Neuengamme. Nachwuchsretter lernen früheres KZ-Gelände in Neuengamme und seine Geschichte bei Rallye kennen. Wie Jugendliche das wahrnehmen.

„Geschichte anders erleben“ lautete der Titel eines Seminars, zu dem Teilnehmer im Alter zwischen 13 und 17 Jahren der Jugendfeuerwehren Hamburg vom Milchhof Reitbrook aufbrachen. In acht Feuerwehrbooten ging es in Begleitung zahlreicher Helfer und Betreuer über die Dove-Elbe zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme, um den Jugendlichen dort die Geschichte in Feuerwehrmanier per Funkverkehr näher zu bringen.

Sönke Langeloh von der Freiwilligen Feuerwehr Reitbrook engagiert sich seit vielen Jahren in der Jugendarbeit und organisiert mit einem festen Stamm von acht Betreuern zum fünften Mal seit 2008 den Wochenendworkshop. „Allein die dreistündige Bootsfahrt über etwa 14 Kilometer war für die Jugendlichen ein Abenteuer. Außerdem konnten sie sehen, welche Kanäle von den Häftlingen ab der Krapphofschleuse drei Jahre lang mit den Händen gebaut wurden“, sagt der 43-Jährige.

Funk-Rallye führt Jugendliche über die KZ-Gedenkstätte

An der Gedenkstätte wurden die Boote von Helfern der Berufsfeuerwehr Bergedorf mittels einer Drehleiter aus dem Wasser gehoben, drei große Zelte und Betten entladen, alles aufgebaut, und nach dem Abendessen waren alle gegen Mitternacht rechtschaffen müde.

Gedenkstättenpädagogin Wiebke Elias im Austausch mit den Teilnehmern der Hamburger Jugendfeuerwehren.
Gedenkstättenpädagogin Wiebke Elias im Austausch mit den Teilnehmern der Hamburger Jugendfeuerwehren. © Gabriele Kasdorff

„Die Jugendlichen erleben hier die Geschichte und das 80 Hektar große KZ-Gelände hautnah. In zehn Gruppen mit zwei bis drei Teilnehmern beantworten sie einen Fragenkatalog, werden zu einzelnen prägnanten Standorten geführt und geben die Antworten per Funk durch oder schreiben sie auf. Spaß sollen die Teilnehmer dabei natürlich auch haben“, sagt Sönke Langeloh.

Immer in den Köpfen sein, was im KZ Neuengamme passiert ist

Das steht auch laut Gedenkstättenpädagogin Wiebke Elias (32) in keinerlei Widerspruch zur Gedenkstätte, schmälert oder relativiert keineswegs die schrecklichen Ereignisse und die Erinnerung daran. Sie und ihr Kollege Martin Reiter (44) begleiteten das Seminar der jungen Feuerwehrleute, standen für alle Fragen und den gedanklichen Austausch bereit, der natürlich ebenso wichtig ist wie die reinen Fakten.

Lia Marie Gorny (16), Tjark Levin Nottorf (14), beide von der Jugendfeuerwehr (JF) Kirchdorf, sowie René Nolde (15) von der JF Bramfeld bildeten eine Gruppe. Alle drei empfinden es als bedrückend, wie viele Menschen im Konzentrationslager Neuengamme gestorben sind. „Das ist schon hart, die Menschen wurden hier gequält und hatten wenig zu essen“, sagt René. Und Tjark ergänzt: „Die schlechten Zustände hier, die harten Betten und die schlecht isolierten Häuser, das ist schlimm. Es wird für immer in unseren Köpfen sein, was hier passiert ist.“

Gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtes Gedankengut

Geschichte interessiert die jungen Menschen, darum nehmen sie in ihrer Freizeit an diesem Workshop teil. Betreuer Jonas Bodewig (33) von der Lohbrügger Feuerwehr erläutert: „Die Gruppen tauschen sich nach der Rallye aus und tragen die Ergebnisse vor. Sie sind lange Zeit hier vor Ort, das ist etwas anderes als ein kurzer Besuch mit der Schulklasse, so werden sie automatisch zu Multiplikatoren.“ Ergänzend betont er, was für ihn und all die Seminarteilnehmer selbstverständlich ist: „Die Feuerwehren sind gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtes Gedankengut.“

Nähere Informationen zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Jean-Dolidier-Weg 75, deren Besuch kostenfrei ist, sind im Internet unter www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de in 14 verschiedenen Sprachen nachzulesen.