Hamburg. Bis zu 2000 Euro Nachzahlung: Die Stimmung in Lohbrügge-Nord bleibt angespannt. Und die Saga weist jede Verantwortung von sich.

Geheizt wird in Lohbrügge-Nord nur noch wenig. Trotzdem gerieten die Vertreter von E.on-Energy Solutions ganz schön ins Schwitzen, als sie sich im Veranstaltungssaal „Le Parés“ an der Osterrade 20 den Fragen von mehr als 500 Lohbrüggern stellten, die seit vergangenem September gegen horrende Energiepreisrechnungen protestieren.

Aus den verärgerten Energiekunden hat sich die Interessensgemeinschaft Wir (IG Wir) gegründet, die jetzt die Diskussionsrunde organisierte. Hier versuchten Patrick Schneckenburger, E.on-Energy Solutions Geschäftsführer, Vertriebsleiter Dr. Henning Lustermann und Kundenmanager Michael Behrends zu erklären, wie die Preissteigungen von bis zu 600 Prozent zustande gekommen sind.

Hohe Heizkosten: „Letztendlich hat die Landesregierung hier das Sagen“

Dabei kam ein bisher unbekanntes Detail ans Tageslicht: Nicht etwa E.on, sondern die Saga Unternehmensgruppe ist, laut Aussage von Henning Lustermann, Eigentümerin des Fernwärmenetzwerks unter Lohbrügge-Nord – und auch des Gaskraftwerks. E.on selbst sei dagegen nur Pächter dieser Anlagen. Und die kritisierte Berechnung der Heizkosten habe die Saga vertraglich mit E.on und der KWA Construction geregelt, die das 2008 ergänzte Holzheizkraftwerk betreibt.

„In meinen Augen ist das ein Skandal“, sagte Stephan Pütz von der IG Wir. „Die Saga ist Tochter der Stadt Hamburg, das heißt, unsere Landesregierung hat hier letztlich das Sagen.“ Zudem sei die Saga auch noch Vermieterin des Großteils der Wohnungen, deren Bewohner sich jetzt wegen der hohen Abschlagsrechnungen beschweren.

Sie mussten sich am Donnerstagabend vor mehr als 500 Lohbrüggern verantworten (v.l.): E.on Energy Solutions Vertriebsleiter Dr. Henning Lustermann, Kundenmanager Michael Behrends und Geschäftsführer Patrick Schneckenburger. Moderiert wurde die Diskussion von Ali Simsek von der SPD (r.).
Sie mussten sich am Donnerstagabend vor mehr als 500 Lohbrüggern verantworten (v.l.): E.on Energy Solutions Vertriebsleiter Dr. Henning Lustermann, Kundenmanager Michael Behrends und Geschäftsführer Patrick Schneckenburger. Moderiert wurde die Diskussion von Ali Simsek von der SPD (r.). © BGDZ | Luis Bolte

Doch als Antwort sei von der Saga immer die gleiche gekommen: „Die Mieter sind durch den Mietvertrag dazu verpflichtet, die Heizkosten zu bezahlen“, sagte Pütz. „Es gibt keinerlei Hilfe oder Verständnis. Das ist unglaublich.“

Hamburgs Politiker sollen der Saga auf die Füße treten

Doch in Wirklichkeit sei die Rolle der Saga im Lohbrügger Energiepreispoker ja eine ganz andere, wie man jetzt wisse, ergänzte Pütz. Wie die vielen anderen Betroffenen erwarte er jetzt, dass „Hamburgs Politiker der Saga auf die Füße treten“. Es müsse Druck auf alle drei beteiligten Unternehmen gemacht werden, den extremen Preisanstieg zurückzufahren.

„Die sollen sich mal zusammensetzen und die Preise überarbeiten, dann bräuchten wir keine staatliche Unterstützung bei der Zahlung der Rechnungen, dann wäre alles einfacher“, findet Stephan Pütz. SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Alexander Mohrenberg will genau da ansetzen: „Wir können uns dem Rahmenwerk annehmen. Wir werden mit der Saga sprechen“, versprach er den Lohbrüggern.

