Hamburg. Das Engagement vieler Menschen wird seit 22 Jahren geehrt. 2022 teilen sich zwei Alltagshelden Auszeichnung und Preisgeld.

Freudentränen stehen der Preisträgerin in den Augen. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, bringt Kerstin Kleenworth stockend hervor. Soeben hat Propst Matthias Bohl beim Festakt im Spiegelsaal des Bergedorfer Rathauses die 54-jährige Aumühlerin als Preisträgerin des 22. Bergedorfer Bürgerpreises verkündet, wie in jedem Jahr verliehen durch die Volksbank Bergedorf, Stormarn, Vierlande und die Bergedorfer Zeitung. Kerstin Kleenworth teilt sich den mit insgesamt 6000 Euro dotierten Preis mit dem langjährigen Vorsitzenden des Bergedorfer DRK-Kreisverbands, Peter Kröger.

Die 6000 Euro Preisgeld werden geteilt

Kerstin Kleenworth und der von ihr gegründete Verein „Gemeinsam Gutes tun – Komm“ organisiert seit März Hilfstransporte für die Menschen in der kriegsgebeutelten Ukraine. Rund 20 Lkw-Ladungen mit Medikamenten und anderen Hilfsgütern sind seitdem vom Sammelplatz auf dem Aumühler Bauhof über Warschau in die Ukraine gelangt.

„Es ist nicht meine Einzelleistung, die unseren Verein so erfolgreich macht“, beteuerte die Aumühlerin gegenüber der illustren Runde von Kandidaten, Jury und Veranstaltern. Sie dankte insbesondere den Mitarbeitern des Bauhofs und deren Chef Dennis Kropp für die logistische Unterstützung, dem Krankenhaus Wilhelmstift für gespendete Medikamente und auch dem Aumühler Bürgermeister Knut Suhk, der selbst einen Lkw Richtung Ukraine gesteuert hat.

20 Lkw-Ladungen Hilfsgüter in die Ukraine geliefert

Gleichwohl lobte Propst Bohl das vielfältige Engagement der Preisträgerin: „Sie haben sich nicht nur davon anrühren lassen, dass plötzlich so viele Menschen Hilfe brauchen. Sie haben verschiedene Player zusammengeführt, bis hin zur Spedition, die Kartons für die Transporte spendete. Und Sie haben damit vielen Menschen geholfen, ihr Herz und ihr Portemonnaie zu öffnen. Ihr Engagement macht Mut, die seit Beginn der Pandemie fortschreitende Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden.“

Kerstin Kleenworth will ihr Preisgeld von 3000 Euro für den Kauf weiterer Medikamente und für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ einsetzen, an der der Verein sich für Kinder in der Ukraine in diesem Jahr beteiligt.

Auszeichnung für Urgestein des DRK Bergedorf

Nach 54 Jahren Engagement im DRK-Kreisverband Bergedorf kann der nun scheidende Vorsitzende Peter Kröger mit Fug und Recht als Urgestein des Deutschen Roten Kreuzes betitelt werden. Seit 23 Jahren ist Kröger hier Vorsitzender, wurde fünfmal wiedergewählt. „Überall wo Not war, im Inland und Ausland, waren Sie in der ersten Reihe tatkräftig dabei“, erläuterte Bohl in seiner Eigenschaft als Jury-Vorsitzender in der Laudatio.

Er nannte als Beispiele das schwere Erdbeben in Armenien 1988, den Aufbau des Katastrophenschutzes in der Ukraine 1998 oder auch die Flutkatastrophe im Ahrtal vergangenen Sommer.„Aber auch hier in Bergedorf stehen Sie zuverlässig Ihren Mann. Sie schenken an jedem Adventssonnabend vor St. Petri und Pauli Gulasch aus der Kanone aus.“

Jeden Adventssonnabend Einsatz an der Gulaschkanone

Mit seinen 3000 Euro Preisgeld kommt Peter Kröger der Realisierung eines Herzensanliegens näher: ein Hospiz-Mobil, mit dem sterbenden Menschen ein letzter Wunsch erfüllt werden kann – sei es ein Ausflug an die Ostsee oder zu Verwandten, der Besuch eines Konzerts oder eines nahestehenden Menschen.

