Hamburg. Monatelang drohte Florian Giese die Pleite. Nun scheint das Schlimmste überstanden – und das kleine Geschäft lockt mit neuen Angeboten.

Riesige Behälter mit Nüssen hängen an den Wänden, auf den Tischen stehen Gewürzgläser und Boxen mit erntefrischem Gemüse. Wer gemütlich einkaufen möchte, ohne Unmengen an Müll zu produzieren, ist im Bergedorfer Unverpacktladen „Onkel Emma“ genau richtig. Denn Inhaber Florian Giese verkauft fast ausschließlich Waren ohne Verpackung – meist regional und in Bio-Qualität.

Doch dass die Regale in dem kleinen Geschäft gut gefüllt sind, ist nicht selbstverständlich. Denn mit Beginn des Krieges in der Ukraine kamen ab Frühjahr 2022 immer weniger Kunden. Für „Onkel Emma“ am Reetwerder 8 sah es lange Zeit schlecht aus.

Neue Gesellschafter für Bergedorfs Unverpacktladen „Onkel Emma“

„Die Leute haben angefangen, ihr Geld mehr zu sparen. Und die Preise sind hier etwas höher als im gewöhnlichen Supermarkt“, so der 38-Jährige. Giese musste beobachten, wie es mit seinem Geschäft bergab ging. Er entließ seine vier Mitarbeiter, stellte den zusätzlichen Betrieb auf dem Wochenmarkt ein.

Ende des Jahres war dann die Rettung in Sicht: Zwei Privatpersonen stiegen als Gesellschafter ins Geschäft ein und sorgten für neues Kapital. „Im März konnten wir endlich wieder richtig Ware kaufen. Jetzt ist das Sortiment so gut wie vollständig“, sagt Florian Giese.

Nur vereinzelte Produkte, wie manche Schokoladensorten, fehlen noch. Das hat jedoch andere Gründe: „Es gibt Lieferschwierigkeiten, weil die Zuckerpreise jetzt in der Wirtschaftskrise so hoch sind.“ Auch seien manche Zusteller in Existenznot, die in den vergangenen Monaten vor allem Unverpacktläden belieferten.

Denn „Onkel Emma“ ist nicht der einzige Laden, bei dem das Konzept fast scheiterte. Ein halbes Dutzend Hamburger Unverpacktläden mussten in den vergangenen Monaten aufgeben. Viele weitere sind in Sorge, es gibt nur wenige Ausnahmen.

Noch schreibt Giese keine schwarzen Zahlen

Umso dankbarer ist Florian Giese, dass es für sein Geschäft langsam bergauf geht. „Ich bin ziemlich fertig, aber kann nach langer Zeit ab und zu wieder ruhig schlafen.“ Dennoch betont der Reinbeker: Die Krise ist nicht vorbei. „Ich sehe die positive Entwicklung noch nicht in den Zahlen.“ Seit März würden jedoch wieder mehr Kunden kommen. Der Ladeninhaber ist davon überzeugt, dass es gut weitergehen wird. Nur die Sommerferien seien ein kleiner Grund zur Sorge – da seien viele Kunden im Urlaub.

Seine Zielgruppe sieht Giese vor allem bei Menschen über 30 Jahre und jungen Familien. In der Hamburger Innenstadt sei das womöglich anders, weil dort auch viele Studierende wohnen. Der direkte Kontakt mit der Kundschaft ist für den ehemaligen Penny-Marktleiter ein wichtiger Teil des Jobs. Ihm gefalle es, sich mit den Menschen auszutauschen. Viele kenne er schon. „Heutzutage ist es normal, anonym einzukaufen. Aber hier geht es auch anders“, sagt der Familienvater. Auch älteren Bergedorfern sage der kleine Laden zu: Das Konzept erinnere viele Senioren an die klassischen „Kaufmannsläden“ von früher.

Die Kundinnen und Kunden haben „Onkel Emma“ temporär gerettet

Seine Kunden waren es auch, die den Laden 2022 übergangsweise mit ihrer Treue retteten. Denn als das Geschäft im vergangenen Jahr an der Pleite vorbeischrammte, überlegte Giese sich kurzerhand ein spezielles Bezahlkonzept: Auf eine Guthabenkarte konnten die Kunden einen selbst gewählten Betrag laden – und bekamen damit Rabatte.

Bis 350 Euro gab es zehn Prozent Rabatt, bei mehr Geld sogar 20. Das Geschäft konnte so liquide bleiben. „Das war eine gute Übergangslösung.“ Zum 1. Juli läuft das Konzept nun aus. „Guthaben kann natürlich auch danach noch genutzt werden und verfällt nicht“, sagt Giese.

Naturkosmetik-Workshop lädt in den Unverpacktladen ein

Um die Einnahmen zu erhöhen, setzt Florian Giese nun auch auf die Mehrzwecknutzung seines Ladens. Er betreibt einen DHL-Paketshop, verleiht Lastenräder von „Bergedorf im Wandel“ und vermietet die Fläche für kleine Events. Ganz aktuell kommt ein Workshop zu „Onkel Emma“ in den Laden. Am 10. Mai lädt Natur-Coachin Birgit Heitmann von 18.30 bis 22 Uhr zur Herstellung von Naturkosmetik ein. Der Kursus kostet 75 Euro. Wer interessiert ist, kann sich direkt im Unverpacktladen oder telefonisch anmelden (Tel.: 040/76 48 23 92).

Florian Giese sieht solche Angebote als Chance für beide Seiten: „Es ist so schwierig, bezahlbare Räume für solche Kurse oder Workshops etwas zu finden. Für schöne, regionale Events vermiete ich den Laden gern.“ Auch die Reihe „Emma am Abend“ würde er gern fortführen. Die Gäste zahlen dabei 29 Euro, bekommen ein Zwei-Gänge-Menü, Snacks und ein Getränk serviert. Der Abend steht unter einem speziellen Thema, etwa aus der regionalen Landwirtschaft – zum Beispiel „Vom Schaf zum Pullover“. Ein Experte aus dem Bereich berichtetet dann dazu.

Bergedorfs Unverpacktladen „Onkel Emma“: Inhaber liebt den Job

Ob Giese in Zukunft auch das Sortiment bei „Onkel Emma“ erweitern kann, bleibt abzuwarten. „Wir müssen uns jetzt erst mal ein kleines Polster aufbauen“, sagt der gebürtige Geesthachter. Trotz all der Schwierigkeiten in den vergangenen Monaten ist er überzeugt, das Richtige zu tun.

Als gelernter Einzelhandelskaufmann mit viel Praxiserfahrung habe er keine Lust mehr auf Arbeit in großen Supermärkten. „Die Personalpolitik hat mir dort oft nicht gefallen.“ In seinem kleinen Laden könne er in dem Job arbeiten, den er mag und dazu noch etwas Gutes für die Umwelt tun. Und: Wenn man auf Kilopreise achte, seien die Produkte oft kaum teurer als im normalen Supermarkt.

Wer vorbeikommen möchte, um unverpackte Ware zu kaufen, kann einfach eigene Gefäße jeglicher Art mitbringen. Begrenzt gibt es auch im Laden alte Gläser, die ohne Aufpreis verwendet werden können. Manchmal ergeben sich daraus auch verrückte Kombinationen, erzählt Florian Giese: „Ich habe schon Waschmittel in eine Astra-Bierflasche gefüllt.“

„Onkel Emma“, Reetwerder 8, Öffnungszeiten (neu): Di-Do, Sa 10-13 und 15 bis 18 Uhr, Fr 10 bis 18 Uhr