Fiskus: Immer mehr Steuerpflichtige nehmen Hilfe in Anspruch, weil sie nichts falsch machen wollen

Welche Ausgaben werden als Werbungskosten anerkannt? In welcher Höhe können Kosten für den Kindergarten abgesetzt werden? Wie viele Kilometer darf man als Entfernung zum Arbeitsplatz in die Steuererklärung eintragen? Und welche Steuerklasse-Kombination sollten Ehepaare wählen? Jahr für Jahr ändern sich die Gesetze zur Lohn- und Einkommensteuer - und sie werden dabei nicht einfacher, sondern immer komplizierter.

Da ist es kein Wunder, dass immer mehr Steuerpflichtige auf professionelle Hilfe setzen. Vor allem Lohnsteuerhilfevereine erfreuen sich als preisgünstige Alternative zum Steuerberater über großen Zulauf. Denn wer zum Steuerberater geht, zahlt dort mindestens 200 Euro für seine Steuererklärung. Beim Lohnsteuerhilfeverein ist man je nach Einkommen mit jährlichen Mitgliedsbeiträgen zwischen 36 und 400 Euro dabei. "Die Mitgliederzahlen in den Vereinen steigen seit Jahren", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine, Erich Nöll.

Zwar ist nicht jeder Arbeitnehmer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Aber es lohnt sich: Um die 900 Euro bekommen Arbeitnehmer im Schnitt zurück. Und wer zuerst kommt, hat früher sein Geld: Die Finanzämter bearbeiten die Steuererklärungen nach der Reihenfolge des Eingangs.

Rund drei Millionen Steuerzahler sind bereits Mitglied in einem der rund 850 Lohnsteuerhilfevereine in Deutschland. "Denn immer mehr Steuerzahler haben Angst, etwas falsch zu machen", ist Erich Nölls Erfahrung. Allein bei der Lohnsteuerhilfe Bayern, mit 550 000 Mitgliedern zweitgrößter Verein in Deutschland, traten im vergangenen Jahr mehr als 15 000 Mitglieder neu ein. "Bei uns hat sich die Zahl der Mitglieder in den letzten zwei Jahren auf 500 verdoppelt", sagt Frank Siegert, Leiter der Beratungsstelle der Vereinigten Lohnsteuerhilfe (vlh) in Geesthacht. Immer mehr Arbeitnehmer kapitulieren vor den technischen Anforderungen der Steuerprogramme. "Die jährliche Steuererklärung ist häufig Anlass für handfesten Ehestreit", weiß Siegert. "Da kommen die Leute beim nächsten Mal lieber zu uns." Zuwachs meldet auch die Bergedorfer Beratungsstelle der Lohnsteuerhilfe Bayern e.V. mit derzeit 2800 Mitgliedern, die bereits seit 1973 existiert.

Der Bund der Steuerzahler empfiehlt, sich bei Unsicherheiten Hilfe zu holen. "Ob das ein Lohnsteuerhilfeverein ist oder ein Steuerberater, ist Geschmackssache", sagt Isabel Klocke, die dort die Abteilung Steuern leitet. "Beide bieten gute Leistungen an." Viele Mitarbeiter der Lohnsteuerhilfevereine sind ehemalige Finanzbeamte. Sie wissen, worauf es in der Steuererklärung ankommt, was in welche Spalte eingetragen wird. Sie erstellen nicht nur die Einkommensteuererklärung für die Mitglieder, sondern legen notfalls auch Einspruch gegen den Steuerbescheid ein oder führen einen Rechtsstreit vor dem Finanzgericht.

Manch Steuerzahler hat es mit einer Steuersoftware versucht, bevor er in einem Verein Mitglied wurde. Aber der Umgang mit den Programmen ist nicht jedermanns Sache. "Viele haben frustriert hingeschmissen", sagt Mark Weidinger, Vorstand der Lohnsteuerhilfe Bayern.

"Mehr als die Hälfte unserer neuen Mitglieder sind Rentner", sagt Frank Siegert aus Geesthacht. "Seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes ist dieser Anteil sprunghaft gestiegen." Tipp: Wer mehr als 1500 Euro Rente im Monat bezieht, sollte prüfen lassen, ob er zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Eine Obergrenze für das Jahreseinkommen gibt es bei Lohnsteuervereinen übrigens nicht, allerdings müssen Großgrundbesitzer oder Multimillionäre draußen bleiben: Um Mitglied werden zu können, dürfen maximal 13 000 Euro pro Kalenderjahr aus Mieteinnahmen und Kapitalvermögen erzielt werden, bei Ehepaaren das Doppelte.