Bergedorf. Volkers Welt: Schöne Frau vor schöner Landschaft. Wie vor 70 Jahren mit „Fluss ohne Wiederkehr“ das Breitwand-Fernsehen erfunden wurde.

Es war der Moment, in dem im Leben der Marilyn Monroe alles hätte ganz anders kommen können. Im Sommer 1953 saß sie im Zug und bewunderte auf dem Weg zu einem der entlegenen Drehorte für den Spielfilm „Fluss ohne Wiederkehr“ („River of no return“) die Schönheit der kanadischen Rocky Mountains. „Warum ziehst du nicht hierher, baust ein Haus und bekommst Kinder?“, fragte ihr Make-up-Artist und langjähriger enger Freund Allan „Whitey“ Snyder. Die damals 27-Jährige, die sich auf dem Höhepunkt ihres Ruhms befand, dachte einen Augenblick nach. „Whitey, ich weiß“, antwortete sie traurig. „Aber ich kann es nicht. – Es geht einfach nicht.“ Neun Jahre später war sie tot, zusammengebrochen nach einem Leben auf der Überholspur.

Ihr Biograf Donald Spoto hat diese Episode in seinem 1993 erschienenen Buch „Marilyn Monroe – The Biography“ für die Nachwelt festgehalten. Vor genau 70 Jahren, am 30. April 1954, kam „Fluss ohne Wiederkehr“ in die Kinos. Von diesem Film handelt die heutige Folge unserer Bergedorfer Familien-Kolumne „Volkers Welt“. Der Western ist trotz einiger erzählerischer Schwächen ein Meilenstein der Filmgeschichte, der bis in unsere heutige Zeit nachwirkt. Er definierte unser Bild von Marilyn Monroe, die bürgerlich Norma Jean Baker hieß, ganz wesentlich. Zudem ging er auch technisch neue Wege.

Dass wir heute Breitwand-Kino schauen, liegt an „Fluss ohne Wiederkehr“

Die prächtige Landschaft der Rocky Mountains war für die Produktionsfirma 20th Century Fox der ideale Schauplatz, um eine damals völlig neue Technik erstmals so richtig zur Geltung zu bringen. Cinemascope brachte das Breitwandbild in die Kinos. Dass wir also auch heute noch Breitwand-Kino schauen, hat viel mit diesem Film zu tun.

Lagerfeuer-Romantik mit einer sauberen und perfekt geschminkten Monroe.
Lagerfeuer-Romantik mit einer sauberen und perfekt geschminkten Monroe. © picture alliance/United Archives | United Archives/Impress

Doch damals konnten nur die wenigsten Lichtspielhäuser das neue Breitwandbild darstellen. Zwar passte das 35-Millimeter-Filmmaterial in herkömmliche Kameras und Projektoren, doch zur Vorführung im Kino musste vor den Projektor noch eine Extralinse, das Anamorphoskop, geschraubt werden. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass „Fluss ohne Wiederkehr“ mit einem Einspielergebnis von 3,8 Millionen Dollar seine Herstellungskosten von 2,3 Millionen Dollar deutlich übertraf.

Schöne Frau vor schöner Landschaft – ein schlichtes Erfolgsrezept

Doch nicht nur „Fluss ohne Wiederkehr“ war ein Erfolg, sondern auch Filme wie „20.000 Meilen unter dem Meer“ (Weihnachten 1954) oder die Zeichentrick-Geschichte „Susi und Strolch“ (Sommer 1955), die in der neuen Technik gedreht worden waren. Da sich 20th Century Fox zudem entschloss, Cinemascope in Lizenz auch an die anderen großen Studios zu verkaufen, setzte sich der neue Standard schnell durch. 1956 waren bereits 60 Prozent aller Lichtspielhäuser in den USA in der Lage, Breitwandfilme zu zeigen.

Das Filmplakat zu „Fluss ohne Wiederkehr“ setzt auf Marilyn Monroe als Zugpferd.
Das Filmplakat zu „Fluss ohne Wiederkehr“ setzt auf Marilyn Monroe als Zugpferd. © picture alliance / Everett Collection | ©20thCentFox/Courtesy Everett Collection

Schöne Frau vor schöner Landschaft – das war jedoch nicht das, was sich Marilyn Monroe eigentlich von dem Projekt versprochen hatte. Schon ein Jahr später äußerte sie sich sehr kritisch. „Heute würde ich River of no return als Auftrag nicht mehr annehmen“, wird sie von Donald Spoto in seiner Biografie mit einem Satz aus dem Jahr 1955 zitiert. „Ich weiß, dass ich Besseres verdiene als schlechte Cowboyfilme, in denen die Schauspielerei hinter der Landschaft und dem Cinemascope an zweiter Stelle steht.“

Die Dreharbeiten waren ein heilloses Durcheinander

Die Verbitterung kam nicht von ungefähr. Dauerregen, der alle Zeitpläne zunichte machte, ein dem Alkohol zugeneigter Hauptdarsteller, eine schwierige Hauptdarstellerin und ein Regisseur, der nach Fertigstellung des Drehs seine Anstellung bei der 20th Century Fox kündigte, um so etwas nie wieder erleben zu müssen, das waren die Zutaten zu extrem herausfordernden Dreharbeiten. Für die explosive Stimmung am Set war vor allem Monroes Schauspieltrainerin Natasha Lytess verantwortlich, die schnell mit Regisseur Otto Preminger aneinander geriet.

