Bergedorf. Kultur- & Geschichtskontor lädt zum Rundgang: Wie Hamburgs Reeder und Kaufleute das kleine Städtchen auf fünffache Größe wachsen ließen.

Es ist das mit Abstand größte zusammenhängende Villengebiet Hamburgs: Zwischen Schlosspark und Bergedorfer Gehölz erstreckt sich ein architektonischer Schatz großbürgerlichen Lebens, der den einst kleinen Bergedorfer Kern rund um das Sachsentor auf nahezu fünffache Fläche wachsen ließ. Von etwa 1860 bis zum Ersten Weltkrieg bauten hier wohlhabende Hamburger Reeder, Kaufleute und Fabrikanten ihre Sommersitze. Gleichzeitig entstanden teils riesige Ausflugslokale, die an den Wochenenden Touristen anlockten.

Auf die Spuren dieser Vielfalt begibt sich am Mittwoch, 5. Juli, Historiker Christian Römer beim Feierabendrundgang des Kultur-& Geschichtskontors. Die etwa zweistündige Tour startet um 18 Uhr vor dem Kontor am Reetwerder 17 (Teilnahme 9 Euro; Anmeldung nicht erforderlich). Der neu konzipierte Villengebietsrundgang stellt dabei vor allem den nördlichen Teil des gut drei Quadratkilometer großen Areals am Hang zu Bille und Eisenbahn in den Mittelpunkt der Bergedorfer Stadtgeschichte.

Mondäne Villen – und die ersten Gebäude der Baugenossenschaft Bergedorf

Die ersten Stopps werden an der Bergedorfer Mühle und in ihrer direkten Umgebung gemacht. Rund um den 1831 eingeweihten hölzernen Riesen mit seinen markanten Flügeln entstanden 1922 nämlich die ersten Neubauten der Baugenossenschaft Bergedorf, Keimzelle der heutigen Bergedorf-Bille. So entstanden unter anderem die markanten Reihenhäuser an Heinrich-Heine-Weg und Daniel-Hische-Straße, für die der riesige Park einer Kaufmannsvilla von der Genossenschaft erworben worden war.

Die Bergedorfer Mühle um 1930. Rechts eines der ersten Gebäude der Baugenossenschaft Bergedorf, Vorläufer der Bergedorf-Bille.
Die Bergedorfer Mühle um 1930. Rechts eines der ersten Gebäude der Baugenossenschaft Bergedorf, Vorläufer der Bergedorf-Bille. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

Richtig mondän wird es anschließend: An der Von-Anckeln-Straße, dem Dreieichenweg und dem Steinkamp sind etliche teils riesige Villen zu bewundern, die vielfach als Zweifamilienhäuser mit 500 Quadratmetern oder gern auch deutlich Wohnfläche konzipiert waren. Etwas kleiner, aber ein echtes Schmuckstück ist die Villa des Architekten Hermann Distel an der nach ihm benannten Straße gleich neben dem Hansa-Gymnasium.

Dominantes Hansa-Gymnasium: der „Brikett in der Perlenkette“ des Villengebiets

Distel, der diverse Gebäude in Hamburg und Bergedorf entworfen hatte, darunter das Hauptgebäude der Universität, kam nach dem Zweiten Weltkrieg in Verruf, weil er auch mit Hitlers Lieblingsarchitekten Albert Speer zusammengearbeitet hatte. Gar nicht gut zu sprechen war Hermann Distel übrigens auf den riesigen Bau des Hansa-Gymnasiums, den Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Schumacher 1913/14 gleich neben seiner Villa errichten ließ. Er nannte ihn den „Brikett in der Perle“ des Villengebiets.

Zum Abschluss geht Christian Römmer mit seinen Gästen dann am 1949 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ausgebauten Billtal-Stadion vorbei hinunter zum Möörkenweg, wo sich an der Bille einst verschiedene große Gasthäuser aneinander reihten. Bei genauem Hinsehen finden sich hier sogar noch immer Reste angesagter Touristenmagneten wie „Billthal“ oder „Waldhaus“.