. Borgmann (5), Winterfeld (4), Rump (6), El-Nemr (5) – Lechler (5) ab 46. Jacobs (4-5)