Lohbrügge. Turbulente Premiere für den VfL Lohbrügge bei den deutschen U19-Mannschaftsmeisterschaften in Mühlheim an der Ruhr. Eklat inklusive.

Im Badminton-Sport gibt es in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle. Während in unseren Breiten nur wenige dem flotten Federball nachjagen, ist Badminton in West- und Süddeutschland deutlich stärker verbreitet und die Leistungsdichte ungleich höher. Vor allem in den Leistungszentren trainieren dort viele Talente oft schon in jungen Jahren täglich. Entsprechend schwer ist es für hiesige Clubs, national mitzuhalten. Umso höher ist es zu bewerten, dass es der VfL Lohbrügge nun erstmals geschafft hat, ein U19-Team zu den deutschen Meisterschaften zu bringen. Ein Bezirksligist unter lauter Bundesligisten. Was jedoch keiner ahnen konnte: Es sollte ein Auftritt mit Knall­effekt werden, der die Nordlichter in Badminton-Deutschland weithin bekannt gemacht haben dürfte.

VfL Lohbrügge wurde Zweiter bei norddeutschen Meisterschaften

Aber der Reihe nach: Den Weg zu den nationalen Titelkämpfen in Mühlheim an der Ruhr ebneten die Lohbrügger bei den norddeutschen Meisterschaften, wo sie hinter dem Horner TV Zweite wurden. Wie groß der Zusammenhalt im Lohbrügger Team ist, zeigt dabei das Beispiel von Marie Sander.

Die stärkste Dame des VfL hatte sich im Vorfeld der norddeutschen Titelkämpfe beim Skilaufen das Handgelenk gebrochen. Doch ohne sie hätte der VfL nicht antreten können. Um ihr Team nicht hängen zu lassen, trat sie trotzdem an und nahm den Schläger einfach in die linke statt der rechten Hand.

Trumpf des VfL waren die Jungs

Bis zur U19-DM war die 17-Jährige wieder fit. Und noch eine reiste mit großem Selbstbewusstsein an: das Küken der Mannschaft, die zwölfjährige Victoria Braun. Beim 1:7 im Finale gegen Horn hatte sie mit ihrem Einzel-Sieg für den einzigen Lohbrügger Punkt gesorgt.

Der große Trumpf des VfL aber, das würden die Jungs sein. Allen voran Erik Tilch. Mit zwölf Jahren war er deutscher U13-Meister im Einzel und Doppel, stieg dann aber aus dem Leistungssport aus. Nun ist er 15 und sollte mit seiner Erfahrung von vielen hochklassigen Turnieren im Badminton-Land Dänemark auch in Mühlheim etwas ausrichten können. Ebenso wie sein gleichaltriger Teamkollege Mattis Gutsche, der früher zum Kader der U13-Nationalmannschaft gehörte.

Erstes Spiel gegen sehr starken Gegner

Der erste Gegner, der TV Refrath, löste bei Coach Trond Larsen wahre Jubelstürme aus: „Es ist wunderbar, dass wir gegen die Crème de la Crème des deutschen Badminton-Sports antreten dürfen“, freute er sich. Das war nicht übertrieben. Die Bergisch Gladbacher sind das stärkste Leistungszentrum des Landes. Ihr Topspieler, Kian-Yu Oei (19), war 2019 Deutschlands „Talent des Jahres“.

Seit seinem Abitur ist er Vollprofi, trainiert zweimal am Tag und „lebt seinen Traum“, wie TV-Trainer Heinz Kelzenberg sagt. Normalerweise spielt Oei gegen Top-Leute aus Südostasien, jetzt also gegen den vier Jahre jüngeren Tilch, der ihm bei 10:21, 8:21 immerhin 18 Punkte abluchste. Ansonsten ging für den VfL erwartungsgemäß nicht viel – 0:8.

Über Nacht zum Tabellenführer

Aus dem über Nacht ein 8:0-Sieg wurde, denn die Westdeutschen hatten einen Fehler bei der Aufstellung gemacht, gegen den Larsen („Ich hatte mich vorher extra schlau gemacht“) erfolgreich Protest einlegte. Das Turnier hatte seinen Eklat. Der krasse Außenseiter aus dem Norden war nach dem ersten Spieltag plötzlich Tabellenführer, der Top-Favorit Letzter. Das mischte die Badminton-Szene kräftig auf.

Mit einem Mal hatten die Lohbrügger dadurch sogar veritable Halbfinal-Chancen, trotz einer 0:8-Niederlage im zweiten Spiel gegen den SV Fischbach. Dafür musste im letzten Spiel gegen den TV Augsburg mindestens ein 6:2-Sieg her. Und es lief fantastisch: Hannes Brammer/Erik Tilch und Mattis Gutsche/Niklas Jäde gewannen die Herren-Doppel, zudem Tilch und Brammer ihre Einzel sowie Niklas Jäde/Jasmin Viaccava das Mixed. Machte fünf Punkte.

Fünfter Platz für die Lohbrügger

Mattis Gutsche hätte mit etwas Glück für den sechsten Zähler sorgen können. Bei seiner 13:21, 21:16, 16:21-Niederlage fehlten nur wenige Punkte an der Sensation. „Im Halbfinale hätten wir aber auch nichts zu suchen gehabt“, ordnete Larsen die Dinge ein. „Unser fünfter Platz ist ein Mega-Erfolg. Das war es wert, dorthin zu fahren.“ Den Titel holte übrigens doch noch Refrath. Doch eines ist auch klar: In Badminton-Deutschland weiß jetzt jeder, wo Lohbrügge liegt.