„Ich flehte Marilyn an, ganz entspannt zu sein und völlig natürlich zu sprechen“, schreibt Preminger in seiner Autobiografie aus dem Jahr 1977. „Aber sie hörte nicht auf mich. Sie hörte nur auf Natasha und probte ihren Text derart überbetont, dass wir wegen ihrer heftigen Mundbewegungen keine Nahaufnahmen von ihrem Gesicht drehen konnten.“ Entnervt ließ Preminger Lytess vom Set verbannen, doch Monroe rief sofort beim Produzenten Darryl F. Zanuck an und beklagte sich, sie könne ohne ihre persönliche Schauspieltrainerin nicht arbeiten. Zanuck entschied, dass die Popularität der Hollywood-Schönheit maßgeblich für den kommerziellen Erfolg des Films sei und ordnete an, Lytess zurückkehren zu lassen.

Ärger um Schauspiel-Coach sorgt für Unruhe am Set

Vergleichbares war laut Donald Spoto zuvor auch schon am Set von „Wie angelt man sich einen Millionär“ passiert, als Regisseur Jean Negulescu sich mit Lytess anlegte und sie aus dem Studio warf, woraufhin Marilyn Monroe am nächsten Tag wegen einer angeblichen Bronchitis nicht am Set erschien. Am Ende durfte Lytess zu den Dreharbeiten zurückkehren und bekam sogar eine höhere Gage.

Wasser von allen Seiten: Marilyn Monroe, Tommy Rettig und Robert Mitchum beim Dreh im Studio.
Wasser von allen Seiten: Marilyn Monroe, Tommy Rettig und Robert Mitchum beim Dreh im Studio. © picture alliance / Everett Collection | ©20thCentFox/Courtesy Everett Collection

Doch es wird Marilyn Monroe nicht gerecht, sie nur als launische Diva zu charakterisieren, die ständig zu spät zu den Aufnahmen kam und überall ihren Willen durchsetzte. Sie war auch jemand, der seine Rolle mit Hingabe verkörperte. Ein Großteil der Handlung von „Fluss ohne Wiederkehr“ spielt auf einem Floß, das durch die Stromschnellen pflügt. Ein Großteil der Szenen wurden im Banff National Park in Kanada gedreht, wo die Crew im Banff Springs Hotel, dem heutigen Fairmont Banff Springs, Quartier bezogen hatte.

Bei den Dreharbeiten wäre Marilyn Monroe beinahe ertrunken

Die Arbeit in der wilden Natur war herausfordernd. Einmal trug Monroe bei den Proben zu einer Szene im Fluss einen hüfthohen Schutzanzug für ihr Kostüm, der sich plötzlich überraschend mit Wasser füllte und sie nach unten zog. Ihr Co-Hauptdarsteller Robert Mitchum und einige andere sprangen in den Fluss, um sie wieder herauszuziehen, sonst wäre sie ertrunken.

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Auch die Dreharbeiten für die Nahaufnahmen waren eisig, denn Monroe wurde von allen Seiten mit Wasser überschüttet. „Wir haben ihr einiges abverlangt, aber sie hat sich nie beklagt“, erinnert sich Paul Wurtzel, Leiter der Abteilung für Spezialeffekte bei der Fox, in einem Gespräch mit Donald Spoto. „Sie wusste, was dieser Film brauchte, und wenn wir sie erst einmal da hatten, wo wir sie haben wollten, war sie ein absoluter Profi.“

Alice Schwarzer: Monroe verkörpert Tragik und Triumph, eine Frau zu sein

Es sind diese Momente, die von ihr in Erinnerung bleiben sollten. Als Vorbild für viele Generationen. „Keine verkörperte wie sie die Tragik und den Triumph, eine Frau zu sein“, schrieb Frauenrechtlerin Alice Schwarzer, ein glühender Monroe-Fan, einmal über sie. „Marilyn Monroe, diese Tochter einer verletzten, hilflosen Mutter, ist früh, sehr früh gedemütigt, missbraucht, benutzt worden“, führt Schwarzer weiter aus. „Dennoch hat sie diesen beeindruckenden Aufstieg geschafft.“