Curslack. Rouven Schipplick wuchs ohne Vater auf, nachdem dieser im Polizeidienst erschossen wurde. Nun starb der junge Familienvater selbst.

Verbunden mit guten Wünschen und voller Hoffnung hatten Tanja und Rouven Schipplick am Silvesterabend eine Rakete in den Nachthimmel geschickt. Doch das Universum sollte sie nicht erhören. Nicht mal 24 Stunden später musste der 35 Jahre alte Familienvater aus Curslack in die Notaufnahme gebracht werden. Und nur sechs Tage später hörte sein Herz auf zu schlagen – für immer. Zu geschwächt war sein Körper von der Leukämie, die erst vor etwa einem halben Jahr diagnostiziert worden war.

Ehefrau Tanja und die drei gemeinsamen Kinder (7, 6, 2 Jahre alt) müssen nun lernen, ohne ihren Ehemann und Papa zu leben. Um sie dabei zu unterstützen, sammeln Tanjas Schwester und langjährige Freundinnen Spenden. Auf einer Online-Plattform haben sie eine Kampagne gestartet und innerhalb weniger Tage schon mehrere Zehntausend Euro gesammelt.

Leukämie: Spendenkampagne für Familie von Rouven Schipplick

„Wir sind sprachlos. Die Unterstützung hat uns überrascht und überwältigt, denn damit haben wir wirklich nicht gerechnet“, sagt Catherine Lotz, Mitorganisatorin der Kampagne. Als Spendenziel sind 50.000 Euro angesetzt. Auch ein Über- oder Unterschreiten des Spendenziels ist möglich, denn abzüglich der Gebühren für die Plattform erhält die Spendenbegünstigte alle Einnahmen. Damit soll die junge Familie bei den Kosten für die Beerdigung und den Kredit für das gemeinsame Haus unterstützt werden.

„Dich gehen zu lassen, dich nie wieder hören, sehen oder berühren zu können, ist in meiner Vorstellung schon unfassbar schwer. In echt noch so viel mehr. Aber es gibt da ja nicht nur mich, sondern auch unsere drei kleinen Mäuse, die nun ohne den besten Papa der Welt dastehen. Mir würde es das Herz brechen, wenn die Kleinen auch noch ihr Zuhause verlieren würden, das wir gemeinsam aufgebaut haben“, schreibt Tanja Schipplick auf der Seite der Spendenkampagne.

Rouvens Vater wurde bei Verkehrskontrolle in Lohbrügge erschossen

Mit seinem frühen Tod wiederholt sich für seine Kinder ein schreckliches Schicksal. Denn auch Rouven Schipplick musste ohne seinen Vater aufwachsen: Der Polizeihauptmeister Matthias Schipplick war im August 1996 an seinem 34. Geburtstag erschossen worden, als er in Lohbrügge auf der Billwerder Straße ein verdächtig erscheinendes Fahrzeug kontrolliert hatte. Schipplicks Mörder, der zu Fuß vom Tatort geflohen war, wurde kurz nach der Tat gefasst. Der Mann wurde vom Landgericht Hamburg zu lebenslanger Haft verurteilt. In der Bergedorfer Wache erinnert noch heute ein Foto an den im Dienst getöteten Kollegen.

An dieser Stelle wurde Polizeihauptmeister Matthias Schipplick im Dienst erschossen, Kollegen erinnern mit einer Kranzniederlegung an der Billwerder Straße daran (Archivbild 2009).
An dieser Stelle wurde Polizeihauptmeister Matthias Schipplick im Dienst erschossen, Kollegen erinnern mit einer Kranzniederlegung an der Billwerder Straße daran (Archivbild 2009). © Christoph Leimig

Im Jahr 2018 war Rouven Schipplick mit seiner Familie in das neu gebaute Eigenheim in Curslack gezogen. Denn der Betriebswirt, der in Neuallermöhe aufgewachsen war, verspürte eine große Verbundenheit zu den Vier- und Marschlanden. Schließlich hatte er dort, im Zollenspieker Fährhaus, auch seine Tanja gefragt, ob sie seine Frau werden wolle. Auf den Antrag folgte 2015 die Hochzeit. Gemeinsam genoss das Paar leidenschaftlich gern guten Kaffee, am liebsten auf einer Bank im Garten, um dort den Herausforderungen des Alltags kurz zu entfliehen. Den Garten pflegte der sportliche Mann mit großer Hingabe. Eine besondere Beziehung hatte er zu den Rosen vom Vierländer Rosenhof.

Neujahr verschlechtert sich der Zustand des Curslackers dramatisch

2022 erhielt der humorvolle Mann, der seine Mitmenschen häufig mit seinem Lachen angesteckt habe, die niederschmetternde Diagnose: Leukämie. Unzählige Krankenhausaufenthalte folgten. Der kreative und interessierte junge Mann malte gern und fing während der Krankheit auch mit dem Dichten an. Dann die hoffnungsvolle Botschaft: Ein passender Knochenmarkspender wurde gefunden. Die Spende wurde erfolgreich umgesetzt, und die Werte entwickelten sich gut, sodass der 35-Jährige wieder nach Hause durfte und ein wunderschönes Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie verbringen konnte. Am 28. Dezember folgte die Botschaft, dass alle Werte gut aussehen und die Medikamente abgesetzt werden konnten.

Zu Silvester wurde die Glücksrakete gestartet, und Neujahr folgte der erste Kuss nach einer gefühlten Ewigkeit. Denn küssen war aufgrund der Krankheit zuvor nicht möglich. Tanja und Rouven Schipplick gaben sich das Versprechen, dass es jetzt endlich wieder jeden Tag Küsse geben wird. Doch es sollte anders kommen: In der Neujahrsnacht verschlechterte sich der Zustand von Rouven Schipplick plötzlich so rapide, dass er wieder in die Klinik eingeliefert werden musste.

Der letzte Besuch im Krankenhaus – „Und dann war es auf einmal still“

Zwei Tage später dann die Hiobsbotschaft: Die Leukämie ist zurück. Einen Tag später startete die Chemo-Therapie. Doch noch am selben Tag bat der behandelnde Arzt Tanja Schipplick zu sich ins Krankenhaus. „Mein Herz schwer, Adrenalin schoss durch meinen Körper, diese Vorahnung, meine Tränen liefen“, erinnert sie sich. Dem folgte die Gewissheit: Rouven Schipplicks Zustand war instabil und die Chance, dass die Chemo anschlug, sehr gering. Wahrscheinlich sei dies seine letzte Woche, prognostizierte der Arzt.

Der Mediziner sollte Recht behalten: Der Zustand des 35-Jährigen verschlimmerte sich rasant. In der Nacht zum 7. Januar teilte das Paar ein letztes Mal ein gemeinsames Bett – das Bett im Krankenhaus. Aber von Schlaf war keine Rede. Das Atmen fiel ihm schwer und die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben, erinnert sich Tanja Schipplick. Am 7. Januar, einem Sonnabend, besuchte sie ihren Mann gemeinsam mit seiner Mutter. „Du konntest nicht mehr, dein Körper konnte nicht mehr und wollte einfach nur schlafen. Und dann war es auf einmal still.“