Kirchwerder. Der 74-Jährige aus Kirchwerder zieht von der Spitze des Ent- und Bewässerungsverbands zurück. Was seinen Nachfolger erwartet.

Georg Odemann ist mit dem Ent- und Bewässerungsverband der Marsch- und Vierlande eng verbunden, steht seit 16 Jahren an dessen Spitze. Doch nun will sich der 74-Jährige aus Altersgründen zurückziehen, steht deshalb zur Wahl des Verbandsobmanns für die kommenden fünf Jahre am 14. Februar nicht wieder zur Verfügung.

„In fünf Jahren bin ich fast 80“, sagt Odemann. „Kann ich dann noch über die Gräben springen?“ Ein Verbandsobmann, quasi eine Art Vorstandsvorsitzender der Körperschaft des öffentlichen Rechts, sollte nicht nur gut mit Menschen umgehen können, sondern auch körperlich fit sein, betont der Senior.

Ent- und Bewässerungsverband hat Zustand sämtlicher Gräben im Blick

Odemann lebt mit seiner Frau in Kirchwerder, ist seit fast zehn Jahren im Ruhestand. Den Bauernhof des Landwirts im Altenteil führt heute der ältere der beiden Söhne. Seit 1988 engagiert sich Odemann in dem Verband. Damals, im Alter von 39 Jahren, wurde er Vertrauensmann für den Gewässer-Bezirk Kirchwerder-Holaake, „ein Bindeglied zwischen den Mitgliedern und dem Vorstand“, sagt er. „Ein Nachbar fragte mich damals, ob ich das nicht machen wolle. Er selbst durfte nicht, weil er kein Grundeigentümer war.“

Es sei um den „Kontakt nach oben“ gegangen, um Möglichkeiten der Einflussnahme. Schließlich hatte Odemann als Landwirt selbst ein Interesse daran, dass nicht zu viel Wasser in den Gräben ist, damit seine Felder nicht überflutet werden. Der Wasserstand ist seit jeher ein Konfliktpunkt zwischen den Landwirten auf der einen Seite und den Gartenbauern und Naturschützern, die, aus unterschiedlichen Gründen, möglichst viel Wasser in den Gräben sehen wollen, auf der anderen.

Mehr Wasser? Ein Anruf genügte

Auch als Bezirksobmann für ganz Kirchwerder hörte sich Odemann von 1993 an die Sorgen der Anwohner und Eigentümer der an Gräben liegenden Flächen an, half ihnen beim Ausfüllen von Formularen. Das Arbeitspensum war deutlich gewachsen, denn die Fläche, die der Bezirksobmann betreute, war zehnmal so groß wie die, für die er als Vertrauensmann zuständig war. 2007 vertrat Odemann dann seinen schwer erkrankten Vorgänger als Verbandsobmann – und machte auch weiter, als der Kranke gestorben war.

„Vor einigen Jahrzehnten brauchte ein Gartenbauer bloß den Pumpenmeister um mehr Wasser bitten, damit seine Gräben voll wurden. Das war natürlich nicht in Ordnung“, sagt Odemann. Deshalb seien Interessenkonflikte auch immer mal wieder „mit der Dachlatte ausgetragen“ worden. „Damals wurde die Pflege der Gräben auch häufiger vernachlässigt als es heute der Fall ist“, sagt der 74-Jährige. „Die Grabenpflege war teilweise nicht gut organisiert, die Kontrollen waren lascher.“

Das Verbandsgebiet ist in vier Bezirke aufgeteilt

Sein Vorgänger, der 1993 Verbandsobmann wurde, habe dann flächendeckend aufgeräumt und für faire Verhältnisse für alle gesorgt, habe sich die Gräben oft selbst angeguckt, wenn es Beschwerden gab. Odemann habe dessen Herangehensweise übernommen. „Als ich an die Spitze des Verbandes kam, hatte sich das alles aber schon längst eingespielt.“

Dass die Briefe des Verbandes amtliche Anordnungen sind und auch danach aussehen, verfehle seine Wirkung nicht, betont Torsten Riecken, bei der Körperschaft des öffentlichen Rechts angestellter Verbandstechniker, und fügt hinzu: „Jede Anordnung wird vom Verbandsobmann unterschrieben.“

Das Verbandsgebiet ist in vier Bezirke aufgeteilt: Neben Kirchwerder sind das Neuengamme, Reitbrook und Ochsenwerder. Innerhalb dieser Bezirke befinden sich 36 Gewässerbezirke. Entsprechend gibt es vier Bezirksobmänner und 36 Vertrauensmänner, tatsächlich alles Männer, obwohl sich Frauen auch zur Wahl stellen könnten.

Als Verbandschef etliche Kilometer unterwegs

Zu den Hauptaufgaben des Verbandschefs gehört die Kontrolle des Zustands der zahlreichen Ent- und Bewässerungsgräben in den Vier- und Marschlanden. Vor allem während der Grabenschau, jährlich im Herbst, und bei den folgenden Nachschauen reißt er dann etliche Kilometer zu Fuß ab. „Wir haben die Termine inzwischen gestrafft, um mehr Zeit für die Nachbesserungen geben zu können“, sagt der Experte. „Statt zwölf Schauen sind es nun nur noch neun, die dann allerdings jeweils umfangreicher sind.“

Nicht selten ist Odemann mit Verbandsmitgliedern – alle, die im eingedeichten Gebiet zwischen Dove-Elbe und Stromelbe ein Grundstück besitzen – aneinander geraten. Er habe viele Streitgespräche geführt: „Als Verbandsobmann muss man sich eigentlich permanent mit Problemen anderer befassen.“ Als er vor Jahren den Verpächter seiner landwirtschaftlichen Flächen als Verbandschef vergrätzte, weil mehr Wasser in die Gräben an den Flächen des Verpächters fließen musste, als dem recht war, habe Odemann das teuer bezahlen müssen: „Mein Verpächter erhöhte meine Pacht um 100 Prozent.“

Sein Nachfolger darf sich also auf lebhafte Zeiten einstellen – und auf etwa acht Stunden Arbeitszeit pro Woche, die das Ehrenamt durchschnittlich erfordert. „Uns rennen Kandidaten auch nicht gerade die Bude ein“, sagt Riecken. Immerhin wissen er und Odemann von einem Kandidaten, der aus ihrer Sicht als Verbandsobmann gut geeignet wäre. Ob er Odemanns Nachfolger wird, entscheiden am 14. Februar die 36 Vertrauensmänner. Odemann wird sich allerdings nicht ganz aus den Verbandsaktivitäten zurückziehen: Nach 30 Jahren wird er wieder Vertrauensmann für seinen alten Gewässer-Bezirk Kirchwerder-Holaake. Gewählt worden ist er bereits.