Maike Schambach: Für die Bergedorfer Modeschöpferin aus Rostock waren erst die 2000er-Jahre prägend

Für Maike Schambach (44) kamen die wirklich einschneidenden Ereignisse der Wende erst mit erheblicher Verspätung: Vor neun Jahren zog die Handwebmeisterin von Rostock nach Bergedorf - mit zwei kleinen Kindern. "Das war ein Kulturschock, weil ich sofort wieder alles daran setzte, mich in Bergedorf selbstständig zu machen", erinnert sich die Inhaberin der "Sakko-Manufaktur".

Probleme bereiteten dabei nicht etwa berufliche Qualifikation, Nachfrage oder die Haltung ihres Ehemanns Steffen, der im Management von "Alsterradio" arbeitet. Maike Schambach bekam vielmehr die Reaktionen der "Westmütter" zu spüren. Die Bergedorferinnen waren wegen ihrer Kinder zu Hause geblieben und schauten die Neue schief an. "Am Anfang habe ich gezweifelt, ob ich eine gute Mutter bin. Gerade weil mein Sohn Igor noch im Krippenalter war", erinnert sich die gebürtige Rostockerin. "Aber bei uns waren arbeitende Mütter normal. Auch nach der Wende. Und ich wollte nicht zu Hause versauern."

Also zog sie ihr Projekt durch, eröffnete 2006 ihr Atelier und hat heute eine ganz andere Sichtweise auf ihren damaligen Start: "Viele Frauen waren nur neidisch, dass ich mir Freiheiten nahm, die 2005 noch nicht ins Bergedorfer Gesellschaftsbild passten."

Tatsächlich war der eigentliche Mauerfall vor 25 Jahren für Maike Schambach weit weniger einschneidend als Nachwirkungen wie der Umzug nach Bergedorf: "Meine Schwester und ich sind derart unpolitisch, aus heutiger Sicht vielleicht naiv, aufgewachsen, dass ich erst kurz vor dem Herbst 1989 auf die Idee kam, unser Bild der bösen BRD könnte vielleicht falsch sein." Damals lernte die 19-Jährige ihre erste große Liebe kennen - einen 23-Jährigen, der einen Ausreiseantrag gestellt hatte.

Trotzdem blieben die Reisen in den Westen lange noch eine Art Abenteuerurlaub. Etwa die erste Tour mit der Freundin im November mit dem überfüllten Zug nach Hamburg. Die Modeschöpferin blieb in Rostock, musste sich aber wegen der schwindenden Nachfrage nach individueller Kleidung als Mitarbeiterin einer Werbeagentur oder in der Buchhaltung beim Radio durchschlagen. Erst 2002 wagte sie als Selbstständige wieder den Sprung zurück in ihren Beruf.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Maike Schambach aber bereits andere Spätfolgen des Mauerfalls eingeholt: "Meine Eltern trennten sich Ende der 90er-Jahre. Das war so eine typische Wende-Scheidung, die nie passiert wäre, hätte es die DDR noch gegeben." Ihre Mutter hatte die neuen Chancen ergriffen, sich als gelernte Werberin letztlich mit einer Agentur selbstständig gemacht. Das brachte das Weltbild des eher konservativen Vaters durcheinander.

Noch tiefer wurden die alten Bande der Großfamilie erschüttert: Kurz vor der Jahrtausendwende tauchten Stasiakten über alle Verwandten auf. "Es stellte sich heraus, dass meine Tante uns all die Jahre ausspioniert hatte", erinnert sich Maike Schambach.