Bergedorf. Zu den Gottesdiensten der afrikanischen Pfingstgemeinde kommen jeden Sonntag gut 100 Besucher. Nun wird ihr Gebäude abgerissen.

Obwohl sie es schon geahnten hatten, brachen manche spontan in Tränen aus: „Wir sind ganz doll traurig“, sagt Kinika Hansen. Seit zehn Jahren reist die Altenpflegerin jeden Sonntag von Buxtehude nach Bergedorf, um hier am Brookdeich 16 b einen Gottesdienst zu feiern. Jetzt aber wurde der afrikanischen Pfingstgemeinde gekündigt: Spätestens zum Jahresende müssen die Christen ihr kleines Gotteshaus verlassen, damit das ganze Viertel einem Neubau weichen kann. Wie berichtet, sollen hier im „Bahnhofsquartier“ 560 neue Wohnungen entstehen.

„Das ist für uns eine Hiobsbotschaft“, sagt Pastor Gauthier Lukebakio Kisansi, der jeden Sonntag zwischen 11 und 13.30 Uhr gut 100 Besucher in der evangelischen Freikirche begrüßen kann, die gern laut mit der Band singen, beten und tanzen. Ihre Familien stammen aus dem Kongo, aus Angola, Togo oder Kamerun. Auch Menschen von der Elfenbeinküste und aus Benin hören zu, wenn der 46-Jährige predigt und aus der Bibel vorliest – auf Französisch. „Das war nun mal die Koloniesprache. Wobei für unsere Kinder und Jugendlichen, die hier zur Welt kamen, alles auf Deutsch übersetzt wird“, betont der Paketbote aus Bahrenfeld, der seine Predigten im Ehrenamt vorbereitet. Er weiß: „Ich muss tief atmen, darf nicht so schnell reden.“

„Die Auserwählten Gottes“: Freikirche sucht neue Räume

„Les Elús de Dieu“ nennt sich die Gemeinde, die bereits vor 30 Jahren in Hamburg gegründet wurde: „Die Auserwählten Gottes“. Klingt zunächst einmal ungewohnt. „Wir sind keine Sekte, sondern Kirchenmitglieder, die an das reine Wort Gottes glauben und im Glauben zueinander gefunden haben“, sagt die Neuallermöherin Jenna Fahala. Sie hofft, dass im Sommer das 30-jährige Bestehen noch in Bergedorf gefeiert werden kann: Gesucht werden neue Räume mit einem großen Saal, die Miete darf bis zu 1000 Euro kosten.

Aber auch über einen Kredit wird nachgedacht, um ein Objekt kaufen zu können: „Wir würden gern mit Hilfe Gottes ein Gemeindezentrum gründen, mit Kinderbetreuung und biblischem Jugendtheater, Platz für unsere Musikkurse, Lesungen und Meditationen“, sagt Sängerin und Übersetzerin Angela Katanga. Sie wird übrigens bald das erste Mal in den Kongo reisen: „Das wird bestimmt ein Kulturschock für mich“, meint die 23-Jährige schmunzelnd: „Die werden mich allein deshalb fremd finden, weil ich viel hektischer bin als sie das gewohnt sind.“

Gemeindemitglieder kommen aus der Umgebung nach Bergedorf

Aber auch beim Gottesdienst in Bergedorf sind sich zunächst viele fremd: Bob Malamu (39) etwa wohnt in Reinbek, andere kommen aus Norderstedt, Buchholz, Bad Oldesloe, Geesthacht oder Pinneberg. In Farmsen wohnt Tobias Mahncke mit seiner afrikanischen Frau. Der 35-Jährige zählt zu den wenigen weißen Gesichtern in der Runde: „Ich habe hier Jesus kennengelernt und als meinen Herrn angenommen, in der afrikanischen Gemeinde ist einfach eine lebendigere Stimmung und mehr Feuer“, schwärmt der ehrenamtliche Prediger.

Sie feiern Ostern und Pfingsten, glauben an die Dreifaltigkeit und taufen gern mit Elbwasser an der Strandperle: „Aber wir taufen keine Babys, erst ab 16 Jahren. Nur wer freiwillig glaubt, wird getauft“, betont der Pastor – und verweist auf die zweite afrikanische Gemeinde in Bergedorf, die sich am Neuen Weg trifft: „Zwischen uns gibt es nur winzig kleine Unterschiede. Weil da aber viele Leute aus Ghana kommen, wird auf Englisch gebetet“, erklärt er.

Großes bürgerschaftliches Engagement zeichnet die Gemeinde aus

Auch Mirjam Hartmann, die Integrationsbeauftragte aus dem Bergedorfer Bezirksamt, ist von den Gemeinden angetan. Sie weiß, dass sich die Afrikaner nicht nur gegenseitig helfen, sondern auch Hausaufgabenhilfe anbieten oder zu Weihnachten Plätzchen für Bergedorfer Obdachlose backen. „Es gibt viel mehr bürgerschaftliches Engagement als offen sichtbar wird. Die machen das einfach, man hilft sich in der Community“, weiß Hartmann – und lässt sich von dem Namen der „Auserwählten Gottes“ nicht abschrecken: „Ein solcher Pathos geht uns Deutschen vielleicht ab. Aber die wollen ja nichts missionarisch verkünden.“

Auf jeden Fall muss jetzt ganz praktisch und schnell eine neue Bleibe gefunden werden. „Die Zeit gehört uns nicht, wir benötigen Hilfe“, sagt Pastor Gauthier Lukebakio Kisansi, der sich einen mindestens 100 Quadratmeter großen Saal vorstellt, dazu Toiletten und eine Küche. So wie es jetzt eben auch ist in dem alten Haus im Hinterhof, das zuvor eine Spielhalle beherbergte und eine Moschee. Wer eine Idee hat und helfen mag, wendet sich gern per Mail an JennaFahala@gmx.de.