„Saga hat keinen Einfluss auf die Preisgestaltung“

Die Saga selbst, am Donnerstagabend (26. Januar) nicht auf dem Podium vertreten, äußerte sich auf Nachfrage unserer Redaktion folgendermaßen: „Pächterin und damit auch Betreiberin des Heizkraftwerks Lohbrügge ist die E.on.

Damit verantwortet das Unternehmen sowohl den Energieeinkauf als auch die Preisgestaltung und die Versorgung der angeschlossenen Wohnungen mit Wärme. Auch rechnet das Unternehmen direkt mit den betroffenen Mieterinnen und Mietern ab. Die Saga Unternehmensgruppe hat keine detaillierte Kenntnis und keinen Einfluss auf die individuelle Preisgestaltung.“

9.750.000 Kilowattstunden Netzverluste

Die Diskussionsrunde war sich am Donnerstag dagegen mit dem Publikum einig: Mit der Saga muss gesprochen werden. Sie müsse handeln – auch wenn die Verträge auf 20 Jahre abgeschlossen seien, also noch bis Ende des Jahrzehnts Gültigkeit haben.

Bei anderen Themen gingen die Meinungen im Saal dagegen weit auseinander. Speziell als Stephan Pütz vorrechnete, wie hoch die Energieverluste im Wärmenetz seien, waren die Vertreter von E.on ratlos. „Sie haben jährlich 9.750.000 Kilowattstunden Netzverluste“, sagte Pütz.

Die Interessensgemeinschaft Wir (IG Wir): Ingo Werth (v.l.), Ali Simsek (SPD Bürgerschaft), Sezer Atilanok (Le Parés), Stephan Pütz, Manuel Mrochem und Christian Brannath.
Die Interessensgemeinschaft Wir (IG Wir): Ingo Werth (v.l.), Ali Simsek (SPD Bürgerschaft), Sezer Atilanok (Le Parés), Stephan Pütz, Manuel Mrochem und Christian Brannath. © BGDZ | Luis Bolte

„Das entspricht bei den heutigen Preisen stattliche 780.000 Euro. Von dem Geld könnten 1071 Häuser ein Jahr lang geheizt werden. Wie kann das sein? Das ist der Grund wieso wir heute hier sind. Wir gucken auf die Rechnungen und wissen nicht, wie diese Summen zustande kommen.“

Nachzahlungen über 1300 Euro für das Jahr 2021

Auch Christian Brannath von der IG Wir kennt dieses Drama: Für 2021 habe er eine Nachzahlungsrechnung über 1300 Euro erhalten, berichtete er. Andere Lohbrügger mussten sogar bis zu 2000 Euro nachzahlen. Brannath: „Ich kann aber nicht nachvollziehen, wie ich von ungefähr 12.000 verbrauchten Kilowattstunden pro Jahr plötzlich auf 17.000 Kilowattstunden in 2021 gekommen bin. Wenn mir niemand nachweisen kann, wann diese Wärme verbraucht wurde und wie diese Zahlen zustande gekommen sind, dann bezahle ich das nicht.“

E.on-Energy-Solutions-Geschäftsführer Patrick Schneckenburger sind diese Fälle neu: „Dass es Netzverluste gibt, ist normal. Immerhin sind die Leitungen schon 60 Jahre alt. Aber dass es so ein großes Thema ist, war uns bis jetzt nicht bewusst.“ Auch hier müsse man sich mit allen Akteuren zusammensetzen, um eine Klärung herbeizuführen.

Ob das gelingt, wollen Stephan Pütz und seine Mitstreiter von der IG Wir genau beobachten: „Wenn die Abschläge nicht bald spürbar reduziert werden, dann stehen wir in ein paar Wochen vor dem Hamburger Rathaus. Das kann ich schon mal garantieren.“