Zahlen geschönt: Sozialverband Deutschland fordert spezielle Stellen für Langzeitarbeitslose

. Ihre Stimmen haben Gewicht, die Sozialverbände VdK und SoVD haben jeweils mehr Mitglieder als die größten Parteien Deutschlands, SPD und CDU. Der Landesverband Hamburg des Sozialverbands Deutschland fordert eine Umkehr in der Renten- wie auch Beschäftigungspolitik. Tenor: Ohne einen zweiten Arbeitsmarkt mit speziellen Angeboten für Menschen, die in reguläre Beschäftigung kaum zu vermitteln sind, werden Langzeitarbeitslosigkeit und Armut weiter wachsen.

Offiziellen Zahlen zur angeblich gesunkenen Arbeitslosigkeit setzt der SoVD eigene entgegen. Zu rund drei Millionen gemeldeten Erwerbslosen kommen all die hinzu, die herausgerechnet werden, "um die Statistik zu schönen": Wer derzeit in Trainingsmaßnahmen steckt, fällt ebenso aus der Statistik wie erkrankte Menschen: Auch wer nur kurzzeitig erkrankt, steht dem Arbeitsmarkt - nach aktueller Lesart - nicht zur Verfügung.

"Hinzu kommen etwa acht Millionen Menschen in prekärer Beschäftigung, die mit ihrem geringen Einkommen kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten können", sagt der SoVD-Landesvorsitzende Klaus Wicher. Es gehe um rund 13 Millionen Menschen am Rande der deutschen Gesellschaft.

Mehr Menschen aus der Armutsfalle helfen, das ist ein Ziel des SoVD. "Von den etwa 23 000 Langzeitarbeitslosen, die in Hamburg aktuell länger als zwei Jahre ohne Beschäftigung sind, ist ein Drittel seit der Hartz-IV-Reform im Dauerbezug", sagt Wicher. Werden ältere Arbeitslose zwangsverrentet, sobald sie das 63. Lebensjahr vollenden, sei ihnen Altersarmut sicher. Wicher: "Damit wird nicht nur die Statistik geschönt. Viele Menschen werden aus Hartz IV gleich in die Grundsicherung geschickt, weil ihnen von ihren häufig dünnen Renten dann auch noch mehr als zehn Prozent abgezogen werden." Und weil das Renteneinstiegsalter weiter steigen soll, werden die Abzüge bis auf 18 Prozent wachsen.

Doch auch Langzeitarbeitslose, die eine Beschäftigung finden, entkommen damit nicht sicher der Armutsfalle. Es droht der Drehtüreffekt. Wicher: "Viele finden nur eine schlecht bezahlte, prekäre Beschäftigung. Wer die wieder verliert, fällt sofort auf Hartz IV zurück."

Ein-Euro-Jobs helfen auch nicht weiter, sind sich SoVD und Gewerkschaften einig. "Arbeitsgelegenheiten bieten, anders als frühere Fördermaßnahmen, kaum Qualifizierung", sagt Ernst Heilmann, Vorsitzender des DGB in Bergedorf. Wer wirklich etwas für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen oder für Menschen mit Vermittlungshemmnissen tun wolle, müsse kreativ werden: "Der Senat kennt die Probleme doch."

Wicher hält einen zweiten Arbeitsmarkt für unverzichtbar. "Viele Menschen finden aufgrund gesundheitlicher und psychischer Probleme keine Beschäftigung." Wer sie nicht dauerhaft in die Perspektivlosigkeit schicken wolle, müsse einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen. "Je nach Befähigung könnten diese Menschen in der Grünpflege, in Schulküchen oder in Ämtern eingesetzt werden, etwa um die Sachbearbeiter dort zu entlasten." Werden sie dort auf Dauer sozialversicherungpflichtig beschäftigt, könne zugleich vermieden werden, dass sie später in die Altersarmut rutschen.