Ehrungen und Urkunden gab es für alle Helden des Alltags, darunter zwei Paare. Die Wentorfer Eheleute Renate und Günther Binder kümmern sich seit 2014 um Flüchtlinge mit solchem Elan, dass sie für manche Mitbürger einfach „die mit den Flüchtlingen“ sind. Jury-Neuling Marlis Clausen würdigte das Engagement von Tierretterin Nora Picka-Pamperin und Heike Deutschmann, Vorsitzende des Freundeskreises Hof Eggers: „Kaum zu glauben, was diese Menschen leisten.“

„Glauben Sie nur nicht, dass das hier einfach ist mit Ihnen“

Es sind Menschen wie der Handwerker mit Herz Sascha Prager und die Lohbrügger Alltagshelferin Annette Grizivatz, die Nachbarn und deren Kinder und Tiere betreut, Besorgungen und Einkäufe erledigt aber auch mal eine Wohnungslose aufnimmt, über die die Jury-Mitglieder beraten. Mit Blick auf die vielen anderen Leuchttürme des Ehrenamtes sagte Jury-Mitglied Britta Buhck schmunzelnd: „Glauben Sie nur nicht, dass das hier einfach ist mit Ihnen.“ Es sei stets eine knifflige Aufgabe, die großen ehrenamtlichen Leistungen aller Teilnehmer abzuwägen und zu bewerten.

VfL-Chef: „Bei uns hat man weniger das Sagen, als das Tun“

Unterhaltsam geriet auch die eine oder andere Dankesrede. „Bei uns hat man weniger das Sagen als das Tun“, parierte der Vorsitzende des VfL Lohbrügge Jens Wechsel die Forderung von Jurymitglied Horst Rödinger, doch selbst etwas zu seiner nunmehr 28 Jahre währenden Vereinsführung zu sagen. Wechsels Erfolgsrezept: „Wenig schnacken, vieles packen, manchmal auch den Kopf in’n Nacken...“

Melanie Sarnow, Initiative „Bergedorf im Wandel“, unterstrich bei ihrer Ehrung, dass sie ihre Arbeit für das Public Gardening am Schillerufer und den Aufbau des Lastenfahrrad-Verleihs nur leisten konnte, weil sie beruflich nur halbtags eingespannt gewesen ist: „Ich hoffe, dass künftig weniger Menschen an eine 36- oder 40-Stunden-Woche gebunden sind, mehr Lebenszeit für sinnvolle Projekte einsetzen können.“

Weniger Arbeitszeit bedeutet mehr Zeit für sinnvolle Projekte

Als Vertreter des Bezirksamts beschrieb Detlef Trute, Leiter Sozialraum-Management, den Bürgerpreis als „wichtige und sinnvolle Auszeichnung“, die dem Ehrenamt respektvolle Anerkennung erweise. „Das Einstehen für eine aktive Bürgergesellschaft ist unser aller Aufgabe und ein Grundpfeiler eines freiheitlichen Staates. Ehrenamtliche Helfer übernehmen Verantwortung, ohne sie wäre der Staat völlig überfordert.“ Unterbrochen von einem lauten Handy-Klingelton, fand auch Trute einen launigen Abschluss: „Ich singe jetzt aber nicht – das wäre sicher kontraproduktiv.“

Der Moderator des Abends, bz-Lokalchef André Herbst, erinnerte an die Anfänge des Bürgerpreises. „Wir haben 1999 gesagt, wir wollen mindestens fünf Jahre den Preis vergeben. Aber der ehrenamtliche Einsatz der Menschen in und um Bergedorf ist schier unerschöpflich.“