Bergedorf. „Amin ist ein Sonnenschein“, sagen sie. Wie der Junge aus dem Kinderheim St. Elisabeth sogar in der Chefetage Eindruck machte.

„Werde einer von uns“, stand auf dem Plakat. Da hat Amin Haddadi allen Mut zusammengenommen und ist hineingegangen in die Hallen des Bergedorfer Briefverteilzentrums der Post am Weidenbaumsweg, die für einen 13-Jährigen noch riesiger wirken als sie es ohnehin schon sind. Drinnen hat sich der Sechstklässler dann durchgefragt, bis er schließlich vor dem Chefbüro im ersten Stock stand.

„Das war ganz schön aufregend“, erinnert sich Amin, der im Kinderheim St. Elisabeth am Grasredder lebt. „Aber ich hatte das Plakat draußen schon ein paar Tage zuvor entdeckt und mir fest vorgenommen, da reinzugehen.“ Schließlich drängte die Zeit: Zwei Wochen später war „Girls’ and Boys’ Day“, jener Tag, an dem Schüler in Amins Alter zum ersten Mal in die Berufswelt der Erwachsenen schnuppern dürfen.

13-Jähriger aus dem Kinderheim beeindruckt Bergedorfs Postler

Fast immer sind es die Eltern, die sich hinter diese erste „Job-Suche“ für ihren Nachwuchs klemmen oder die Kinder gleich selbst mit zu ihrer Arbeit nehmen. „Fast alle in meiner Klasse an der Stadtteilschule Bergedorf hatten schon einen Platz, nur ich nicht“, sagt Amin Haddadi, der in einer Wohngruppe des Kinderheims ohne seine Eltern lebt.

Also nahm er sein Herz in die Hand und klopfte an der Tür zum Chefbüro des Briefzentrums. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, erinnert sich Ricarda Schuler, die an jenem 28. April 2022 auf der anderen Seite der Tür saß. „Es trat ein Junge ein, ganz allein und ein bisschen aufgeregt.“ Aber dann habe er „so freundlich und bestimmt nachgefragt, ob bei uns vielleicht noch ein Platz für ihn am Girls’ and Boys’ Day frei wäre, dass ich gar nicht ablehnen konnte“.

Mit dem Fahrrad und Zustellerin Anja Heitmann auf Tour durch Boberg

Tatsächlich eroberte der kleine Kerl die Herzen aller Postler des Briefverteilzentrums im Sturm. „Amin ist ein Sonnenschein“, ist sich Ricarda Schuler mit Anja Heitmann einig, die ihn damals im April mit auf ihre Zustelltour ins Gewerbegebiet Boberg rund um die Osterrade mitnahm. Beide waren mit dem Fahrrad unterwegs und wurden innerhalb des einen Tages zu guten Freunden.

Dass Amin Haddadi mittlerweile fast jedem im Briefverteilzentrum bekannt ist, liegt an zwei weiteren Kurzpraktika: „Sowohl in den Mai-Ferien als auch im Sommer hat er uns für einen Tag besucht. Und natürlich ist er auch weiterhin immer herzlich willkommen“, sagt Ricarda Schuler, die kurz vor Weihnachten jetzt mit einer kleinen Delegation aus dem Briefzentrum zum Überraschungsbesuch ins Kinderheim St. Elisabeth kam.

Bälle, Taschen und Bücher für die Kinder von St. Elisabeth

„So etwas haben auch wir noch nie gemacht. Aber Amin, du bist eben ein ganz außergewöhnlicher junger Mensch“, gestand sie beim Treffen an ungewohnter Stelle. Natürlich waren die vier Kollegen nicht mit leeren Händen gekommen: Ein ganzes Netz voller Bälle, Taschen mit weihnachtlich verpackten Büchern für Kinder und Jugendliche sowie Kuscheltiere wie „Bruno Posti“, den Postbär, hatte die Delegation im Gepäck.

Amin selbst wollte nur das gelbe Post-T-Shirt behalten, das natürlich ebenfalls dabei war. Den Rest verteilte er zusammen mit dem Team von St. Elisabeth in den verschiedenen Wohngruppen des Heims. Ob er auch beruflich mal bei der Post einsteigen wird, ließ der 13-Jährige trotz aller Begeisterung für das Briefverteilzentrum und vor allem „seine“ Zustellerin Anja Heitmann offen: „Es gibt viele tolle Jobs und wir haben in den nächsten Schuljahren ja auch noch einige Praktika. Da werde ich bestimmt noch mal woanders anklopfen.“