Hamburg. Obst statt Schokolade ist gesünder. Aber wie kommt man dahin? Das Projekt „Nudging“ an der HAW Lohbrügge machte den Versuch.

Nicht erst seitdem es an der Lohbrügger Hochschule den Studiengang der Ökotrophologie gibt, ist bekannt, dass es uns besser geht, wenn wir Obst und Gemüse essen. Wir uns dann besser konzentrieren können und uns seltener Infekte einfangen. Deshalb stehen auch schonmal klein geschälte Apfelschnitze im Kinderzimmer. Was jede Mutter seit Jahrzehnten intuitiv richtig macht, nennt sich auf wissenschaftlicher Ebene „Nudging“, auf Deutsch in etwa anstubsen. Und dazu gab es jetzt mehrere Pilotprojekte der Ernährungswissenschaftler – angefangen in der eigenen Mensa an der Lohbrügger Kirchstraße.

HAW Lohbrügge: Nudging meint, das Verhalten ohne Verbote zu beeinflussen

Schon 2017 gab es für das Nudging einen Nobelpreis: Unter einem Nudge verstehen der Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und der Rechtswissenschaftler Cass Sunstein eine Methode, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote zurückzugreifen. „Das wollten wir auch bei uns ausprobieren“, sagt Prof. Dr. Sibylle Adam, die mit ihrer Kollegin Ulrike Pfannes die Studenten motivieren wollte, mehr Gesundes zu essen.

„Esst mehr Vitamine“, mahnten Aufkleber auf dem Mensa-Boden. Die gesunden Gerichte standen ganz oben auf den Monitoren, die die Speisepläne anzeigen. Alle Studenten kamen erst an der Veggie-Theke vorbei, „die Fleischgerichte haben wir nach hinten verbannt“, so die Professorin, die jedoch merken musste, dass der Trick nur bei den Hauptgerichten funktioniert: „Bei den zuckerreduzierten Desserts hat das nicht geklappt, obwohl wir die Quarkspeisen auf Augenhöhe platziert haben.“

Mensa bot den Hamburger mit Salat statt Pommes an

Ein Caterer und fünf weitere Mensen des Studierendenwerkes kamen hinzu: „In der Finkenau haben wir als Standard den Hamburger mit Salat angeboten. Das klappte auch, allerdings haben die Studenten trotzdem zusätzlich Pommes bestellt“, erzählt die 47-Jährige. Immerhin sei dadurch der Umsatz gesteigert worden.

Ist das denn nicht alles einfach eine gute Marketing-Finte? Es klinge zunächst ähnlich, aber das Nudging habe eine andere Zielsetzung. „Hier stehen Ethik, Moral und Freiwilligkeit im Vordergrund“, betont Adam – und erinnert den Aufschrei, als es in der VW-Kantine plötzlich keine Currywurst mehr geben sollte: „Wir hingegen wollen nicht mit Verboten arbeiten, niemanden zwingen. Schließlich hat auch die Zuckersteuer wenig gebracht, in den Ländern, die das ausprobiert haben.“

Sind Studierende gewohnheitsorientiert?

Also blieb es bei gut platzierten Obstkörben neben der Kasse und bei vorportionierten Gemüsesticks „to go“ in der Cafeteria – möglichst alles ganz bequem auf den üblichen Laufwegen der Studenten. Auch wenn es letztlich keine belastbaren Zahlen gab, sondern nur einen positiven Trend, sei das Projekt erfolgreich gewesen – wenn es auch bei Lebensmitteln besser funktionierte als bei Getränken: „Wir haben zwar die Kühlschränke anders angeordnet, aber es wurde trotzdem nicht mehr Wasser getrunken. Da sind die Studierenden wohl mehr gewohnheitsorientiert oder markentreu.“

Manchmal braucht es eben doch einen größeren Anstubser, damit sich der Mensch gesünder verhält, in Sachen Essen oder Bewegung: In Schweden etwa gibt es eine „Klaviertreppe“, die auf jeder Stufe einen Ton abgibt und somit viel mehr Spaß macht, als mit der Rolltreppe zu fahren.

Süßigkeiten in den Keller verbannen

Auch Schilder im Treppenhaus sind toll, die den Kalorienverbrauch anzeigen“, meint Sibylle Adam, die sich als nächstes mit dem Projekt „Self-Nudging“ beschäftigen will: „Da versteckt man zum Beispiel Chips und Schokolade ganz hinten im Keller und greift lieber bewusst zum Apfel, der schon geschält im Kühlschrank liegt.“ Wissenschaftlich nennt man das eine Umprogrammierung der Konditionierung von Reiz und Reaktion: Man muss die Umgebung ändern, bis das neue Verhalten zur positiven Gewohnheit wird.

Und was macht dann die Professorin, deren Mann so gern Süßes nascht? Der wird wohl eher mal in den Keller müssen. „Und ich sollte meine Pasta lieber mit Tomaten, Knoblauch und Zwiebeln zubereiten, als die ungesündere Carbonara zu essen“, sagt Sibylle Adam lachend.

Zum Schluss noch ein kleiner Tipp, da schließlich niemand seine Vitamine auf die Waage legt: Jeder sollte täglich drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst essen, so Adam: „Und eine Portion ist immer so groß wie der eigene Handteller.“